BGH Beschluss v. - II ZB 11/22

Vereinsregistersache: Eintragung eines Vereins mit dem Zweck einer verbotenen geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen

Leitsatz

Ein Verein, dessen satzungsmäßige Tätigkeit darin besteht, unentgeltliche Hilfeleistung in Steuersachen durch Studierende unter Anleitung beruflich vorgebildeter und erfahrener Praktiker für Studenten zu erbringen, kann wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 StBerG nicht in das Vereinsregister eingetragen werden.

Gesetze: § 2 Abs 1 StBerG, § 5 Abs 1 S 1 StBerG, § 6 Nr 2 StBerG, § 60 BGB, § 134 BGB, § 1 Abs 3 RDG, § 6 RDG

Instanzenzug: OLG Celle Az: 9 W 14/22 Beschlussvorgehend Az: 81 AR 2047/21

Gründe

I.

1Der Beteiligte, ein Verein in Gründung, begehrt seine Eintragung in das Vereinsregister.

2Der Zweck des Beteiligten wird in seiner Satzung wie folgt angegeben:

§ 2 Zweck des Vereins

(1) Zweck des Vereins ist die Förderung der Berufsbildung, einschließlich der Studentenhilfe im Sinne des § 52 Abs. 2 Nr. 7 der Abgabenordnung.

(2) Der Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch die Errichtung und den Betrieb einer Tax Law Clinic.Dabei wird unentgeltliche Hilfeleistung in Steuersachen von ehrenamtlich tätigen Studierenden der Rechts- oder Wirtschaftswissenschaften unter der Anleitung einer hinreichend im Steuerrecht beruflich vorgebildeten und mehrjährig praktisch auf dem Gebiet des Steuerrechts tätige bzw. tätig gewesene Person, die entweder zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen nach dem Steuerberatungsgesetz befugt ist oder die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz erlangt hat, gegenüber anderen Studierenden erbracht, um den Erwerb berufsvorbereitender, fachlicher und persönlicher Kompetenzen der Studierenden zu fördern.

(3) Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts "Steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung. Der Verein ist selbstlos tätig; er verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Ziele. Mittel des Vereins dürfen nur für satzungsgemäße Zwecke verwendet werden.

3Das Registergericht hat den Antrag des allein vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieds des Beteiligten auf Eintragung des Beteiligten in das Vereinsregister abgelehnt. Die dagegen erhobene Beschwerde des Beteiligten hat das Beschwerdegericht mit Beschluss vom zurückgewiesen. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte den Eintragungsantrag weiter.

II.

4Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

51. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6Einer Eintragung des Beteiligten in das Vereinsregister stehe entgegen, dass sein Satzungszweck gegen § 5 StBerG verstoße und die Satzung damit gemäß § 134 BGB nichtig sei. Der Beteiligte gehöre nicht zu den in §§ 3, 3a und 4 StBerG bezeichneten Personen und Vereinigungen, die nach § 5Abs. 1 StBerG (in der bis zum geltenden Fassung) geschäfts-mäßige Hilfe in Steuersachen leisten dürften. Auf die Ausnahmeregelung in § 6 Nr. 2 StBerG für unentgeltliche Hilfeleistung in Steuersachen könne der Beteiligte sich nicht berufen, weil diese nur für Hilfeleistungen für Angehörige im Sinn von § 15 AO gelte. Es sei weder davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei der Reform des Rechtsdienstleistungsgesetzes im Jahr 2007 schlicht vergessen habe, im Steuerberatungsgesetz entsprechend § 6 Abs. 2 RDG eine Zulässigkeit unentgeltlicher Beratung auch außerhalb des persönlichen Nahbereichs vorzusehen, noch sei die begrenzte Zulässigkeit unentgeltlicher Beratung im Steuerberatungsgesetz verfassungswidrig.

72. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

8Der Beteiligte hat in der Zeit zwischen seiner Gründung und seiner Eintragung im Vereinsregister die Rechtsstellung eines nicht rechtsfähigen Vereins (sogenannter Vorverein) und ist als solcher beteiligtenfähig (vgl. , ZIP 2018, 2165 Rn. 11 mwN).

9Der Beteiligte ist beschwerdeberechtigt gemäß § 59 Abs. 2 FamFG. Nach § 59 Abs. 2 FamFG steht die Beschwerde allein dem Antragsteller zu, wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann. Wird, wie hier, eine auf eine konstitutive Eintragung gerichtete Registeranmeldung durch ein vertretungsberechtigtes Organ einer Körperschaft vorgenommen, ist nach der Rechtsprechung des Senats davon auszugehen, dass Antragsteller im Sinne des § 59 Abs. 2 FamFG und damit beschwerdeberechtigt auch der von der Anmeldung betroffene Rechtsträger ist, in dessen Namen die für ihn vertretungsberechtigte Person aufgetreten ist. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass das Organ die nicht selbst handlungsfähige Körperschaft bei der Antragstellung nur vertritt, die auf eine Eintragung mit konstitutiver Wirkung gerichtete Anmeldung im Namen des Rechtsträgers erfolgt und Anmeldender in einem solchen Fall der Rechtsträger selbst, vertreten durch sein Organ ist (vgl. , ZIP 2020, 1658 Rn. 25 mwN).

10Durch die Ablehnung der Eintragung in das Vereinsregister ist der Beteiligte in eigenen Rechten beeinträchtigt, so dass auch die Voraussetzungen seiner Beschwerdebefugnis nach § 59 Abs. 1 FamFG gegeben sind, die neben den Anforderungen des § 59 Abs. 2 FamFG erfüllt sein müssen (vgl. , ZIP 2018, 2165 Rn. 13 mwN).

11Die Rechtsbeschwerdebefugnis des Beteiligten ergibt sich schließlich bereits daraus, dass seine Beschwerde gegen den Beschluss des Registergerichts zurückgewiesen wurde (vgl. , ZIP 2022, 1594 Rn. 6 mwN).

123. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Registergericht hat die Eintragung des Beteiligten in das Vereinsregister entsprechend § 60 BGB zu Recht abgelehnt. Ein Verein, dessen satzungsmäßige Tätigkeit darin besteht, unentgeltliche Hilfeleistung in Steuersachen durch Studierende unter Anleitung beruflich vorgebildeter und erfahrener Praktiker für Studenten zu erbringen, kann wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 StBerG nicht in das Vereinsregister eingetragen werden. Der Zweck eines solchen Vereins ist auf eine nach dem Steuerberatungsgesetz verbotene geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen gerichtet, mit der Folge, dass die Satzung des Vereins nach § 134 BGB nichtig ist (vgl. , WM 2013, 1559 Rn. 1 zum Verstoß gegen §§ 3, 2 Abs. 2Satz 1 Fall 2 RDG; MünchKommBGB/Leuschner, 9. Aufl., § 60 Rn. 3; BeckOGKBGB/Segna, Stand , § 21 Rn. 59 ff.; jeweils mwN).

13a) Die in § 2 seiner Satzung beschriebene Tätigkeit des Beteiligten verstößt gegen § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 StBerG.

14Nach § 2 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 StBerG dürfen andere als die in §§ 3, 3a, 3d und 4 StBerG genannten Personen und Vereinigungen nicht geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, insbesondere nicht geschäftsmäßig Rat in Steuersachen erteilen.

15Bei der in § 2 Abs. 2 der Satzung beschriebenen Tätigkeit des Beteiligten handelt es sich um geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen im Sinne des Steuerberatungsgesetzes. Geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen ist nach § 2 Abs. 2 StBerG jede Tätigkeit in fremden Angelegenheiten im Anwendungsbereich des Steuerberatungsgesetzes, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Geschäftsmäßigkeit liegt vor, wenn jemand ausdrücklich oder erkennbar die Absicht verfolgt, die Tätigkeit in gleicher Art zu wiederholen und zu einem wiederkehrenden oder dauernden Bestandteil seiner selbständigen Beschäftigung zu machen (vgl. BFH, BFH/NV 2011, 73 Rn. 23; BFHE 258, 380 Rn. 12; Koslowski, StBerG, 8. Aufl., § 2 Rn. 4; Kuhls u.a./Raab, StBerG, 4. Aufl., § 5 Rn. 9; jeweils mwN). Diese Voraussetzungen sind bei der in § 2 Abs. 2 der Satzung des Beteiligten beschriebenen Vereinstätigkeit dauerhafter Hilfeleistung für Studierende in deren steuerlichen Angelegenheiten erfüllt. Dass diese Hilfeleistung unentgeltlich erfolgen soll, ist nach § 2 Abs. 1 Satz 2 StBerG für die Frage ihrer Geschäftsmäßigkeit ohne Belang.

