BGH Beschluss v. - II ZR 210/21

Instanzenzug: Az: II ZR 210/21 Beschlussvorgehend Az: I-12 U 24/21vorgehend Az: 40 O 54/20

Gründe

I.

1Mit Beschluss vom hat der Senat den Antrag des Beklagten auf Beiordnung eines Notanwalts gemäß § 78b ZPO für das Verfahren über die von ihm eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde mit der Begründung abgelehnt, dass der Beklagte die Mandatsniederlegung des zunächst zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalts beim Bundesgerichtshof zu vertreten habe und seine Nichtzulassungsbeschwerde überdies aussichtslos sei. Außerdem hat der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten mit demselben Beschluss mangels fristgerechter Begründung durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als unzulässig verworfen.

2Dagegen hat der Beklagte mit am bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom persönlich "Sofortige Beschwerde nach § 567 ZPO" eingelegt und beantragt, den Beschluss vom aufzuheben, das Verfahren in den vorherigen Stand einzusetzen und seinem Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts stattzugeben.

II.

3Die "sofortige Beschwerde" des Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen. Eine sofortige Beschwerde nach § 567 ZPO gegen den Beschluss des Senats vom ist nicht statthaft und eine Umdeutung in eine Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO oder eine Gegenvorstellung kommt nicht in Betracht, weil diese ebenfalls unzulässig wären.

41. Eine sofortige Beschwerde nach § 567 ZPO gegen den Beschluss des Senats vom ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht statthaft.

5Gemäß § 567 Abs. 1 ZPO findet eine sofortige Beschwerde nur statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amts- und der Landgerichte, nicht jedoch gegen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. Das gilt sowohl für Entscheidungen des Bundesgerichtshofs über Nichtzulassungsbeschwerden gemäß § 544 Abs. 6 ZPO, d.h. hier die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten im Beschluss des Senats vom als unzulässig, als auch für die Ablehnung der Beiordnung eines Notanwalts gemäß § 78b ZPO. Anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht aus der in § 78b Abs. 2 ZPO vorgesehenen Anfechtung des Ablehnungsbeschlusses durch sofortige Beschwerde, die nach § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ebenfalls nur gegen erstinstanzliche Entscheidungen der Amts- und der Landgerichte eröffnet ist (vgl. , juris Rn. 3 mwN).

6Eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der zweiwöchigen Beschwerdefrist des § 569 Abs. 1 ZPO kommt damit ebenfalls nicht in Betracht.

72. Eine Umdeutung der "sofortigen Beschwerde" des Beklagten in eine Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO wegen eines Verstoßes gegen das in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Recht auf rechtliches Gehör scheidet aus.

8a) Die Umdeutung einer fehlerhaften Parteihandlung kommt im Verfahrensrecht in entsprechender Anwendung von § 140 BGB nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen der Prozesshandlung, in die umgedeutet werden soll, eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (vgl. , NJW 2002, 1958; Beschluss vom - II ZR 251/06, NJW-RR 2008, 876 Rn. 8; Beschluss vom - V ZB 152/14, NJW 2014, 3731 Rn. 5; Beschluss vom - VI ZB 36/14, NJW 2015, 2590 Rn. 7; Beschluss vom - II ZB 3/16, NJW-RR 2016, 1529 Rn. 19). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

9b) Es kann dahinstehen, ob eine Umdeutung hier schon deshalb ausscheidet, weil sie nicht dem mutmaßlichen Willen des Beklagten entspräche, der offensichtlich nicht nur versehentlich sondern bewusst ausdrücklich und unter näherer Begründung ihrer (vermeintlichen) Zulässigkeit eine "sofortige Beschwerde nach § 567 ZPO" eingereicht hat (vgl. , NJW-RR 2008, 876 Rn. 8 f.).

10c) Einer Umdeutung der "sofortigen Beschwerde" in eine Anhörungsrüge steht jedenfalls entgegen, dass deren Voraussetzungen ebenfalls nicht gewahrt wären.

11aa) Eine Anhörungsrüge gegen die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde im Beschluss vom wäre bereits deshalb unzulässig, weil sie nicht wie erforderlich gemäß § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt wurde (vgl. , NJW 2005, 2017; Beschluss vom - II ZB 6/09, MDR 2013, 421 Rn. 5).

12bb) Für eine Anhörungsrüge gegen die Ablehnung des Antrags auf Bestellung eines Notanwalts nach § 78b ZPO im Beschluss vom bestünde zwar kein Anwaltszwang (vgl. , juris Rn. 6 mwN). Die Rüge wäre aber gleichwohl ebenfalls unzulässig, weil sie nicht in der gesetzlichen Form und Frist erhoben wurde (§ 321a Abs. 4 Satz 1 und 2 i.V.m. § 321a Abs. 2 Satz 1 und 5 ZPO).

13(1) Eine Anhörungsrüge wäre gemäß § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO verfristet.

14(a) Nach § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO muss die Rügeschrift innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen bei Gericht eingehen. Diese Notfrist beginnt im Fall des § 78b ZPO grundsätzlich mit der Zustellung des die Beiordnung ablehnenden Beschlusses an die Partei (vgl. , juris). Da der angefochtene Beschluss dem Beklagten nach eigenen Angaben am zugegangen ist, ist die Rügefrist bereits am und damit vor Eingang seiner "sofortigen Beschwerde" am abgelaufen.

