Tatertragseinzug bei Feststellung von Rauschgiftweiterverkauf
Gesetze: § 73 Abs 1 StGB, § 73c S 1 StGB, § 261 StPO
Instanzenzug: Az: 504 KLs 16/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die mit der Sachrüge geführte Revision der Staatsanwaltschaft, die auf das Unterlassen einer Einziehungsentscheidung beschränkt ist. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
21. Nach den Feststellungen des Landgerichts kaufte der Angeklagte unter Nutzung eines Krypto-Mobiltelefons des Anbieters EncroChat zwischen dem 10. Mai und dem in Weiterverkaufs- und Gewinnerzielungsabsicht Marihuana und Haschisch mit jeweils mindestens 12 % THC Wirkstoffgehalt wie folgt:
3Am gegen 21.10 Uhr kaufte er unter der EncroChat-Kennung „t. “ von dem EncroChat-Nutzer „s. “ 2 kg Marihuana der Sorte „Kush“ zum Preis von 4.600 Euro/kg. Die Drogen wurden ihm am gegen 19.25 Uhr geliefert (Tat 1). An diesem Tag bestellte der Angeklagte um 22.04 Uhr bei demselben Verkäufer wiederum 2 kg Marihuana der Sorte „Kush“ zum Preis von 4.600 Euro/kg, die ihm am Folgetag gegen 11.50 Uhr übergeben wurden (Tat 2). Anschließend kaufte der Angeklagte seine Drogen bei dem EncroChat-Nutzer „si. “ über den EncroChat-Nutzer „g. “: Am kaufte er 10 kg Marihuana zum Preis von 4.200 Euro/kg; die Menge wurde am Folgetag übergeben (Tat 3). Am erwarb er 2 kg Marihuana „Haze“ für 4.800 Euro/kg, die ihm ebenfalls anschließend geliefert wurden (Tat 4). Am 22. Mai, 27. Mai und bestellte der Angeklagte jeweils 1 kg Marihuana „Haze“, die ihm stets am gleichen Tag übergeben wurden (Taten 5 bis 7). Am kaufte er weitere 3 kg „Haze“ für 4.700 Euro/kg; zur Übergabe kam es am Folgetag (Tat 8). Am kaufte er 2 kg Marihuana „Kush“ für 4.300 Euro/kg und erhielt diese am Folgetag zuzüglich eines Kilogramms Haschisch der Sorte „Rolex“, das 4.000 Euro kostete (Tat 9). Am kaufte er vormittags 1 kg „Haze“ für 4.600 Euro, das ihm am gleichen Tag gegen 16 Uhr übergeben wurde (Tat 10), sowie am gleichen Tag gegen 19 Uhr weitere 2 kg „Haze“ für den gleichen Kilopreis, die ihm am Folgetag geliefert wurden (Tat 11). Dass der Angeklagte die Drogen bei Erwerb bar bezahlte, hat das Landgericht nicht festgestellt.
42. Es hat die Taten des im Verurteilungsumfang geständigen Angeklagten jeweils als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet und ausgehend vom Normalstrafrahmen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG Einzelstrafen zwischen einem Jahr und vier Monaten sowie drei Jahren verhängt.
53. Eine Einziehungsentscheidung hat die Strafkammer nicht getroffen und dies wie folgt begründet: Zwar habe der Angeklagte Betäubungsmittel im Wert von 124.900 Euro angekauft und es sei auch „lebensnah zu unterstellen“, dass er diese Betäubungsmittel verkauft habe. Allerdings habe das Gericht nicht konkret feststellen können, dass der Angeklagte entsprechende Verkaufserlöse im Sinne faktischer Verfügungsmacht auch tatsächlich erlangt habe. Der Angeklagte habe hierzu keine Angaben gemacht und es stünden auch sonst keine Erkenntnisquellen zu Einzelheiten des Verkaufs zur Verfügung. Man könne auch nicht unterstellen, dass dem Angeklagten Verkaufserlöse tatsächlich zugeflossen seien. Denkbar seien Veräußerungsmodelle ohne entsprechenden Geldzufluss beim Angeklagten wie etwa ein Ankauf des Angeklagten auf Kommission verbunden mit der Anweisung an den Endkäufer, das Geld direkt an den ursprünglichen Verkäufer zu zahlen, oder ein Verkauf des Angeklagten an seine Abnehmer auf Kommission, wobei es nicht unmittelbar zu einem Geldzufluss gekommen sein müsse. Auch ein Verkauf von Teilmengen oder – in Ausnahmefällen – unter dem Einkaufspreis sei denkbar. Da es sich hierbei nicht nur um abstrakte Alternativsachverhalte handele, seien konkrete Feststellungen zum Verkauf notwendig, die aber nicht hätten getroffen werden können.
II.
6Die wirksam (vgl. mwN) auf das Unterbleiben einer Einziehungsentscheidung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.
71. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der bloße Erwerb und Weiterverkauf von Rauschgift noch nicht die Einziehung von Taterträgen oder deren Wertes nach §§ 73, 73c StGB rechtfertigen, sondern hierfür konkret festgestellt werden muss, dass dem Täter aus dem Verkauf tatsächlich Erlöse zugeflossen sind, über die er faktisch verfügen konnte (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 529/22; vom – 4 StR 89/22; vom – 5 StR 244/21). Dies hat das Landgericht nicht festgestellt.
82. Die dem zugrundeliegende Beweiswürdigung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand.
9a) Die Würdigung der Beweise ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Kann es sich von einem bestimmten Sachverhalt nicht überzeugen, weil es Zweifel nicht zu überwinden vermag, ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Diesem ist es verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatgerichts durch seine eigene zu ersetzen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie Lücken aufweist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden. Ferner ist die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden oder sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden. Weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst ist es zudem geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. nur mwN).
10b) Nach diesen Maßstäben ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Der Strafkammer standen hierfür mangels anderweitiger Beweismittel – solche benennt auch die Revision nicht, eine Aufklärungsrüge ist nicht erhoben – lediglich die Angaben des Angeklagten zum Ankauf von Betäubungsmitteln in der festgestellten Menge zur Verfügung; zu etwaigen Verkäufen hat sich der Angeklagte nicht geäußert. Die jeweiligen Ankaufstaten und Ankaufspreise hat es auf dieser Grundlage feststellen können. Vor dem Hintergrund von Ankaufsfrequenz und -menge hat das Landgericht es als naheliegenden Schluss bezeichnet, dass der Angeklagte die Drogen auch in Gewinnerzielungsabsicht verkauft hat.
11Dass es bei dieser Beweisgrundlage aber nicht weitergehend geschlussfolgert hat, dem Angeklagten seien tatsächlich Erlöse in erheblicher Höhe (etwa mindestens in Höhe der Einkaufspreise) zugeflossen, erweist sich hier nicht als rechtsfehlerhaft. Feste Vorgaben dahingehend, dass aus bestimmten objektiv festgestellten Umständen beweiswürdigend bestimmte weitergehende Schlüsse zu ziehen sind, enthält das Recht nicht; in seiner Überzeugungsbildung ist das Tatgericht in den Grenzen des Rechts vielmehr frei (§ 261 StPO). Feststellungen zum tatsächlichen Zufluss von Verkaufserlösen erfordern auch bei nachgewiesenem Ankauf in Weiterverkaufsabsicht eine tragfähige Beweiswürdigung (; vgl. auch ). Der Verweis des Landgerichts auf Verkaufsmodelle oder Umstände, bei denen dem Verkäufer von Betäubungsmitteln der gesamte Verkaufserlös nicht tatsächlich zufließt, beschreibt nicht nur fernliegende denktheoretische Möglichkeiten (vgl. zu solchen und ähnlichen Konstellationen etwa BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 641/19 [mehrfach fehlgeschlagene Kommissionsgeschäfte]; vom – 1 StR 154/22 [Zahlung an Mittelsmann des Verkäufers]; Urteil vom – 5 StR 170/22 [Teilzahlung an Mittelsmann des Verkäufers]; Beschlüsse vom – 5 StR 128/22, NStZ 2023, 45 und 5 StR 168/22, NStZ-RR 2022, 248 [teilweise nur Zahlung von „Vermittlungsprovision“]; vgl. zu Schulden aus Kommissionsgeschäften auch ). Der Senat hat die vom Landgericht gezogenen Schlüsse deshalb hinzunehmen. Dass auf gleicher Beweisgrundlage auch andere Schlussfolgerungen durchaus möglich gewesen wären, begründet keinen Rechtsfehler.
12Ein Erörterungsmangel besteht entgegen der Auffassung der Revision auch nicht darin, dass sich das Landgericht nicht weitergehend mit der Einlassung des Angeklagten auseinandergesetzt hat. Dieser hat keine Angaben zu Verkaufsgeschäften gemacht. Seinen ihn selbst belastenden Angaben zu den Ankaufsgeschäften in Weiterverkaufs- und Gewinnerzielungsabsicht hat die Strafkammer Glauben geschenkt. Es geht daher hinsichtlich der Einziehungsvoraussetzungen nicht um eine Konstellation, in der entlastende Angaben im Rahmen einer Teilaussage kritisch gewürdigt werden müssen (vgl. dazu nur ).
13Die Strafkammer konnte den Zufluss von Erlösen beim Angeklagten auch nicht einfach nach § 73d Abs. 2 StGB schätzen. Eine Schätzung nach § 73d Abs. 2 StGB ist nur möglich, wenn feststeht, dass der Täter überhaupt etwas aus der Tat erlangt hat; die Frage, ob er etwas erlangt hat, ist nicht der Schätzung zugänglich (vgl. MüKo-StGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 73d Rn. 20; Schönke/Schröder/Eser/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 73d Rn. 8; vgl. zur Schätzung von Erlösen aus Drogengeschäften auch , NStZ-RR 2019, 142). Die Voraussetzungen einer Schätzung liegen nach den Feststellungen des Landgerichts nicht vor.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:190723U5STR36.23.0
Fundstelle(n):
DAAAJ-45813