Nichtannahme einer mangels hinreichender Substantiierung sowie wegen Subsidiarität unzulässigen Verfassungsbeschwerde
Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 114 Abs 1 S 1 ZPO
Instanzenzug: Az: III ZA 5/22 Beschlussvorgehend Az: III ZA 5/22 Beschlussvorgehend OLG Zweibrücken Az: 6 U 12/19 Beschlussvorgehend LG Frankenthal Az: 3 O 323/18 Urteil
Gründe
1Die Verfassungsbeschwerde betrifft fachgerichtliche Entscheidungen in einem zivilgerichtlichen Verfahren, in dem die Beschwerdeführerin Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzungen vor allem im Zusammenhang mit einem früheren familiengerichtlichen Verfahren geltend macht.
I.
2Die Beschwerdeführerin ist Mutter von vier Kindern. Ihr und dem Vater, ihrem früheren Ehemann, war durch familiengerichtliche Entscheidungen zeitweilig das Sorgerecht für die Kinder entzogen und diese fremduntergebracht worden. Sie vertritt die Auffassung, dem liege eine Rechtsbeugung (§ 339 StGB) durch das Familiengericht zugrunde und stützt vor allem darauf den im Ausgangsverfahren geltend gemachten Schadensersatzanspruch. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof lehnte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde ebenso ab wie einen Antrag der Beschwerdeführerin auf Beiordnung eines Notanwalts zur Wahrung ihrer Rechte in dem Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde.
3Sie sieht sich durch die angegriffenen Entscheidungen der Fachgerichte vor allem in ihrem Anspruch auf ein faires Verfahren sowie auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und in Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot verletzt.
4Einen isolierten Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfassungsbeschwerdeverfahren hat die 3. Kammer des Ersten Senats des im Verfahren 1 BvR 2362/22 abgelehnt.
II.
5Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg, denn sie ist insgesamt unzulässig.
61. Die Verfassungsbeschwerde gegen den über die Ablehnung der Beiordnung eines Notanwalts ist unzulässig, weil die Beschwerdeführerin den Rechtsweg insoweit nicht erschöpft hat. Sie macht eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG geltend, die sich offenbar auch auf den genannten Beschluss des Bundesgerichtshofs bezieht. Dies ergibt sich aus den Ausführungen zu "perpetuierten Grundrechtsverletzungen" einerseits sowie dem Fehlen einer sonstigen, spezifisch auf diese Entscheidung bezogenen Begründung der Verfassungsbeschwerde andererseits. Wird aber ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör (auch) durch die Ablehnung der Beiordnung eines Notanwalts geltend gemacht, hätte zur Erschöpfung des Rechtswegs insoweit eine Anhörungsrüge erhoben werden müssen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2714/12 -, Rn. 4). Dass dies unzumutbar war (§ 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG), wird weder dargelegt noch ist dies ersichtlich.
7Zudem zeigt die Verfassungsbeschwerde entgegen den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Begründungsanforderungen nicht die Möglichkeit einer Verletzung der Beschwerdeführerin in dem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG oder in sonstigen grundrechtsgleichen Rechten oder Grundrechten auf. Die Beschwerdeführerin hat es insoweit versäumt, sich im Einzelnen argumentativ mit dem auseinanderzusetzen (vgl. zu den Anforderungen BVerfGE 149, 346 <359 Rn. 24>; 158, 210 <230 f. Rn. 51>).
82. Soweit die Verfassungsbeschwerde sich gegen den mit der Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde richtet, mangelt es ebenfalls an der gebotenen Erschöpfung des Rechtswegs. Aus den zu II 1 genannten Gründen (Rn. 6) ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin sich insoweit ebenfalls in ihrem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt sieht. Gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof ist die Anhörungsrüge nach § 321a ZPO statthaft (vgl. -, Rn. 2). Eine solche hat die Beschwerdeführerin nicht erhoben. Die Unzumutbarkeit ist hier ebenfalls weder dargelegt noch ersichtlich. Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts (§ 78b ZPO) steht mit dem Geltendmachen einer Gehörsverletzung in dem eigenständigen Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2714/12 -, Rn. 7) nicht in Zusammenhang und vermag die zur Rechtswegerschöpfung erforderliche fachrechtliche Gehörsrüge nicht zu ersetzen.
9Die Beschwerdeführerin setzt sich darüber hinaus mit dem ebenfalls nicht näher auseinander und genügt den gesetzlichen Begründungsanforderungen insoweit ebenfalls nicht.
