BGH Beschluss v. - 3 StR 424/22

Instanzenzug: Az: 6 StS 2/21 Urteil

Gründe

1Das Oberlandesgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:

2den Angeklagten J.   wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in 66 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Gründung einer kriminellen Vereinigung und in 65 Fällen in Tateinheit mit Volksverhetzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren,

3den Angeklagten B.     wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in 57 Fällen, davon in 56 Fällen in Tateinheit mit Volksverhetzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren,

4den Angeklagten Ba.    wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in zwölf Fällen, davon in elf Fällen in Tateinheit mit Volksverhetzung, unter Einbeziehung weiterer Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.

5Außerdem hat der Staatsschutzsenat Einziehungsentscheidungen getroffen. Die von allen Angeklagten erhobenen Sachrügen haben für die Angeklagten J.   und B.     den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen dringen sie ebenso wie die von den Angeklagten J.   und B.     geltend gemachten Verfahrensrügen aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts aufgezeigten Gründen in der Sache nicht durch (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

61. Das Oberlandesgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte J.   ab dem Jahr 2014 im Internet antisemitische Hassbotschaften verbreitete. Er entwarf und veröffentlichte insbesondere eine Vielzahl von Karikaturen, die mit einem schlagwortartigen Text versehen waren, der unter anderem eine vorgebliche weltweite Unterdrückung von Nicht-Juden durch Juden thematisierte. Auf diese Weise wollte er Internetnutzer zum Hass auf Juden anstacheln und Mitstreiter gewinnen.

7Nachdem er auf anderen Social-Media-Kanälen gesperrt worden war, bewegte sich der Angeklagte weitgehend auf der russischen Plattform vk.com, die über etwa eine Million aktive Nutzer verfügte. Dort veröffentlichte er die genannten Inhalte unter der von ihm erdachten Bezeichnung „Goyim Partei“. Für mindestens 30 vermeintliche nationale Untergruppen der „International Goyim Party“ (IGP) erstellte er eigene Social-Media-Seiten, denen er länderspezifische Namen wie „Goyim Partei Deutschland“ (GPD), „Sveriges Gojim Arbetareparti“ (SGAP) oder „British Goyim Party“ (BGP) gab. Dadurch wollte er den Anschein einer weltweit aktiven politischen Bewegung erzeugen. Außerdem legte er Goyim-Themen-Seiten an, auf denen zum Beispiel judenfeindliche Filme und Musiktitel verbreitet und heruntergeladen werden konnten. Alle Seiten waren für jedermann öffentlich zugänglich. Er verwendete einheitlich ein von ihm entworfenes Logo, das einem Hakenkreuz ähnelte (eckiges schwarzes „G“ in einem weißen Kreis auf rotem Hintergrund), verlinkte die Seiten untereinander und errichtete Gruppen, denen unter vk.com registrierte Nutzer durch einen Klick beitraten, im Fall der GPD-Seite allein zuletzt 459 Personen. Die Gruppenmitglieder konnten ihrerseits auf den Goyim-Seiten Beiträge einstellen, herunterladen oder kommentieren.

8Ab dem Jahr 2015 mobilisierte der Angeklagte außerdem erfolgreich Gleichgesinnte, die zu einer Zusammenarbeit mit ihm bereit waren. Dazu gehörten der Angeklagte B.    , welcher der rechtsextremen Szene angehörte und nationalsozialistisch eingestellt war, eine Schwedin, ein Inder und eine Kolumbianerin. Mit ihnen diskutierte J.   in bilateralen Chats und Video-Telefonaten über die ideologische Ausrichtung der Bewegung, wobei man sich gegenseitig im Hass auf Juden bestärkte. J.   band sie alle ihrem Wunsch entsprechend in den Betrieb und die Bestückung der Goyim-Auftritte mit neuen Inhalten ein und teilte mit ihnen die Administratorenrechte für die Seiten, um bei einer möglichen Sperrung seiner vk.com-Accounts deren Fortbetrieb abzusichern. Gemeinsames Bestreben aller war, so viele judenfeindliche Beiträge auf so vielen Goyim-Seiten wie möglich einzustellen. Dadurch wollten sie tatsächlich eine weltweite antijüdische Bewegung etablieren, Nutzer zu gewaltsamen Angriffen auf Juden motivieren und letztlich Juden weltweit vernichten. Diese Ziele wurden in einem Manifest niedergeschrieben, das J.   auf der IGP-Seite veröffentlichte. Es sollte zu einem „Parteiprogramm“ ausgebaut werden, zu dessen gemeinsamer Erarbeitung er eine Chatgruppe bei Skype eröffnete.