16Der Beteiligte zählt nicht zu den in §§ 3, 3a, 3d und 4 StBerG genannten Personen und Vereinigungen, die gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt sind. Die Ausnahmeregelung des § 6 Nr. 2 StBerG für unentgeltliche Hilfeleistungen in Steuersachen greift nicht, weil danach nur Hilfeleistungen für Angehörige im Sinn des § 15 AO vom Verbot des § 5 StBerG ausgenommen sind.

17b) Auf eine Zulässigkeit der von ihm beabsichtigten Tätigkeit nach § 6 RDG kann der Beteiligte sich nicht berufen.

18Nach § 6 Abs. 1 RDG sind unentgeltliche Rechtsdienstleistungen grundsätzlich erlaubt. Werden sie außerhalb familiärer, nachbarschaftlicher oder ähnlich enger persönlicher Beziehungen erbracht, muss gemäß § 6 Abs. 2 RDG sichergestellt sein, dass die Rechtsdienstleistung durch eine Person, der die entgeltliche Erbringung dieser Rechtsdienstleistung erlaubt ist, durch eine Person mit Befähigung zum Richteramt oder unter Anleitung einer solchen Person erfolgt.

19Darauf kann der Beteiligte sich aber auch dann nicht berufen, wenn die in § 2 der Satzung des Beteiligten vorgesehene Anleitung der beratenden Studierenden den in § 6 Abs. 2 RDG genannten qualitätssichernden Anforderungen genügen würde, da § 6 RDG auf die geschäftsmäßige unentgeltliche Hilfeleistung im Bereich des Steuerrechts gemäß § 1 Abs. 3 RDG nicht anwendbar ist.

20aa) § 1 Abs. 3 RDG bestimmt, dass Regelungen in anderen Gesetzen über die Befugnis, Rechtsdienstleistungen zu erbringen, unberührt bleiben. Damit wird das Rechtsdienstleistungsgesetz im Verhältnis zu anderen Gesetzen als lex generalis gekennzeichnet. Soweit diese anderen Gesetze die Rechtsdienstleistungsbefugnis auf einem Gebiet - wie etwa im Bereich des Steuerrechts - abschließend regeln, kann eine Rechtsdienstleistungsbefugnis aus dem Rechtsdienstleistungsgesetz nicht abgeleitet werden (RegE eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 45 zu der wortgleichen Vorgängerregelung in § 1 Abs. 2 RDG in der bis zum geltenden Fassung). Auch die Regelung zur Zulässigkeit unentgeltlicher Rechtsdienstleistungen in § 6 RDG gilt nur, soweit sich nicht aus anderen Gesetzen ein Verbot unentgeltlicher Tätigkeit ergibt (RegE eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 57). Über die abschließende spezialgesetzliche Regelung der Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen im Steuerberatungsgesetz hinaus können daher aus dem Rechtsdienstleistungsgesetz keine weitergehenden Befugnisse für den Bereich des Steuerrechts abgeleitet werden (vgl. , juris Rn. 11; Kuhls u.a./Riddermann, StBerG, 4. Aufl., § 1 Rn. 2; Kuhls u.a./Raab, StBerG, 4. Aufl., § 6 Rn. 8; Wolf in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 1 RDG Rn. 49 f.; Piekenbrock in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 6 RDG Rn. 31; Deckenbrock in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 1 Rn. 29, 31a; Dux-Wenzel in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 6 Rn. 7 f.; Krenzler/Remmertz, RDG, 2. Aufl., § 1 Rn. 109; Krenzler/ Schmidt, RDG, 2. Aufl., § 6 Rn. 13; Deckenbrock/Keß, AnwBl Online 2021, 328, 330; Dux/Prügel, JuS 2015, 1148, 1152; Remmertz, BRAK-Mitt. 2018, 231, 236; Ring, DStR-Beih. 2017, 51; aA v. Lewinski, Berufsrecht der Rechtsanwälte, Patentanwälte und Steuerberater, 5. Aufl., S. 311 Rn. 59: StBerG und RDG parallel anwendbar).

21bb) Eine analoge Anwendung von § 6 RDG im Bereich des Steuerrechts kommt nicht in Betracht.

22(1) Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Eine Analogie setzt daher voraus, dass die Übertragung der gesetzlichen Regelung auf den ungeregelten Fall nicht durch eine gesetzgeberische Entscheidung ausgeschlossen ist. Die Lücke muss sich demnach aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem - dem konkreten Gesetzgebungsvorhaben zugrundeliegenden - Regelungsplan ergeben, wie er sich aus dem Gesetz selbst im Wege der historischen und teleologischen Auslegung ergibt. Dabei muss die Planwidrigkeit aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden können. Weiter ist danach für eine Analogie erforderlich, dass die Interessenlage des gesetzlich geregelten Falls mit der des zu entscheidenden Falls übereinstimmt sowie die Wertungsgrundlage und die gesetzgeberische Interessenbewertung der Gesetzesnorm auf den zu entscheidenden Fall zutreffen (st. Rspr.; siehe nur , BGHZ 229, 59 Rn. 38 ff. mwN).

23(2) Für eine analoge Anwendung des § 6 RDG auf die geschäftsmäßige unentgeltliche Beratung im Bereich des Steuerrechts fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke.

24Den Gesetzesmaterialien zur Einführung des § 6 RDG durch das Rechtsdienstleistungsgesetz vom (BGBl I S. 2840) ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber sich bewusst für den Vorrang spezialgesetzlicher Regelungen von Rechtsdienstleistungsbefugnissen in anderen Gesetzen und dabei insbesondere für den Vorrang abschließender Regelungen "etwa im Bereich des Steuerrechts" entschieden hat (RegE eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 45 zu § 1 Abs. 2 RDG [in der bis zum geltenden Fassung], S. 57 zu § 6 RDG; siehe auch Remmertz, BRAK-Mitt. 2018, 231, 236). Dementsprechend wurde mit Erlass des Rechtsdienstleistungsgesetzes die bis dahin in § 95 des Bundesvertriebenengesetzes enthaltene Ausnahmeregelung für die erlaubnisfreie unentgeltliche Beratung durch Vertriebenenorganisationen "in Rechts-, Steuer- und Wirtschaftsfragen" in eine Befugnis zur unentgeltlichen Beratung "in Steuerfragen" geändert, weil ihr nur noch für diesen Bereich eine eigenständige Bedeutung beigemessen wurde (RegE eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 101; vgl. Dux-Wenzel in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 6 Rn. 7a).

25Für die in der Literatur teilweise vertretene Annahme, man habe bei der Neuregelung des Rechtsberatungsrechts durch das Rechtsdienstleistungsgesetz in der Frage der karitativen Rechtsdienstleistung lediglich auf eine Abstimmung zwischen den damals zuständigen Bundesministerien verzichtet und zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten den Vorrang der Regelungen des Steuerberatungsgesetzes in der Erwartung vorgesehen, die durch das Rechtsdienstleistungsgesetz initiierten Änderungen würden durch das jeweils zuständige Ministerium im Zuge einer weiteren Reform sachgerecht "nachgeholt" (so Deckenbrock/Keß, AnwBl Online 2021, 328, 330 f.), sieht der Senat keinen Anhalt. Gleiches gilt für die auch von dem Beteiligten vertretene Auffassung, bei Erlass des Achten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom (BGBl. I S. 666) habe man eine Angleichung des § 6 Nr. 2 StBerG an § 6 RDG vergessen (so Günther/Grupe, NWB 40/2019, 2954, 2958). Dagegen spricht, dass der Deutsche Bundestag noch am ein Petitionsverfahren, mit dem eine Angleichung von § 6 Nr. 2 StBerG an § 6 RDG für die unentgeltliche Hilfeleistung in Steuersachen gefordert worden war, entsprechend der Empfehlung des Petitionsausschusses mit der Begründung abgeschlossen hat, dem Anliegen könne nicht entsprochen werden, weil die unterschiedliche Behandlung der beiden Materien gerechtfertigt sei(Pet 2-17-08-616-035778).

26Schließlich enthält auch der Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Finanzen zur Neuregelung des § 4 StBerG betreffend die Befugnis zu beschränkter Hilfeleistung in Steuersachen vor dem Hintergrund eines seit 2018 schwebenden Vertragsverletzungsverfahrens der Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland (Nr. 2018/2171) weder eine Regelung zur Zulässigkeit studentischer Steuerrechtsberatung, noch ist darin eine Neuregelung des § 6 Nr. 2 StBerG betreffend die unentgeltlichen Hilfeleistung in Steuersachen vorgesehen.

27c) Die verfassungsrechtlichen Einwände der Rechtsbeschwerde gegen das Verbot der beabsichtigten Tätigkeit des Beteiligten nach § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 StBerG greifen nicht durch.