103. Auch die gegen den und das Endurteil des gerichtete Verfassungsbeschwerde erweist sich als unzulässig.
11a) Die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde ist nicht gewahrt. Die Beschwerdeführerin macht geltend, durch beide Entscheidungen, vor allem aber durch den ihre Berufung zurückweisenden Beschluss des Oberlandesgerichts, insbesondere in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt zu sein. Sie hat es aber versäumt, die ihr im fachgerichtlichen Verfahren eröffneten prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um diese behauptete Rechtsverletzung dort auszuräumen (vgl. zum Maßstab BVerfGE 134, 242 <285 Rn. 150> m.w.N.). Dabei kann dahinstehen, ob es der Beschwerdeführerin zuzumuten war, das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde, in dem die Verletzung rechtlichen Gehörs als Zulassungsgrund nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO hätte geltend gemacht werden können (vgl. -, Rn. 9), auch ohne die Gewährung von Prozesskostenhilfe durchzuführen. Denn sie war jedenfalls gehalten, gegen den die Gewährung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Anhörungsrüge einzulegen (oben Rn. 8), um eine Abänderung dieser Entscheidung herbeizuführen und sich die Möglichkeit zu erhalten, Prozesskostenhilfe für die Nichtzulassungsbeschwerde zu erlangen. Im Fall einer erfolgreichen Anhörungsrüge und der dann möglicherweise erfolgenden Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren hätten auch die übrigen geltend gemachten, denselben Streitgegenstand betreffenden Grundrechtsverletzungen (vgl. BVerfGE 134, 106 <113 Rn. 22>) im fachgerichtlichen Verfahren ausgeräumt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 723/20 -, Rn. 5).
12b) Der gegen das Endurteil des Landgerichts gerichteten Verfassungsbeschwerde fehlt es zudem an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Das Urteil ist prozessual überholt. Das Oberlandesgericht hat als zweite Tatsacheninstanz (vgl. § 529 Abs. 1 ZPO) in seinem die Berufung zurückweisenden Beschluss eine vollumfängliche Sachentscheidung getroffen. Ein ausnahmsweise fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis gegen das erstinstanzliche Urteil ist nicht dargelegt.
13c) Die Verfassungsbeschwerde zeigt darüber hinaus auch nicht in der durch § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG gebotenen Weise die Möglichkeit einer Verletzung der Beschwerdeführerin in grundrechtsgleichen Rechten oder Grundrechten durch den Beschluss des Oberlandesgerichts auf. Insbesondere die Möglichkeit einer Verletzung in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör lässt sich der Verfassungsbeschwerde nicht in substantiierter Weise entnehmen. Das umfangreiche Vorbringen erschöpft sich weitgehend darin, unzutreffende Rechtsauffassungen des Oberlandesgerichts zu beklagen. Soweit unzureichende oder fehlerhafte Tatsachenfeststellungen sowie unterbliebene Beweiserhebungen dargelegt werden, ist nicht erkennbar, ob und in welcher Weise diese entscheidungserheblich sein könnten. Insbesondere setzt sich die Verfassungsbeschwerde mit den tragenden Entscheidungsgründen des Oberlandesgerichts nicht näher auseinander. Das gilt etwa sowohl zum Fehlen der Voraussetzungen der Rechtsbeugung in der Person des im vorangegangenen familiengerichtlichen Verfahren erstinstanzlich zuständigen Richters als auch zu der - wegen fehlender Konkretisierung - unwirksamen Abtretung einer Forderung ihres ältesten Sohnes. Der Begründung der Verfassungsbeschwerde kann nicht in nachvollziehbarer Weise entnommen werden, wie sich die behaupteten Gehörsverletzungen auf die entsprechenden rechtlichen Wertungen des Oberlandesgerichts ausgewirkt haben und dass es bei Meidung der Gehörsverstöße möglicherweise zu einer anderen, der Beschwerdeführerin günstigeren Entscheidungen gelangt wäre.
144. Da die Verfassungsbeschwerde insgesamt aus anderen Gründen als der Wahrung der Frist aus § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG unzulässig ist, braucht über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entschieden zu werden. Daher kann auch offenbleiben, ob dieser Antrag seinerseits verspätet gestellt wurde.
15Es kommt wegen der vorhandenen Unzulässigkeitsgründe auch nicht darauf an, ob es bei einem der Verfassungsbeschwerde vorausgehenden - isolierten - Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Verfassungsbeschwerdeverfahren nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG erforderlich ist, für die Verfassungsbeschwerde alle zur Entscheidung darüber erforderlichen Unterlagen (erneut) vorzulegen. Der Verfassungsbeschwerde selbst waren nicht einmal die angegriffenen Entscheidungen beigefügt.
165. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
17Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2023:rk20230619.1bvr092923
Fundstelle(n):
FAAAJ-45432