9Während sich die drei ausländischen Mitstreiter vornehmlich um den Betrieb und die inhaltliche Ausgestaltung ihrer jeweiligen Goyim-Länderseiten kümmerten, stand der Angeklagte B.    , der über die Einbindung der anderen Personen im Bilde war, in besonders intensivem online-Kontakt mit J.   . Unter anderem übermittelte er ihm zahlreiche antisemitische Dokumente aus der Zeit des Nationalsozialismus. J.   leitete B.     bei technischen Fragen an und verlieh ihm ab Januar 2016 die Administratorenrechte für insgesamt 24 Goyim-Seiten. Ab diesem Zeitpunkt stellten nunmehr beide Angeklagte auf diesen Seiten Juden diskreditierende und diffamierende sowie teilweise zur Gewalt gegen sie anstachelnde Inhalte ein, von denen einige außerdem den Holocaust guthießen, dementierten oder bagatellisierten. Soweit die Angeklagten den Archivbereich („Sidebar“) der deutschsprachigen GPD-Seite, um deren Ausgestaltung sich B.     in besonderer Weise kümmerte, mit Inhalten dieser Art befüllten, sprachen sie die Posts im Einzelnen untereinander ab. Im Übrigen stellten sie entsprechend der gemeinsamen Zielsetzung antisemitische Beiträge auf die Seiten, ohne zuvor miteinander darüber zu kommunizieren. Teilweise nutzten sie hierfür den Administratoren- oder einen sogenannten Editoren-Account, weshalb in einigen Fällen nicht feststellbar gewesen ist, wer von beiden die antisemitischen Inhalte hochlud (Fälle II. 47, 69, 70, 72 bis 75, 77, 80 und 81 der Urteilsgründe). Ab April 2019 bis in das Jahr 2020 bestückte der Angeklagte B.     die GPD-Seite als alleiniger Verantwortlicher. Er veröffentlichte außerdem einige Goyim-Inhalte auf einer von ihm selbst angelegten vk.com-Seite.

10Der rechtsextremistisch eingestellte Angeklagte Ba.    stand ab Februar 2017 über das Internet in Kontakt mit J.   . Er wusste, dass J.   das antisemitische Kommunikationsnetzwerk der Goyim-Bewegung mit Gesinnungsgenossen betrieb, und tauschte sich im September und Oktober 2017 in über 1.400 Nachrichten mit ihm darüber aus. Beide erörterten unter anderem die Gründung einer Goyim-Siedlung sowie eine Unterwanderung der AfD. Sie kamen überein, dass Ba.    Beiträge zur Veröffentlichung auf den Goyim-Seiten erstellen und sich technisch-administrativ am Betrieb der Seiten beteiligen sollte. Ba.    erklärte sich dazu bereit, einen Administratoren-Account zu übernehmen, schickte J.   den Link zu einer von ihm erstellten vk-Community mit rechtsextremistischen Dokumenten und leitete auf der GPD-Seite veröffentlichte Beiträge an verschiedene Empfänger weiter. Von August bis Oktober 2017 erstellte er in neun Fällen eigene judenfeindliche Posts, die er auf seine vk.com-Seite hochlud, von der aus J.   sie abredegemäß auf den Goyim-Seiten veröffentlichte. In zwei Fällen hinterließ der Angeklagte Ba.    in eben diesem Zeitraum antisemitische Hasskommentare auf der GPD-Seite.

112. Der Staatsschutzsenat hat diese Feststellungen rechtlich dahin gewürdigt, dass es sich bei der Goyim-Bewegung um eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 1, 2 StGB handelte, die der Angeklagte J.   gründete und an der sich alle drei Angeklagten mitgliedschaftlich beteiligten, J.   und B.     als Rädelsführer im Sinne des § 129 Abs. 5 Satz 2 StGB. Wegen dieser Tat hat er den Angeklagten J.   zu einer Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, den Angeklagten B.     zu einer solchen von drei Jahren und den Angeklagten Ba.    zu einer solchen von einem Jahr und drei Monaten.