28aa) Der von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Verstoß gegen das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3, Art. 19 Abs. 3 GG liegt nicht vor. Der in § 2 der Satzung beschriebene Vereinszweck des Beteiligten ist vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG nicht erfasst.

29(1) Das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG steht jedem Einzelnen zu, der eigenverantwortlich wissenschaftlich tätig ist oder werden will (BVerfGE 15, 256, 263 f.; BVerfGE 35, 79, 112 f.; BVerfGE 88, 129, 136; BVerfGE 90, 1, 11; BVerfGE 95, 193, 209; BVerfGE 141, 143 Rn. 48: privatrechtlich organisierte Wissenschaft). Erfasst ist danach jede Tätigkeit, die nach Inhalt und Form als ernsthafter Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist (BVerfGE 35, 79, 113; BVerfGE 47, 327, 367). Der Begriff der Wissenschaft ist insofern ein gemeinsamer Oberbegriff von Forschung und Lehre und drückt den engen Bezug der beiden Teilkomponenten zueinander aus. Forschung ist die geistige Tätigkeit mit dem Ziel, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnis zu gewinnen, während Lehre die wissenschaftlich fundierte Übermittlung der durch die Forschung gewonnenen Erkenntnisse ist, wobei das in der Lehre stattfindende wissenschaftliche Gespräch wiederum die Forschungsarbeit befruchtet (BVerfGE 35, 79, 113). Die forschungsbasierte Lehre ist als Prozess der Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse vom Schutz des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG umfasst (BVerfGE 141, 143 Rn. 49 mwN). Geschützt ist damit die wissenschaftliche Lehre, nicht jedoch die bloße Wissensvermittlung oder anwendungsbezogene Ausbildung (vgl. BVerfGE 61, 210, 237, 247 f.; BVerwGE 62, 45, 51 f.; BeckOK GG/Kempen, Stand , Art. 5 Rn. 183, 184; Dreier/Britz, GG, 3. Aufl., Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 30; Fehling in Dolzer/Vogel/Graßhof Bonner Kommentar, 110. Lfg. März 2004, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 84 f.; Gärditz in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand September 2022, Art. 5 Rn. 115; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 17. Aufl., Art. 5 Rn. 139).

30(2) Danach handelt es sich bei der nach § 2 der Satzung beabsichtigten Tätigkeit des Beteiligten weder um Forschung noch um wissenschaftliche Lehrtätigkeit im Sinn von Art. 5 Abs. 3 GG.

31Die abstrakte Angabe in § 2 Abs. 1 der Satzung, Zweck des Vereins sei die Förderung der Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe im Sinne des § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO, lässt nicht erkennen, wie diese Förderung stattfinden soll, geschweige denn, dass dies in Form einer wissenschaftlich fundierten Übermittlung von durch die Forschung gewonnenen Erkenntnissen erfolgen soll. Auch der Präzisierung des Vereinszwecks in § 2 Abs. 2 der Satzung, demzufolge der beabsichtigte Betrieb einer Tax Law Clinic dazu dienen soll, den Erwerb berufsvorbereitender, fachlicher und persönlicher Kompetenzen der beratenden Studenten zu fördern, ist dies nicht zu entnehmen. Die dort beschriebene Hilfeleistung in Steuersachen gegenüber anderen Studierenden spricht im Gegenteil vielmehr für eine bloße Wissensvermittlung in Form einer anwendungsbezogenen Ausbildung anhand von konkreten, realen Fällen.

32Letzteres ergäbe sich selbst dann, wenn man die weiteren Erläuterungen der Rechtsbeschwerde zur Tätigkeit des Beteiligten zur Auslegung des - eigentlich objektiv zu bestimmenden - Satzungszwecks hinzuziehen wollte. Danach zielt der Betrieb der Tax Law Clinic (lediglich) darauf, den Studierenden nach einem Einführungskurs, in dem ihnen die Grundlagen des Rechtsdienstleistungsgesetzes, des Steuerberatungsgesetzes und des Steuerrechts vermittelt werden, eine berufsnahe Umsetzung des Erlernten zu ermöglichen und die erlernten Kenntnisse in von der Praxis an sie herangetragenen Situationen umzusetzen. Gegenstand ist damit eine Simulation von Situationen, denen die Studierenden im späteren Berufsleben gegenüberstehen. Eine wissenschaftlich fundierte Vermittlung von Forschungserkenntnissen oder deren wissenschaftliche Deutung und Bewertung ist damit nicht verbunden. Dass der Betrieb der Tax Law Clinic, wie die Rechtsbeschwerde geltend macht, einer universitären Seminarveranstaltung ähneln würde, ist danach nicht ersichtlich.

33(3) Auch im Übrigen ist der Satzung des Beteiligten kein Anhalt dafür zu entnehmen, dass der Betrieb der Tax Law Clinic der wissenschaftlichen Forschung oder Lehre im Steuerrecht dienen könnte. Insbesondere ist, wie die Rechtsbeschwerde selbst einräumt, in der Satzung nicht etwa verankert, dass beim Betrieb der Tax Lax Clinic Lehrende der Leibniz Universität Hannover oder einer anderen Hochschule tätig werden oder in diesem Rahmen forschend oder wissenschaftlich lehrend eingebunden sein sollen.

34(4) Das Registergericht war auch nicht, wie von der Rechtsbeschwerde hilfsweise geltend gemacht, gehalten, dem Beteiligten im Wege einer Zwischenverfügung gemäß § 382 Abs. 4 FamFG aufzugeben, die Einbindung von Lehrenden einer Hochschule in den Betrieb der Tax Law Clinic in der Satzung zu verorten, um damit einen vom Schutzzweck des Art. 5 Abs. 3 GG unterfallenden Satzungszweck zu statuieren. Eine solche Aufforderung könnte nicht Gegenstand einer Zwischenverfügung sein, weil sie auf eine wesentliche inhaltliche Änderung der Satzung des Beteiligten gerichtet wäre.

35(a) Der Erlass einer Zwischenverfügung setzt nach § 382 Abs. 4Satz 1 FamFG das Vorliegen einer unvollständigen Registeranmeldung oder ein anderes durch den Antragsteller behebbares Eintragungshindernis voraus. Eine inhaltliche Änderung der Anmeldung, die sich nicht auf eine bloße Ergänzung der andernfalls unvollständigen Anmeldung beschränkt, sondern mit der in der Sache eine inhaltlich andere Anmeldung darstellt und eine Neuanmeldung voraussetzt, kann dagegen nicht Gegenstand einer Zwischenverfügung sein (vgl. , ZIP 2021, 1488 Rn. 11; OLG Düsseldorf, FamRZ 2018, 64, 65; OLG Stuttgart, NZG 2018, 1264, 1265; Beschluss vom - 8 W 146/20, juris Rn. 6; OLG Düsseldorf, NZG 2019, 151, 152; BeckOK FamFG/Otto, Stand , § 382 Rn. 60; Harders in Bumiller/Schwamb/Harders, FamFG, 13. Aufl., § 382 Rn. 16; Krafka, Registerrecht, 11. Aufl., Rn. 116a).

36(b) Letzteres wäre hier der Fall. Für eine Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 3 GG durch die Einbeziehung von Lehrenden einer Hochschule in den Vereinszweck des Beteiligten wäre eine wesentliche inhaltliche Änderung seiner Satzung erforderlich. Hierfür würde es nicht ausreichen, lediglich eine abstrakte Bestimmung über die Kooperation mit Lehrenden einer Hochschule in die Satzung aufzunehmen. Erforderlich wäre vielmehr, dass zumindest im Ansatz deutlich gemacht würde, wie, mit welcher Befugnis und mit welchem Tätigkeitsinhalt diese Lehrenden in den Betrieb der Tax Law Clinic eingebunden werden sollen, um die Prüfung zu ermöglichen, ob dadurch auch eine den Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit eröffnende Anbindung an die Forschung und/oder wissenschaftliche Lehre vorliegt.

37bb) Die Verweigerung der Eintragung des Beteiligten in das Vereinsregister wegen Verstoßes seiner beabsichtigten Tätigkeit gegen § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 StBerG verletzt den Beteiligten auch nicht in seinem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG.

38(1) Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG steht insbesondere unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung, worunter alle Rechtsnormen zu verstehen sind, die formell und materiell mit der Verfassung in Einklang stehen (st. Rspr., vgl. nur BVerfG, NJW 2020, 2953 Rn. 34 mwN). In materieller Hinsicht bietet, vorbehaltlich besonderer verfassungsrechtlicher Gewährleistungen, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit den allgemeinen verfassungsrechtlichen Maßstab, an dem Einschränkungen der Handlungsfreiheit zu messen sind (vgl. BVerfGE 75, 108, 154 f.; BVerfGE 80, 137, 153; BVerfGE 90, 145, 172). Dieser verlangt, dass ein Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient und als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen ist (st. Rspr. vgl. nur BVerfGE 120, 274, 318 f. mwN).

