BGH Beschluss v. - IV ZR 148/22

Instanzenzug: OLG Oldenburg (Oldenburg) Az: 1 U 236/21vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 13 O 558/21

Gründe

1I. Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger gegen die Beklagte Ansprüche aus einer bei dieser gehaltenen Betriebsschließungsversicherung wegen der Schließung seiner Gaststätte im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie zustehen. In Ziff. 3.4 der nach dem Vortrag des Klägers vereinbarten "Bedingungen für die Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe (BBSG 12)" heißt es:

"Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger, ausgenommen sind jedoch humane spongiforme Enzephalopathien nach § 6 (1) 1.d) IfSG."

2Das Landgericht hat die Klage, mit welcher der Kläger Versicherungsleistungen für die Zeit vom bis , in der er seine Gaststätte schließen musste, geltend macht, abgewiesen; das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich seine Revision, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

3II. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht mehr vor und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

41. a) Die Zulassung der Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO). Mit Urteil vom (IV ZR 465/21, juris Rn. 38 ff.) hat der Senat entschieden und im Einzelnen begründet, dass bei einer Bedingungslage wie der dort maßgeblichen Versicherungsschutz nur für Betriebsschließungen wegen solcher meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger besteht, die zum Zeitpunkt der Anordnung der Schließung in den §§ 6 und 7 IfSG mit Namen bezeichnet sind. Die dortigen Ausführungen gelten im Streitfall, dem im Wesentlichen identische Bedingungen zugrunde liegen, entsprechend. Da für den hier fraglichen Zeitraum weder die Krankheit COVID-19 noch der Krankheitserreger SARS-CoV-2 in den vorgenannten gesetzlichen Regelungen aufgeführt waren, liegt ein Versicherungsfall nicht vor. Die vertragliche Regelung verstößt auch weder gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) noch ist sie unklar (§ 305c Abs. 2 BGB).

5b) Entgegen der Auffassung der Revision benachteiligt die Begrenzung des Versicherungsschutzes nach hiesiger Bedingungslage den Versicherungsnehmer auch nicht unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB; insoweit sind die rechtsgrundsätzlichen Fragen durch den Senat inzwischen ebenfalls geklärt.

6Vereinbart war hier nach dem Vortrag des Klägers Versicherungsschutz für die "im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger" (vgl. Ziff. 3.4 BBSG 12). Ein gesetzliches Leitbild im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, von dem die Klausel abweicht, gibt es nicht. Ein solches Leitbild ist - wie der Senat an anderer Stelle entschieden und näher begründet hat (Senatsurteil vom - IV ZR 144/21, BGHZ 232, 344 Rn. 39) - insbesondere nicht das Infektionsschutzgesetz.

7Eine Gefährdung des Vertragszwecks (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB) ist entgegen der Auffassung der Revision mit Ziff. 3.4 BBSG 12 ebenfalls nicht verbunden. Trotz der Begrenzung des nach Ziff. 3.1 BBSG 12 gegebenen Leistungsversprechens durch Ziff. 3.4 BBSG 12 ist angesichts der Vielzahl der in §§ 6 und 7 IfSG mit Namen genannten und deshalb vom Versicherungsschutz erfassten Krankheiten und Krankheitserreger ein erhebliches Risiko abgedeckt (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 41 f.).

8Schließlich ergeben sich - anders als die Revision meint - auch im Übrigen keine Anhaltspunkte für eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Wie der Senat an anderer Stelle bereits entschieden und im Einzelnen begründet hat, kann dem Versicherer im Rahmen einer Betriebsschließungsversicherung ein Interesse an einer kalkulierbaren Begrenzung des Versicherungsschutzes nicht abgesprochen werden (Senatsurteil vom aaO Rn. 43 f.). Dies gilt insbesondere, soweit nach § 15 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch Rechtsverordnung die Meldepflicht auf andere übertragbare Krankheiten und Krankheitserreger ausgedehnt werden kann (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 44).

9c) Damit sind die hier entscheidungserheblichen Fragen von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung geklärt, und der im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts gegebene Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist entfallen.

102. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsurteil steht in Einklang mit den vorgenannten Senatsurteilen. Gesichtspunkte, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

11III. Die grundsätzliche Klärung entscheidungserheblicher Rechtsfragen erst nach Einlegung der Revision steht einer Revisionszurückweisung durch Beschluss nicht im Wege (vgl. dazu , NJW-RR 2005, 650 unter II 1 [juris Rn. 6 f.]).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:150223BIVZR148.22.0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-39210