12Die einzelnen Posts hat das Oberlandesgericht jeweils als einen Fall der Volksverhetzung bewertet, begangen in Tateinheit mit einer mitgliedschaftlichen Beteiligung an der kriminellen Vereinigung. Dabei hat es alle auf den Goyim-Seiten hochgeladenen Beiträge als persönliche Äußerungsdelikte nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB und zugleich als Schriften im Sinne des § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und c StGB (in der Fassung vom ) gewürdigt und es dabei belassen, soweit die Inhalte „nur“ zum Hass gegen Juden aufstachelten und diese böswillig verächtlich machten. In diesen Fällen hat es für J.   Einzelfreiheitsstrafen von zehn Monaten, für B.     von acht Monaten und für Ba.    von sechs Monaten verhängt.

13Soweit die Inhalte außerdem zur Gewalt gegen Juden aufforderten, hat es auch § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b StGB als erfüllt angesehen und J.   zu Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr verurteilt, B.     zu solchen von je zehn Monaten und Ba.    zu solchen von je sechs Monaten.

14In neun Fällen, in denen die Veröffentlichungen darüber hinaus unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlungen billigten, verleugneten oder verharmlosten, hat es überdies die Voraussetzungen des § 130 Abs. 3 StGB bejaht. Hier hat es J.   mit Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und zwei Monaten belegt, B.     mit solchen von einem Jahr und Ba.    mit solchen von acht Monaten.

15Das Oberlandesgericht hat im Grundsatz jeden Angeklagten nur in den Fällen schuldig gesprochen, in denen er selbst die inkriminierten Inhalte auf den Seiten einstellte. Soweit J.   und B.     jedoch nicht ihre persönlichen, sondern von beiden geteilte Administratoren- oder Editoren-Accounts für eine Veröffentlichung nutzten, hat es die Taten gemäß § 25 Abs. 2 StGB auch dem jeweils anderen zugerechnet.

II.

161. Die rechtliche Einordnung der Goyim-Bewegung als kriminelle Vereinigung begegnet keinen Bedenken. Dies gilt sowohl unter Zugrundelegung des früher maßgeblichen Vereinigungsbegriffs (zu dessen Voraussetzungen s. etwa , BGHSt 54, 69 Rn. 116 ff.; vom - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216 Rn. 23 ff.) als auch auf der Grundlage der Legaldefinition des § 129 Abs. 2 StGB in der seit dem gültigen Fassung (zu dessen Voraussetzungen s. etwa , BGHSt 66, 137 Rn. 19 ff. mwN). Die Gruppe um die Angeklagten stellte trotz ihres eher niedrigen Organisationsgrades angesichts der willensmäßigen Einbindung der Beteiligten, der koordinierten Vorgehensweise, der Dauerhaftigkeit ihrer Verbindung, dem gemeinsam verfolgten Zweck der massiven Bestückung der Goyim-Seiten mit antisemitischen, volksverhetzenden Posts, dem Fernziel der gewaltsamen weltweiten Judenvernichtung und schließlich der tatsächlichen Umsetzung des Zwecks in Gestalt einer jahrelangen, intensiven Veröffentlichung einer sehr hohen Anzahl gravierendster antisemitischer Inhalte durch alle Beteiligten eine Vereinigung sowohl nach altem als auch nach neuem Recht dar (vgl. bereits u.a., BGHR StGB § 129 Vereinigung 9 mwN). Daran ändert der Umstand nichts, dass die Beteiligten lediglich über das Internet in Kontakt standen und sich nie persönlich trafen. Die für die Gründung oder Mitgliedschaft in einer Vereinigung erforderliche Kommunikation setzt nicht generell Zusammenkünfte in Präsenz voraus. Es ist rechtlich nicht entscheidend, ob der Austausch in persönlichen Begegnungen oder über andere Dialogformen stattfindet. Ein Verbandsleben kann sich ebenso in virtuellen (Chat-)Räumen abspielen. So sind etwa bei anderen, insbesondere ausländischen terroristischen Vereinigungen das Anwerben und die Eingliederung von Neumitgliedern allein über das Internet inzwischen nicht unüblich (s. etwa zum „Islamischen Staat“ die Sachverhalte in BGH, Beschlüsse vom - StB 41/22, juris; vom - AK 1/23, juris; vom - AK 11/23 u.a., juris).