39(2) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

40(a) Die Beschränkung der Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen dient nach § 2 Abs. 1 Satz 2 StBerG dem Schutz der Rechtssuchenden, des Rechtsverkehrs und der Rechtsordnung vor unqualifizierter Hilfeleistung in Steuersachen, mithin einem legitimen Zweck. Sie soll nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Interesse der Steuerpflichtigen, sich bei der Erledigung ihrer Steuerangelegenheiten der Hilfe anderer Personen zu bedienen, sowie das Interesse der Allgemeinheit berücksichtigen, dass im Steuerwesen nur Personen tätig werden, denen die Bearbeitung öffentlicher Angelegenheiten ohne Sorge anvertraut werden kann. Im Interesse des Steueraufkommens, der Steuermoral sowie zum Schutz gesetzesunkundiger Steuerpflichtiger, die durch Falschberatung unfähiger und ungeeigneter Berater schwere Nachteile erleiden können, soll sichergestellt werden, dass nur solche Berater geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, die dazu die erforderliche sachliche und persönliche Zuverlässigkeit besitzen (BVerfGE 54, 301, 315; BVerfGE 55, 185, 196; BVerfGE 59, 302, 316). Die Regelung der Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen dient damit der Funktionsfähigkeit der Steuerrechtspflege, die als Teil der gesamten Rechtspflege ein Gemeinwohlbelang von großer Bedeutung darstellt (BVerfGE 21, 173, 179; BVerfGE 54, 301, 315; BVerfGE 55, 185, 196; BVerfGE 59, 302, 316; BVerfG, NJW 2013, 3357 Rn. 30 mwN).

41(b) Dass der Gesetzgeber die Befugnis zu geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen mit § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 StBerG eng gefasst hat, ist zur Erreichung dieser Ziele geeignet. Für die Eignung im verfassungsrechtlichen Sinn genügt bereits die Möglichkeit, durch die gesetzliche Regelung den Gesetzeszweck zu erreichen (BVerfGE 96, 10, 23; BVerfGE 152, 68 Rn. 166; BVerfGE 159, 223 Rn. 185 mwN). Das ist hier der Fall, da mit der restriktiven Handhabung der Zulässigkeit geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen in Anknüpfung an bestimmte berufliche Qualifikationen die Risiken einer Falsch- oder Schlechtberatung sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für den Steuerfiskus vermindert werden.

42Diese Eignung der gesetzlichen Regelungen zur Sicherung der Qualität der Hilfeleistung in Steuersachen wird entgegen der Rechtsbeschwerde nicht dadurch in Frage gestellt, dass nach §§ 3, 3a, 3d und 4 StBerG auch Personen und Vereinigungen ohne eine Berufsqualifikation gemäß § 3 Nr. 1 StBerG oder zumindest § 6 Abs. 2 RDG entsprechende Qualitätsanforderungen zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt oder nach § 6 StBerG vom Verbot des § 5 Abs. 1 Satz 1 StBerG ausgenommen sind.

43(aa) Soweit die Rechtsbeschwerde dazu darauf verweist, dass das Ziel der Qualitätssicherung zum Beispiel bei den Befugnissen nach § 4 Nr. 12 und Nr. 12a StBerG ausweislich des sogenannten "Cum-Ex-Skandals" nicht erreicht worden sei, spricht das nicht gegen die Eignung der Qualifikationsanforderungen als solche, sondern ließe vielmehr allenfalls den Schluss zu, dass diese in den betreffenden konkreten Fällen nicht ausreichend waren.

44(bb) Auch der Einwand, dass bereits für die nach § 3 Nr. 1 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung befugten niedergelassenen europäischen Rechtsanwälte in der Literatur Bedenken hinsichtlich der Qualitätssicherung geäußert würden, trägt nicht, weil sich die Anforderungen an die berufliche Qualifikation insoweit aus europarechtlichen Vorgaben ergeben. Gleiches gilt für die Befugnis zu vorübergehender und gelegentlicher Hilfeleistung in Steuersachen nach § 3a StBerG und zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung nach § 3d StBerG.

45(cc) Die in § 4 StBerG geregelten Befugnisse zur Hilfeleistungen in Steuersachen bestehen nur beschränkt, d.h. in den in der Vorschrift jeweils genannten persönlichen und sachlichen Grenzen ("im Rahmen" oder "soweit", vgl. Koslowski, StBerG, 8. Aufl., § 4 Rn. 1 mwN). Den in § 4 StBerG genannten Fällen ist gemeinsam, dass die mit der Reglementierung des Steuerberatungsrechts verfolgten Zwecke des Allgemeinwohls durch den personellen und inhaltlichen Zuschnitt auf bestimmte Aspekte steuerlicher Hilfeleistung gewahrt werden. Stellen die in § 4 StBerG genannten Ausnahmen notwendige Hilfstätigkeiten im Rahmen oder im Zusammenhang mit einer anders gearteten Hauptaufgabe dar, ist davon auszugehen, dass die zur Wahrung der Schutzzwecke des Steuerberatungsrechts erforderliche Qualität der Hilfeleistung durch die wiederkehrende Befassung mit steuerrechtlichen Fragestellungen in mit der Hauptaufgabe verbundenen Ausschnittsbereichen des Steuerrechts gewährleistet ist. Wird die Hilfeleistung als satzungsmäßige Aufgabe im Rahmen einer Vereinstätigkeit erbracht, ist ebenfalls davon auszugehen, dass eine hinreichende Sachkunde des Hilfeleistenden vorhanden ist (vgl. , ZIP 2021, 1465 Rn. 34; Mann, DStR 2021, 1900, 1903 f.). Das gilt insbesondere auch für die in der Literatur teilweise angeführte Regelung für Lohnsteuerhilfevereine in § 13 StBerG (so etwa Deckenbrock/Keß, AnwBl Online 2021, 328, 332), deren Befugnis sich ausdrücklich nur auf eine Hilfeleistung in dem in § 4 Nr. 11 StBerG umgrenzten sachlichen Bereich erstreckt.

46(dd) Die in § 6 StBerG geregelten Ausnahmen vom Verbot des § 5 StBerG geben keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.

47Die Ausnahmeregelung des § 6 Nr. 1 StBerG für die Erstattung wissenschaftlich begründeter Gutachten erklärt sich dadurch, dass es sich hierbei um keine Raterteilung bzw. Hilfeleistung in einem konkreten Einzelfall handelt, sondern um eine gutachterliche Tätigkeit, die nicht auf die tatsächliche Umsetzung der Beratung in einem konkreten Sachverhalt gerichtet ist. Das Gutachten darf sich zwar auch mit einer Einzelfrage auseinandersetzen, muss sich aber eindeutig von der Raterteilung in einem konkreten Einzelfall unterscheiden, wie sie Inhalt der in der Alltagspraxis üblichen Beratung durch einen Steuerberater ist (vgl. Koslowski, StBerG, 8. Aufl., § 6 Rn. 2 f. mwN).

48Die Ausnahmeregelung des § 6 Nr. 2 StBerG für die unentgeltliche Hilfeleistung in Steuersachen beschränkt sich auf Hilfeleistungen für Angehörige im Sinn des § 15 AO. Ob die Regelung allein mit der gesetzlichen Verankerung einer lang andauernden Verwaltungsübung zu erklären ist (so Beschluss des Deutschen Bundestages vom betreffend den Abschluss des Petitionsverfahrens Pet-2-17-08-616-035778; FG Bremen, Beschluss vom2. November 1993 - 2 93 122 E 2 u.a., BeckRS 1993, 8670 Rn. 19; Völzke, DB 1975, 1283, 1284), oder dem nach Art. 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der Familie Rechnung tragen soll (so etwa , juris Rn. 44), bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls ist der Kreis der von der Ausnahmeregelung erfassten Personen entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht "unüberschaubar groß", sondern mit der Beschränkung auf die in § 15 AO benannten familiären Beziehungen (oder vergleichbaren Pflegeeltern-/kindbeziehungen) nicht nur eindeutig bestimmbar, sondern auch begrenzt und deutlich enger gefasst als etwa der Personenkreis, für den nach § 6 RDG unentgeltliche Rechtsdienstleistungen ohne jede Qualitätssicherung erlaubt sind. In Anbetracht dessen führt die Ausnahme des § 6 Nr. 2 StBerG allein für die unentgeltliche Hilfeleistung im familiären Kreis nicht dazu, dass damit, wie die Rechtsbeschwerde meint, praktisch jeder ohne Qualitätsnachweis einer solchen Vielzahl von Personen Hilfe in Steuersachen leisten darf und die übrigen Regelungen zur Qualitätssicherung (jedenfalls im Bereich der unentgeltlichen Hilfeleistung) obsolet würden.