15(b) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Anhörungsrügefrist gemäß §§ 233 ff. ZPO käme nicht in Betracht. Der Beklagte hat nicht dargetan, dass er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war.

16Soweit er sich darauf beruft, dass er und sein Bekannter K.    , an den er den angefochtenen Beschluss zur Prüfung weitergeleitet habe, als juristische Laien mangels Rechtsbehelfsbelehrung zunächst angenommen hätten, dass der Beschluss unanfechtbar bzw. lediglich mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar sei, vermag ihn dies nicht zu entschuldigen. Es ist Sache jeder, auch der juristisch nicht vorgebildeten Partei, sich von sich aus rechtzeitig über Form und Frist eines Rechtsmittels gegen eine für sie nachteilige Entscheidung zu erkundigen (vgl. , FamRZ 1991, 425). Hierzu hätte im vorliegenden Fall auch ein nicht beim Bundesgerichtshof zugelassener Rechtsanwalt konsultiert werden können. Der Beklagte kann sich insoweit auch nicht darauf berufen, dass gemäß § 233 Satz 2 ZPO ein Fehlen des Verschuldens vermutet wird, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Vermutung des § 233 Satz 2 ZPO greift im vorliegenden Fall nicht, weil der Beschluss vom als unanfechtbare Entscheidung keiner Rechtsbehelfsbelehrung gemäß § 232 ZPO bedurfte und § 232 ZPO zudem keine Belehrung über außerordentliche Rechtsbehelfe, zu denen u.a. auch die Anhörungsrüge nach § 321a ZPO gehört, gebietet (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 232 Rn. 2; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 232 Rn. 10; jeweils mwN).

17cc) Darüber hinaus legt der Beklagte eine entscheidungserhebliche Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör gemäß § 321a Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht dar.

18Mit der Anhörungsrüge können gemäß § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO nur neue und eigenständige Verletzungen des Art. 103 Abs. 1 GG durch das Rechtsmittelgericht gerügt werden. In einem Rechtsmittelverfahren nicht behobene Verstöße der Vorinstanz können dagegen nicht Gegenstand eines Rügeverfahrens gegen die Entscheidung der höheren Instanz sein (vgl. , NJW-RR 2011, 640 Rn. 5; Zöller/G. Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 321a Rn. 7; jeweils mwN).

19Diese Anforderungen erfüllt das Rügevorbringen des Beklagten nicht. Ein Sachverhalt, aus dem sich eine neue und eigenständige Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör durch den Senat ergeben würde, ist mit der "sofortigen Beschwerde" nicht dargetan. Das Beschwerdevorbringen des Beklagten erschöpft sich in der Wiederholung der Begründung seines Beiordnungsantrags, er habe die Mandatsniederlegung seines früheren Rechtsanwalts nicht zu vertreten, weil sie allein auf dessen unsorgfältige und unvollständige Prüfung der Erfolgsaussichten seiner Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuführen sei, die angesichts mehrerer eindeutiger zulassungsrelevanter Rechtsfehler und Verstöße des Berufungsgerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG sowie wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache ersichtlich Aussicht auf Erfolg habe. Dass bzw. in welcher Hinsicht der Senat dieses Vorbringen bei seiner Entscheidung über den Beiordnungsantrag unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG übergangen haben sollte, zeigt der Beklagte nicht auf.

20Diese reine Wiederholung der Antragsbegründung ohne konkrete Darlegung einer Gehörsverletzung durch den Senat genügt den Anforderungen des § 321a Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht (vgl. , NJW 2009, 1609 Rn.6 mwN). Überdies ist dem angefochtenen Beschluss zu entnehmen, dass der Senat sich sowohl mit dem Vortrag des Beklagten, er habe die Mandatsniederlegung seines früheren Rechtsanwalts beim Bundesgerichtshof nicht zu vertreten, befasst (Rn. 10), als auch die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Nichtzulassungsbeschwerde unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten geprüft hat (Rn. 11 f.).

213. Eine Umdeutung der "sofortigen Beschwerde" des Beklagten in eine Gegenvorstellung gegen den Beschluss des Senats scheidet ebenfalls aus, weil auch diese unzulässig wäre.

22Selbst wenn man eine Gegenvorstellung bei Verstößen gegen andere Verfahrensgrundrechte als Gehörsverletzungen in analoger Anwendung des § 321a ZPO als statthaft ansähe (vgl. dazu , MDR 2013, 421 Rn. 7; Beschluss vom - II ZR 94/21, juris Rn. 13 mwN), müsste diese den Form- und Fristerfordernissen der Anhörungsrüge genügen (vgl. , MDR 2013, 421 Rn. 7 mwN). Das ist, wie oben ausgeführt, hier nicht der Fall. Im Übrigen wäre die Gegenvorstellung auch nicht begründet. Der Senat hat die Voraussetzungen des § 78b ZPO auch unter Berücksichtigung des mit der "sofortigen Beschwerde" wiederholten Vortrags aus dem Beiordnungsantrag des Beklagten als nicht erfüllt angesehen. Die Wiederholung dieses Vorbringens in der "sofortigen Beschwerde" gibt dem Senat keinen Anlass zu einer Abänderung seiner Entscheidung.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:070323BIIZR210.21.0

Fundstelle(n):
IAAAJ-37104