172. Auch der Angeklagte Ba.    beteiligte sich mitgliedschaftlich an der Goyim-Bewegung. Er wurde erst ab August 2017 in der Gruppe aktiv, so dass für diesen Angeklagten nur das am in Kraft getretene Recht maßgeblich ist (§ 2 Abs. 1 StGB). Die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer Vereinigung setzt nach diesem, soweit hier von Bedeutung, zum einen eine gewisse einvernehmliche Eingliederung des Täters in die Organisation (die Mitgliedschaft) und zum anderen eine aktive Tätigkeit zur Förderung ihrer Ziele (die Beteiligungshandlungen) voraus (s. im Einzelnen etwa , juris Rn. 4 ff.). Die getroffenen Feststellungen tragen beide Erfordernisse. Danach zeigte Ba.    den Willen zur dauerhaften Mitwirkung an den Aktivitäten und der Verfolgung der Ziele der Gruppe und erzielte mit J.   Einvernehmen darüber, dass er eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnehmen soll. Zur Durchsetzung der Ziele trug er unter anderem dadurch unmittelbar bei, dass er wie die anderen Beteiligten judenfeindliche Beiträge für die Goyim-Seiten erstellte, die für die Bestückung des Goyim-Netzwerks Verwendung fanden. Durch den intensiven Austausch mit J.   über mögliche politische Bestrebungen der Bewegung förderte er zudem Aufbau, Zusammenhalt und Tätigkeit der Organisation durch ein vereinigungstypisches Verhalten von Gewicht.

183. Die Würdigung der einzelnen auf den Goyim-Seiten hochgeladenen Beiträge als Volksverhetzungen in den verschiedenen Tatvarianten des § 130 StGB ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Dadurch, dass die Fälle ungleichartiger Tateinheit im Tenor nicht zum Ausdruck kommen, sind die Angeklagten nicht beschwert (zum konkurrenzrechtlichen Verhältnis mehrerer Tatbestandsvarianten desselben Absatzes von § 130 StGB sowie zwischen § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB s. , BGHR StGB § 130 Konkurrenzen 1 mwN; zwischen § 130 Abs. 1 und Abs. 2 StGB s. LK/Krauß, StGB, 13. Aufl., § 130 Rn. 177 mwN; MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 130 Rn. 116 mwN).

194. Rechtsfehlerhaft ist hingegen die vom Oberlandesgericht vorgenommene gegenseitige Zurechnung von Einzelfällen zwischen den Angeklagten J.   und B.     nach § 25 Abs. 2 StGB, soweit sie Beiträge unter einem Editoren- oder Administratoren-Account ins Netz stellten, ohne das im Einzelnen vorher abzusprechen. Insoweit haben die Schuldsprüche keinen Bestand und bedürfen der Änderung.

20a) Werden Taten aus einer Vereinigung heraus begangen, können sie dem einzelnen Vereinigungsmitglied nicht allein aufgrund dessen Zugehörigkeit zu der Organisation als eigene zugerechnet werden. Vielmehr ist für jede Tat nach den allgemeinen Kriterien zu prüfen, inwieweit sich das betreffende Mitglied daran als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe beteiligt oder ob es insoweit keinen strafbaren Tatbeitrag geleistet hat (st. Rspr., s. etwa , BGHSt 66, 226 Rn. 49 mwN).

21aa) Nach den allgemeinen Kriterien der Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB (s. zu diesen etwa , BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 41 Rn. 4 f. mwN) bedarf es grundsätzlich eines Mitwirkungsakts an der konkreten Einzeltat, der hier nicht festgestellt ist. Soweit J.   Inhalte postete, ohne dies zuvor mit dem Angeklagten B.     zu besprechen, war dieser weder an der konkreten Planung noch an der Ausführung der Taten beteiligt. Er hatte zudem keine Kenntnis vom Inhalt der Beiträge oder vom Tatzeitpunkt. Gleiches gilt umgekehrt für Taten von B.    , über die J.   zuvor nicht informiert war. Beide hatten keinen Einfluss auf die konkreten Veröffentlichungen des jeweils anderen und deren Frequenz. Die gegenseitige Bestärkung in der antisemitischen Hassideologie allein ist hier kein ausreichend relevanter Beitrag zur individuellen Tat im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB. Zwar kann eine psychische Förderung, insbesondere die Bestärkung des Tatwillens des Handelnden, die Annahme von Mittäterschaft begründen, wenn ihr erhebliches Gewicht zukommt (, BGHSt 66, 226 Rn. 51 mwN). Nach der erforderlichen wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände war das hier jedoch nicht der Fall (vgl. , StV 2021, 104 zu einer insoweit entgegengesetzten Sachverhaltskonstellation). Die generelle Abrede zwischen J.   und B.    , zur gemeinsamen Zweckerreichung so viel wie möglich auf den Goyim-Seiten einzustellen, vermag die Herrschaft oder den Willen zur Herrschaft über die Einzeltaten des anderen nicht zu begründen.