49Die übrigen Ausnahmeregelungen des § 6 StBerG betreffen mechanische Arbeitsgänge (§ 6 Nr. 3 StBerG) oder Tätigkeiten, für die keine besonderen handels- und steuerrechtlichen Kenntnisse erforderlich sind (§ 6Nr. 4 StBerG; vgl. BVerfGE 54, 301 Rn. 44; BVerfGE 59, 302 Rn. 48). Qualitätssichernde Vorgaben sind daher in diesem Bereich nicht geboten.

50(c) Das Verbot unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen ohne Befugnis nach §§ 3, 3a, 3d oder 4 StBerG über den in § 6Nr. 2 StBerG genannten Personenkreis hinaus ist auch erforderlich.

51Verfassungsrechtliche Erforderlichkeit ist gegeben, wenn kein gleich wirksames Mittel zur Erreichung des Gemeinwohlziels zur Verfügung steht, das den Grundrechtsträger weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet (BVerfGE 67, 157, 176). Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahme zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen. Bei dieser Beurteilung steht dem Gesetzgeber grundsätzlich ein Einschätzungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 159, 223 Rn. 203 f. mwN).

52Ausgehend davon ist die Erforderlichkeit der Beschränkung zulässiger unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen durch § 5 Abs. 1 Satz 1, § 6 Nr. 2 StBerG zu bejahen.

53(aa) Ob allein der nach § 2 Abs. 1 Satz 2 StBerG bezweckte Schutz der Rechtssuchenden einen so weitgehenden Ausschluss unentgeltlicher Hilfeleistung in Steuersachen erfordert, ist allerdings fraglich. Insoweit könnte, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend geltend macht, als milderes Mittel auch eine § 6 Abs. 2 RDG vergleichbare Qualitätssicherung als ausreichend angesehen werden.

54Nach der Gesetzesbegründung zu § 6 RDG ist die unentgeltliche Rechtsberatung zur Ermöglichung und Förderung bürgerschaftlichen Engagements grundsätzlich zu erlauben. Bei Beratungen im Familien-, Nachbarschafts- und Bekanntenkreis hielt der Gesetzgeber auch keinen besonderen Schutz des Rechtsratsuchenden für geboten, weil dieser die Risiken einer aus Gefälligkeit erfolgenden unentgeltlichen Rechtsberatung durch Familienangehörige oder Freunde kennen müsse und in Kauf nehme. Außerhalb dieses Kreises hat der Gesetzgeber zwar zum Schutz der Rechtsratsuchenden, insbesondere zur Gewährleistung einer qualitätsvollen Rechtsberatung für hilf- und mittellose Personen, die in § 6 Abs. 2 RDG bestimmten qualitätssichernden Anforderungen für erforderlich erachtet, aber auch als ausreichend angesehen (RegE eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 39 f., 58 f.).

55Dass im Bereich des Steuerrechts ein weitergehender Schutz des Rechtssuchenden vor unqualifizierten Beratungsleistungen geboten wäre, ist nicht ersichtlich. Die hierfür angeführte besondere Komplexität und Schwierigkeit der rechtlichen Materie (vgl. etwa BFHE 246, 278 Rn. 111; siehe auch BVerfGE 21, 227, 235 f.) ist in anderen rechtlichen Bereichen ebenfalls gegeben (vgl. Dux-Wenzel in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 6 Rn. 7b; Piekenbrock, AnwBl 2011, 848, 850; Deckenbrock, AnwBl 2019, 554, 555; Kilian, DStR 2020, 406, 408; Deckenbrock/Keß, AnwBl Online 2021, 328, 332, 333). Auch die möglichen Nachteile der Rechtssuchenden im Fall einer Schlecht- oder Fehlberatung sind im Steuerrecht nicht unbedingt gravierender. Zwar ist eine Fehlberatung im steuerrechtlichen Bereich für den Einzelnen grundsätzlich mit finanziellen Auswirkungen verbunden. Zudem besteht bei falschen steuerrechtlichen Erklärungen die Gefahr bußgeld- oder strafrechtlicher Belangung des Steuerverpflichteten (so Beschluss des Deutschen Bundestages vom betreffend den Abschluss des PetitionsverfahrensPet-2-17-08-616-035778). Solche Folgen können aber ebenso bei einer fehlerhaften Rechtsberatung in anderen Bereichen eintreten, in denen überdies, wie etwa im Ausländer- und Asylrecht, auch weitaus erheblichere, die persönliche Freiheit und Unversehrtheit des Beratenen berührende Umstände betroffen sein können (vgl. Deckenbrock, AnwBl 2017, 937, 943; Deckenbrock/Keß, AnwBl Online 2021, 328, 332, 333).

56(bb) Die weitergehende Einschränkung unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen ist aber durch den außerdem bezweckten, im Interesse der Allgemeinheit liegenden Schutz der Steuerrechtspflege, d.h. des Steueraufkommens und der Steuermoral geboten. Das gilt jedenfalls für den hier zu beurteilenden Fall, in dem die Hilfeleistung durch nicht-qualifizierte Personen (nur) unter Anleitung von nach §§ 3, 3a, 3d und 4 StBerG qualifizierten Personen erbracht werden soll.

57(aaa) Das Risiko einer unentgeltlichen Schlechtberatung in Steuersachen trägt nicht nur der einzelne Steuerverpflichtete, sondern auch der Fiskus und damit die Allgemeinheit. Es liegt daher im Interesse des Gemeinwohls, dass Personen mit fehlender Sachkunde, Erfahrung oder persönlicher Eignung grundsätzlich von der Hilfeleistung in Steuersachen, sofern sie über rein administrative Tätigkeiten hinausgeht, ausgeschlossen werden (Koslowski, StBerG, 8. Aufl., § 2 Rn. 1; Kuhls u.a./Raab, StBerG, 4. Aufl., § 6 Rn. 2). Diese besondere Bedeutung der steuerrechtlichen Beratung zeigt sich auch daran, dass Steuerberater und Steuerbevollmächtigte gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 StBerG (entsprechend der Stellung der Rechtsanwälte nach §§ 1, 2 BRAO) unabhängige Organe der Steuerrechtspflege sind. Sie nehmen zwar die Interessen ihrer Mandanten wahr, haben aber zugleich eine Vertrauensstellung gegenüber den Finanzbehörden und -gerichten (vgl. Beschluss des Deutschen Bundestages vom betreffend den Abschluss des Petitionsverfahrens Pet-2-17-08-616-035778; Koslowski, StBerG, 8. Aufl., § 2 Rn. 1, § 32 Rn. 1).

58(bbb) Zum Schutz dieses Gemeinwohlbelangs reicht eine § 6Abs. 2 RDG vergleichbare Qualitätssicherung in Form der Leistungserbringung unter Anleitung einer zu entgeltlichen Erbringung dieser Dienstleistung befugten (oder entsprechend qualifizierten) Person nicht aus (vgl. Beschluss des Deutschen Bundestages vom betreffend den Abschluss des Petitionsverfahrens Pet-2-17-08-616-035778; aA Dux-Wenzel in Deckenbrock/ Henssler, RDG, 5. Aufl., § 6 Rn. 7c; Krenzler/Schmidt, RDG, 2. Aufl., § 6 Rn. 13; Remmertz, BRAK-Mitt. 2018, 231, 236; Deckenbrock, AnwBl 2019, 554 f.; Deckenbrock/Keß, AnwBl Online 2021, 328, 332, 333). Ein hinreichender Schutz des Steueraufkommens ist damit nicht gewährleistet.

59Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 RDG erfordert eine Anleitung im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 1 RDG neben der Einweisung und Fortbildung in die für die Tätigkeit wesentlichen Rechtsfragen keine ständige Begleitung oder Beaufsichtigung der Tätigkeit durch eine qualifizierte Person, sondern lediglich deren Mitwirkung, soweit dies im Einzelfall erforderlich ist. Nach den Gesetzesmaterialien genügt es, wenn in Fällen, in denen das Fachwissen der nicht-juristischen Mitarbeiter nicht ausreicht, letztlich eine juristisch qualifizierte Person zur Verfügung steht, um auch eine Anleitung im Einzelfall geben zu können (RegE eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 40, 58). Strengere Vorgaben für Inhalt und Umfang der Anleitung sind auch der Satzung des Beteiligten nicht zu entnehmen.

60Damit ist kein hinreichender Schutz des Steueraufkommens gewährleistet, da eine Kontrolle der Hilfeleistung durch eine qualifizierte Person im Einzelfall nicht sichergestellt, sondern letztlich davon abhängig ist, ob der beratende Studierende deren Mitwirkung aufgrund besonderer Umstände oder Schwierigkeiten für erforderlich hält oder die Notwendigkeit ihrer Hinzuziehung anderweitig auffällt. Das damit verbleibende Risiko einer Fehlberatung und daraus folgender finanzieller Nachteile mag zwar keinen Schutz des einzelnen Beratenen erfordern, weil dieser sich selbst für die Inanspruchnahme der unentgeltlichen Hilfeleistung im Bewusstsein der damit verbundenen Risiken entschieden hat (s.o. unter Rn. 54 f.). Diese Entscheidung des Einzelnen kann aber nicht zu Lasten der Allgemeinheit gehen, in deren Interesse der Schutz des Steueraufkommens auch in diesem Fall unvermindert geboten ist. Zu diesem Schutz bedarf es daher auch bei Inanspruchnahme unentgeltlicher steuerrechtlicher Hilfeleistung der gesetzlichen Vorgaben zur Sicherung einer qualitätsvollen Beratung. Dass es dem Einzelnen freisteht, seine Steuerangelegenheiten selbst zu erledigen oder sich der unentgeltlichen Hilfe eines Angehörigen zu bedienen, gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Dies hindert den Gesetzgeber nicht, im Bereich der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen deren Qualität sicherzustellen.

61(ccc) Die sogenannten Kramer-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, NJW 2004, 2662; NJW 2006, 1502) geben jedenfalls im vorliegenden Fall keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung (aA Deckenbrock, AnwBl 2017, 937, 943 und AnwBl 2019, 554, 555; Kilian, DStR 2020, 406, 408; Deckenbrock/Keß, AnwBl Online 2021, 328, 332; Dux-Wenzel in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 6 Rn. 7b; siehe auch Klein/Rätke, AO, 16. Aufl., § 80 AO Rn. 35; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 244. Lieferung, 9/2017, § 80 AO Rn. 280a). Nach diesen Entscheidungen war es unverhältnismäßig und mit dem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht vereinbar, dass nach Art. 1 § 1 RBerG auch die altruistische Rechtsberatung durch einen berufserfahrenen pensionierten Juristen ohne behördliche Erlaubnis ausnahmslos unzulässig war. Danach könnte möglicherweise die Verfassungsmäßigkeit des Verbots unentgeltlicher Hilfeleistung in Steuersachen durch einen pensionierten Finanzrichter oder -beamten außerhalb des Personenkreises des § 6 Nr. 2 StBerG in Frage gestellt werden, nicht aber die hier zu beurteilende beabsichtigte Hilfeleistung durch Personen ohne entsprechende berufliche Qualifikation (nur) unter Anleitung eines qualifizierten Praktikers.

62(cc) Dagegen macht der Beteiligte ohne Erfolg geltend, die möglichen Nachteile für die Allgemeinheit seien bei der von ihm beabsichtigten steuerrechtlichen Hilfeleistung für Studierende nicht erheblich, weil nur Steuerfälle von geringem finanziellem Gewicht betroffen seien (so auch Deckenbrock/Keß, AnwBl Online 2021, 328, 332). Dies lässt die Erforderlichkeit des Verbots seiner Tätigkeit ebenfalls nicht entfallen. Abgesehen davon, dass der Umfang der zu beratenden Steuerfälle in der Satzung des Beteiligten an keiner Stelle festgelegt oder begrenzt ist, kann sich auch eine Vielzahl von Fällen geringerer finanzieller Tragweite in der Summe für das Steueraufkommen deutlich auswirken.

63(dd) Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung durch den Beteiligten und die Möglichkeit einer nachträglichen Untersagung der Hilfeleistung bei fehlender Gewährleistung einer sachgerechten Tätigkeit entsprechend § 7Abs. 2 StBerG stellen ebenfalls keine ausreichenden, d.h. gleich wirksamen Mittel zum Schutz des Steueraufkommens dar.

64Das Eingreifen einer Haftpflichtversicherung nicht nur für dem beratenen Steuerpflichtigen, sondern auch für dem Fiskus entstandene Nachteile würde voraussetzen, dass die mit einer Schlecht- oder Falschberatung einhergehende finanzielle Nachteile für das Steueraufkommen bei der Steuerfestsetzung auffallen oder aufgedeckt werden, was aber keinesfalls stets oder auch nur in den überwiegenden Fällen zu erwarten sein dürfte. Eine hinreichende Qualitätssicherung durch die Möglichkeit der nachträglichen Untersagung würde eine laufende engmaschige Kontrolle der Tätigkeit des Beteiligten erfordern und könnte zudem bereits eingetretene finanzielle Folgen für den Fiskus nicht beheben. Daher kann auch der in der Literatur (vgl. Deckenbrock/Keß, AnwBl Online, 2021, 328, 332) angeführte Umstand, dass seit der Liberalisierung unentgeltlicher Rechtsdienstleistungen bis zum Jahr 2021 nur drei Personen und Vereinigungen die weitere Erbringung von Rechtsdienstleistungen nach § 9 RDG wegen begründeter Annahme dauerhaft unqualifizierter Rechtsdienstleistungen zum Nachteil der Rechtsuchenden untersagt worden und davon keine Law Clinic betroffen gewesen sei, keine andere Beurteilung rechtfertigen.

65(d) Schließlich ist auch dem Gebot der Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn) Rechnung getragen. Voraussetzung dafür ist, dass die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht (vgl. BVerfG, NVwZ 2019, 1432 Rn. 26), wobei dem Gesetzgeber wiederum ein Einschätzungsspielraum zusteht (vgl. BVerfGE 159, 223 Rn. 16 f. mwN).

66Auch diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Dem Beteiligten bleiben außerhalb des Steuerrechts genügend rechtliche Bereiche, in denen er zur Förderung der Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe Studierenden der Rechts- oder Wirtschaftswissenschaften die Bearbeitung tatsächlicher Fälle unter Anleitung berufserfahrener Praktiker gemäß § 6 Abs. 2 RDG ermöglichen kann. Anders als bei der von § 6 Nr. 2 StBerG erfassten unentgeltlichen Hilfeleistung für Angehörige im Sinn von § 15 AO kann bei dem Beteiligten weder von einer geringeren Schutzbedürftigkeit der Rechtsuchenden wegen bewusster Inkaufnahme der Risiken eines Rechtsrats aus persönlicher Verbundenheit ausgegangen werden, noch ist evtl. verfassungsrechtlich geschützten familiären Nähebeziehungen Rechnung zu tragen oder aufgrund der Überschaubarkeit des beratenen Personenkreises nur eine geringe finanzielle Tragweite etwaiger unqualifizierter Beratungen für das Steueraufkommen zu gewärtigen. In Anbetracht dessen hat die allgemeine Handlungsfreiheit des Beteiligten auch bei der gebotenen Gesamtabwägung hinter dem Schutz des Steueraufkommens im Interesse der Allgemeinheit zurückzustehen.

67cc) Das Verbot der beabsichtigten Tätigkeit des Beteiligten nach § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 StBerG verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

68(1) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (BVerfGE 158, 282 Rn. 110 mwN). Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen reichen können. Eine strengere Bindung kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Differenzierungsmerkmale für Einzelne verfügbar sind oder je mehr sie sich denjenigen aus Art. 3 Abs. 3 GG annähern (BVerfGE 158, 282 Rn. 111 mwN).

69(2) Daran gemessen erweist sich die im Verbot der beabsichtigten Tätigkeit des Beteiligten liegende Ungleichbehandlung mit der Zulassung unentgeltlicher Rechtsdienstleistungen nach § 6 RDG ebenso sachlich gerechtfertigt wie die darin liegende Ungleichbehandlung mit der Zulassung geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen durch die in § 5 Abs. 1 Satz 1 StBerG genannten Personen und Vereinigungen und in den § 6 StBerG geregelten Ausnahmefällen.

70(a) Die erhebliche Einschränkung der Befugnis zu unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen durch § 5 Abs. 1 Satz 1, § 6Nr. 2 StBerG gegenüber zulässigen unentgeltlichen Rechtsdienstleistungen in anderen Rechtsgebieten gemäß § 6 RDG ist jedenfalls in dem hier zu beurteilenden Fall der Hilfeleistung durch (nicht-qualifizierte) Studierende unter Anleitung von qualifizierten Praktikern durch die besondere Bedeutung der Steuerrechtspflege für die Allgemeinheit sachlich gerechtfertigt. Auch wenn der Schutz der einzelnen Steuerpflichtigen vor einer unqualifizierten Hilfeleistung allein diese unterschiedliche Behandlung nicht erfordern mag, ist sie jedenfalls zum Schutz des Steueraufkommens und der Steuermoral, der auch durch die nach der Satzung des Beteiligten vorgesehene Anleitung der Studierenden nicht hinreichend gewährleistet ist, im Interesse der Allgemeinheit geboten und verhältnismäßig.