22bb) Wie der Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften zutreffend ausgeführt hat, tragen die getroffenen Feststellungen jedoch die Annahme einer Organisationsherrschaft in Bezug auf die Taten des jeweils anderen (zum uneigentlichen Organisationsdelikt s. etwa , NJW 2021, 3735 Rn. 27). Denn sowohl J.   als auch B.     beteiligten sich im Vor- und Umfeld der Taten am Betrieb, an der Gestaltung und der Absicherung der Goyim-Seiten auf vk.com. Auf diese Weise leisteten beide einen wesentlichen Beitrag zur tatnotwendigen Infrastruktur. Das rechtfertigt es, dem „Hintermann“ eine einzige Tat für die gesamten Posts des jeweils anderen pro jeweiliger Goyim-Seite zuzurechnen, auf der die Beiträge erschienen. Im Ergebnis ist demnach die konkurrenzrechtliche Würdigung dahin zu ändern, dass dem nicht unmittelbar Handelnden die je gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten des anderen als tateinheitlich begangen zuzurechnen sind, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden (zu den Konkurrenzen beim Organisationsdelikt s. etwa , juris Rn. 8 mwN).

23b) Der Schuldspruch für J.   ist mithin von vier Taten der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit Volksverhetzung auf eine solche Tat zu reduzieren, soweit er wegen der vier Veröffentlichungen von B.     auf der GPD-Seite verurteilt worden ist (Fälle II. 24, 28, 30 und 64 der Urteilsgründe).

24Für den Angeklagten B.     ermäßigt sich der Schuldspruch von 28 Taten der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit Volksverhetzung auf eine Tat, soweit er wegen der Veröffentlichungen von J.   auf der GPD-Seite verurteilt worden ist (Fälle II. 6, 7, 9, 10, 12 bis 18, 21, 37, 39 bis 43, 52 bis 56, 60, 62, 65 bis 67 der Urteilsgründe).

25In den Fällen, in denen nicht festgestellt worden ist, ob J.   oder B.     die Beiträge einstellte, ist zugunsten eines jeden davon auszugehen, dass es der jeweils andere war. Statt jeweils vierfacher mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit Volksverhetzung wegen vier Veröffentlichungen auf der SGAP-Seite (Fälle II. 47, 69, 70, 72 der Urteilsgründe) sind beide Angeklagte deshalb nur einer solchen Tat schuldig. Anstelle der sechsfachen mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit Volksverhetzung in den sechs Fällen der Veröffentlichungen auf der IGP-Seite (Fälle II. 73 bis 75, 77, 80, 81 der Urteilsgründe) ergibt sich ebenfalls für beide Angeklagte nur eine Tat.

26§ 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nach § 354 Abs. 1 StPO analog nicht entgegen, weil sich die in tatsächlicher Hinsicht geständigen Angeklagten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.

27c) Die vom Oberlandesgericht für die betroffenen Fälle verhängten Einzelstrafen entfallen. Entsprechend § 354 Abs. 1 StPO setzt der Senat für die für beide Angeklagten jeweils verbleibenden drei Fälle der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit Volksverhetzung für den Angeklagten J.   Einzelfreiheitsstrafen von je zehn Monaten fest, für den Angeklagten B.     von je acht Monaten. Dieses Strafmaß orientiert sich an den vom Staatsschutzsenat jeweils niedrigsten verhängten Einzelstrafen.

28d) Die vom Oberlandesgericht gebildeten Gesamtstrafen können bestehen bleiben. Angesichts der ohnehin nur maßvoll erhöhten Einsatzstrafen und der zahlreichen verbleibenden Einzelstrafen ist auszuschließen, dass es ohne die entfallenden Einzelstrafen auf niedrigere Gesamtfreiheitsstrafen erkannt hätte.

295. Ergänzend ist anzumerken, dass es mit Blick auf die Möglichkeit des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zumindest untunlich sein kann, Ablichtungen der inkriminierten Hassbeiträge in die Urteilsurkunde aufzunehmen (vgl. , juris mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:280623B3STR424.22.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-45532