71Anderes ergibt sich, wie das Beschwerdegericht zu Recht angenommen hat, auch nicht aus dem (BVerfGE 122, 39; so aber Deckenbrock/Keß, AnwBl Online 2021, 328, 333). Nach dieser Entscheidung verstieß es gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der Rechtswahrnehmungsgleichheit, dass das Steuerrecht nach § 2 Abs. 2 BerHG in der bis zum geltenden Fassung nicht zu den beratungshilfefähigen Angelegenheiten zählte. Das besagt jedoch nichts darüber, welche Anforderungen an die Erbringung bzw. Erbringer dieser Beratungsleistungen gestellt werden können. Insbesondere ergibt sich daraus nicht, dass auch die Qualitätsanforderungen bei der Beratung im Steuerrecht denen in anderen Rechtsgebieten entsprechen müssen. Vielmehr weist das Beschwerdegericht zutreffend darauf hin, dass gerade wenn unbemittelte Personen nach dem Beratungshilfegesetz auch Anspruch auf Beratungshilfe für Steuersachen haben, eine Beratung bedürftiger Studenten in steuerrechtlicher Hinsicht auch ohne die Hilfe des Beteiligten sichergestellt werden kann.

72(b) Die Ungleichbehandlung mit den nach §§ 3, 3a, 3d und 4 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugten Personen und Vereinigungen ist dadurch sachlich gerechtfertigt, dass bei diesen aufgrund europarechtlich bestimmter Anforderungen oder aufgrund des in der jeweiligen Vorschrift durch den personellen und inhaltlichen Zuschnitt auf bestimmte Aspekte steuerlicher Hilfeleistung beschränkten Bereichs der Befugnis grundsätzlich von einer hinreichenden Wahrung der Qualitätsanforderungen ausgegangen werden kann (s.o. unter Rn. 44 und 45).

73(c) Die Ungleichbehandlung mit der in § 6 Nr. 2 StBerG vom Verbot des § 5 StBerG ausgenommenen unentgeltlichen Hilfeleistung in Steuersachen für Angehörige im Sinn von § 15 AO rechtfertigt sich schließlich, wie oben dargelegt (unter Rn. 48), dadurch, dass in diesem eng begrenzten Kreis evtl. familiären Nähebeziehungen Rechnung zu tragen ist und dadurch jedenfalls in der Regel keine erheblichen Auswirkungen einer unqualifizierten Hilfeleistung für das allgemeine Steueraufkommen zu erwarten sind.

74dd) Eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Verbots der unentgeltlichen geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen nach § 5 Abs. 1 Satz 1, § 6 Nr. 2 StBerG kommt danach nicht in Betracht. Voraussetzung dafür wäre die Überzeugung des Senats von der Verfassungswidrigkeit dieser gesetzlichen Regelungen (st. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 138, 64 Rn. 82; , BGHZ 214, 360 Rn. 36; Urteil vom - V ZR 23/21, WuM 2022, 522 Rn. 29). Dass in verschiedener Hinsicht Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bestehen könnten, reicht dafür nicht aus.

75d) Das Verbot der beabsichtigten Tätigkeit des Beteiligten nach § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 StBerG begegnet schließlich auch europarechtlich keinen Bedenken.

76aa) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde verstößt das Verbot nicht gegen Art. 15 Abs. 2 Buchst. d, Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. EG L 367 S. 36 - Dienstleistungsrichtlinie).

77Zwar finden die in Kapitel III der Dienstleistungsrichtlinie enthaltenen Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit der Dienstleistungserbringer einschließlich Art. 15 der Richtlinie auch dann Anwendung, wenn es sich, wie hier, um einen rein innerstaatlichen Sachverhalt handelt, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaats hinausweisen (, ECLI:EU:C:2018:44 = NVwZ 2018, 307 Rn. 110 - X BV; Urteil vom - C-377/17, ECLI:EU:C:2019:562 = NJW 2019, 2529 Rn. 57 f. - Kommission/Deutschland).

78Die beabsichtigte Tätigkeit des Beteiligten ist aber mangels Entgeltlichkeit bereits keine vom Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie erfasste Dienstleistung. Darüber hinaus sind die im Steuerberatungsgesetz geregelten Anforderungen an die berufliche Qualifikation für die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen von der Anwendung des Art. 15 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen.

79(1) Die beabsichtigte Tätigkeit des Beteiligten wird vom Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie nicht erfasst.

80(a) Nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 der Dienstleistungsrichtlinie ist "Dienstleistung" jede von Artikel 50 des Vertrags (EGV, heute Art. 57 AEUV) erfasste selbständige Tätigkeit, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird. Wesensmerkmal des Entgelts für eine Dienstleistung ist, dass es eine wirtschaftliche Gegenleistung für die betreffende Leistung darstellt (, ECLI:EU:C:2016:108 = juris Rn. 153 f. - Kommission/Ungarn mwN). Dabei ist allerdings weder erforderlich, dass der Dienstleister mit seiner Dienstleistung einen Gewinn erstrebt, so dass auch "quasi-ehrenamtliche" Tätigkeiten, die auf eine bloße Kostendeckung ausgerichtet sind oder bei denen die Gegenleistung in einer bloßen Aufwandsentschädigung besteht, erfasst werden (, ECLI:EU:2007:816 = EuZW 2008, 152 Rn. 33 f. - Jundt; Urteil vom - C-179/14, ECLI:EU:C:2016:108 = juris Rn. 154 - Kommission/Ungarn; Kluth in Calliess/Ruffert, EZV/AEUV, 6. Aufl., Art. 56, 57 AEUV Rn. 11; Streinz/Müller-Graf, EUV/AEUV, 3. Aufl., Art. 56 AEUV Rn. 21), noch ist Voraussetzung, dass der Leistungsempfänger die Gegenleistung erbringt (, ECLI:EU:C:2016:108 = juris Rn. 155 - Kommission/Ungarn; Urteil vom - C-62/19, ECLI:EU:C:2020:980 = MMR 2021, 309 - Star Taxi App Rn. 45; jeweils mwN). Die Formulierung "in der Regel" wird überwiegend dahingehend verstanden, dass es unschädlich ist, wenn eine Leistung, die üblicherweise gegen Entgelt erbracht wird, ausnahmsweise ohne Gegenleistung erfolgt (vgl. Kluth in Calliess/Ruffert, EZV/AEUV, 6. Aufl., Art. 56, 57 AEUV Rn. 13; Streinz/Müller-Graf, EUV/AEUV, 3. Aufl., Art. 56 AEUV Rn. 19; aA Randelzhofer/Forsthoff in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand September 2022, Art. 56/57 Rn. 48: lediglich Klarstellung, dass die Leistung über den Einzelfall hinaus generell vergütet werden muss).

81(b) Danach fehlt es hier an einer entgeltlichen Tätigkeit im obigen Sinn.

82Gegenüber den die Hilfeleistung in Steuersachen in Anspruch nehmenden Studierenden wird der Beteiligte gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 der Satzung unentgeltlich tätig. Dass die beratenden Studierenden für die Inanspruchnahme dieses Ausbildungsangebots ein Entgelt entrichten müssen, ist der Satzung des Beteiligten ebenfalls nicht zu entnehmen. Insbesondere ergibt sich daraus nicht, dass die Studierenden für die Inanspruchnahme des Angebots Mitglied des Beteiligten werden und damit einen (nach §§ 5, 7 Abs. 3 der Satzung vorgesehenen, aber noch nicht festgesetzten) Mitgliedsbeitrag entrichten müssen.

83Eine Entgeltlichkeit der Tätigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass die beratenden und/oder die beratenen Studierenden möglicherweise Semester- oder Studiengebühren/-beiträge an ihre Hochschule entrichten. Der Satzung des Beteiligten ist weder eine Anbindung des Beteiligten an eine Hochschule zu entnehmen, noch, dass aus Hochschulgebühren oder -beiträgen Leistungen an den Beteiligten fließen oder zu seiner Finanzierung verwendet werden. Darüber hinaus stellt zwar Unterricht an Bildungseinrichtungen, die im Wesentlichen durch private Mittel finanziert werden, eine Dienstleistung dar, da das von diesen Einrichtungen verfolgte Ziel darin besteht, solche Dienstleistungen gegen Entgelt anzubieten. Unterricht an einer Bildungseinrichtung, die zu einem staatlichen Bildungssystem gehört und ganz oder hauptsächlich aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, ist dagegen keine wirtschaftliche Tätigkeit (, ECLI:EU:2023:59 = juris Rn. 20 f. - Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten mwN; siehe auch Erwägungsgrund Nr. 34 der Richtlinie 2006/123/EG; Kluth in Calliess/Ruffert, EZV/AEUV, 6. Aufl., Art. 56, 57 AEUV Rn. 11, 14), auch wenn die Schüler oder ihre Eltern Gebühren oder ein Schulgeld bezahlen müssen, um in gewissem Umfang zur Begleichung der Kosten für die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Systems beizutragen (, ECLI:EU:C:1988:451 = juris Rn. 19 - Humbel und Edel; Urteil vom - C-109/92, ECLI:EU:C:1993:916 = NVwZ 1994, 366 Rn. 15 - Wirth). Zweiteres gilt hier jedenfalls für die von der Rechtsbeschwerde im Zusammenhang mit der Wissenschaftsfreiheit genannte, in staatlicher Trägerschaft stehende Leibniz Universität Hannover (§ 1 der Grundordnung der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, Verkündungsblatt der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover vom ) nach § 1 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (Nds. GVBl. Nr. 5/2007 S. 69).

84(2) Darüber hinaus gilt Art. 15 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie nicht für die in § 5 Abs. 1 Satz 1 StBerG bestimmten Anforderungen für die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen.

85(a) Nach Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie ist sicherzustellen, dass Anforderungen, die die Aufnahme der betreffenden Dienstleistungstätigkeit aufgrund ihrer Besonderheiten bestimmten Dienstleistungserbringern vorbehalten, die Bedingungen des Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie erfüllen. Ausgenommen davon sind nach Art. 15 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie allerdings Anforderungen, die Bereiche betreffen, die von der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Anerkennung von Berufsqualifikationen(ABl. EG L 255, S. 22 - Anerkennungsrichtlinie) erfasst werden, oder in anderen Gemeinschaftsrechtsakten vorgesehen sind.

86(b) § 5 Abs. 1 Satz 1 StBerG enthält Anforderungen für die Aufnahme einer Dienstleistungstätigkeit in einem von der Anerkennungsrichtlinie erfassten Bereich.

87Der Anwendungsbereich der Anerkennungsrichtlinie erstreckt sich nach ihrem Art. 1, Art. 2 Abs. 1 auf sämtliche reglementierte Berufe, wozu nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie alle beruflichen Tätigkeiten gehören, bei denen die Aufnahme oder Ausübung oder eine der Arten der Ausübung direkt oder indirekt durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen gebunden ist. Das ist bei § 5 Abs. 1 Satz 1 StBerG der Fall (vgl. Waschkau, EU-Dienstleistungsrichtlinie und Berufsanerkennungsrichtlinie, 2008, S. 158; siehe auch Erwägungsgrund Nr. 88 der Richtlinie 2006/123/EG zu Art. 17 Nr. 6 der Richtlinie sowie Nr. 6.3.4 des Handbuchs der Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen der Europäischen Kommission zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie; , ECLI:EU:C:2015:827 = NJW 2016, 857 Rn. 36 ff.- X-Steuerberatungsgesellschaft unter Verweis auf die Schlussanträge des Generalanwalts vom - C-342/14, ECLI:EU:C:2015:646 = juris Rn.53).

88Anders als die Rechtsbeschwerde offenbar meint, gilt die Ausnahme des Art. 15 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie auch dann, wenn, wie hier, im konkreten Fall nicht die Anerkennung einer Berufsqualifikation in Rede steht. Die Ausnahmeregelung in Art. 15 Abs. 2 Buchst. d der Dienstleistungsrichtlinie beruht auf der Wertung, dass die in den Gemeinschaftsrechtsakten behandelten Qualifikationen als subjektive Zulassungsvoraussetzungen grundsätzlich legitime Anforderungen an die Berufstätigkeit sind. Gemeinschaftsrechtlich geht es nicht darum, derartige notwendige Qualifikationen nach Möglichkeit zu vermeiden, sondern ein Anerkennungsregime zu errichten, das die grenzüberschreitende Ausübung auch und gerade auch solcher Berufe ermöglicht. Sind solche klassischen Qualifikationen im Rahmen reglementierter Berufe bereits in diesbezügliche Gemeinschaftsregelungen zur Bewältigung der daraus resultierenden Probleme für den Binnenmarkt einbezogen worden, bedürfen sie keiner Rechtfertigung nach Art. 15 Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie mehr (vgl. Cornils in Schlachter/Ohler, Europäische Dienstleistungsrichtlinie, 2008, Art. 15 Rn. 17 f.; Waschkau, EU-Dienstleistungsrichtlinie und Berufsanerkennungsrichtlinie, 2008, S. 158).

89bb) Der Beteiligte kann sich auch nicht auf eine Verletzung der Grundfreiheiten aus Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) oder Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) berufen.

90Dabei kann dahinstehen, ob bzw. inwieweit diese Grundfreiheiten durch die sekundärrechtlichen Regelungen der Dienstleistungs- oder der Berufsanerkennungsrichtlinie ausgeschlossen sind (vgl. dazu , ECLI:EU:C:2022:467 = juris Rn. 42, 44 - Sosiaali - jaterveysalan lupa - ja valvontavirasto (Psychothérapeutes); Korte in Calliess/ Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl., Art. 49 AEUV Rn. 5 f.; Streinz/Leible in Schlachter/Ohler, Europäische Dienstleistungsrichtlinie, 2008, Einleitung Rn. 85 ff.).

91Da der Beteiligte seine Leistungen in stabiler und kontinuierlicher Weise von seinem inländischen Sitz in Hannover aus anbieten möchte, wäre allenfalls der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) eröffnet (vgl. bis C-359/10, ECLI:EU:C:2012:283 = NZBau 2012, 714 Rn. 30 f. - Duomo GPA u.a.; BGH, Urteil vom10. Dezember 2020 - I ZR 26/20, NZG 2021, 988 Rn. 24). Auch auf Art. 49 AEUV kann der Beteiligte aber wiederum bereits deshalb nicht berufen, weil es hierfür der Aufnahme und Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit bedarf (Art. 49 Abs. 1 Satz 2 AEUV), mithin einer auf einen Erwerbszweck gerichteten Tätigkeit, die Teil eines Austauschprozesses ist (vgl. Korte in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl., Art. 49 AEUV Rn. 15 mwN). Auch hier ist zwar nicht erforderlich, dass die Tätigkeit auf die Erwirtschaftung von Gewinnen abzielt, im Einzelfall ein kostendeckender Erlös erwirtschaftet wird oder Leistungsempfänger und Zahlender für die Leistung identisch sind. Leistungen, die nicht dem wirtschaftlichen Fortkommen dienen bzw. keinen wirtschaftlichen Charakter haben, namentlich rein unentgeltliche religiöse, karitative, gesellschaftliche, kulturelle oder sportliche Tätigkeiten, sind aber auch hier nicht erfasst (, ECLI:EU:C:2016:108 = juris Rn. 153 f. - Kommission/Ungarn; vgl. Forsthoff in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand September 2022, Art. 49 AEUV Rn. 20 ff.; Tiedje in von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Art. 49 AEUV Rn. 62, 65; Streinz/Müller-Graff, EUV/AEUV, 3. Aufl., Art. 49 AEUV Rn. 12 f.; Korte in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl., Art. 49 AEUV Rn. 15 ff.; jeweils mwN).

92Außerdem erfasst Art. 49 AEUV nur grenzüberschreitende Vorgänge. Die Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union über die Niederlassungsfreiheit, den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Kapitalverkehr finden auf einen Sachverhalt, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedsstaats hinausweisen, keine Anwendung; ein bloß hypothetisch möglicher grenzüberschreitender Bezug reicht dafür nicht aus (vgl. EUGH, Urteil vom - C-268/15, ECLI:EU:C:2016:874 = juris Rn. 47 - Ullens de Schooten; Urteil vom - C-318/15, ECLI:EU:C:2016:747 = NZBau 2016, 781 Rn. 22 f. - Tecnoedi Costruzioni Srl; Streinz/Müller-Graff, EUV/AEUV, 6. Aufl., Art. 49 AEUV Rn. 20; Korte in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl., Art. 49 AEUV Rn. 22 ff.; Tiedje in von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Art. 49 AEUV Rn. 122 f.).

93cc) Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist danach nicht veranlasst. Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits

durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei beantwortet wäre.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:280323BIIZB11.22.0

Fundstelle(n):
AO-StB 2023 S. 237 Nr. 8
AO-StB 2023 S. 238 Nr. 8
BB 2023 S. 1409 Nr. 25
DB 2023 S. 1592 Nr. 27
DStR 2023 S. 12 Nr. 19
DStR 2023 S. 1492 Nr. 27
DStR 2023 S. 1493 Nr. 27
DStRE 2023 S. 758 Nr. 12
WM 2023 S. 1230 Nr. 25
ZIP 2023 S. 1179 Nr. 22
ZIP 2023 S. 5 Nr. 19
CAAAJ-39209