BGH Beschluss v. - IX ZR 71/22

Insolvenz: subjektive Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung

Leitsatz

Für die gesetzliche Vermutung der Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners muss der Anfechtungsgegner nicht wissen, dass der Schuldner seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht wird befriedigen können.

Gesetze: § 133 Abs 1 S 2 InsO

Instanzenzug: Hanseatisches Az: 11 U 62/21vorgehend Az: 325 O 330/19

Gründe

1Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die geltend gemachten Verfahrensgrundrechtsverletzungen hat der Senat geprüft, aber für nicht durchgreifend erachtet.

2Mit Urteil vom (IX ZR 72/20, BGHZ 230, 28) hat der Senat ausgesprochen, dass die Annahme der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO nicht allein darauf gestützt werden kann, dass der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung erkanntermaßen zahlungsunfähig war. Für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes, für den § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht gilt, muss hinzukommen, dass der Schuldner im maßgeblichen Zeitpunkt wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht vollständig befriedigen zu können. Entsprechendes gilt für den Vollbeweis der Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz (vgl. aaO Rn. 30 ff). Der Nachweis der Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz wird allerdings durch die gesetzliche Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO erleichtert. Die Voraussetzungen des Vermutungstatbestands sind von der Neuausrichtung der Rechtsprechung des Senats nicht betroffen (vgl. aaO Rn. 49 ff). Für das Eingreifen der gesetzlichen Vermutung der Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz muss der Anfechtungsgegner demnach nicht wissen, dass der Schuldner seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht wird befriedigen können.

3Dies könnte das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft anders beurteilt haben. Darauf kommt es jedoch nicht an, weil das Berufungsgericht schon die Kenntnis der Beklagten von der drohenden oder bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners verneint hat. Diese Beurteilung übersieht zwar möglicherweise, dass es auf die drohende Zahlungsunfähigkeit nicht angekommen sein könnte (§ 133 Abs. 3 Satz 1 InsO nF), hält den Angriffen der Nichtzulassungsbeschwerde aber stand. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob das Berufungsgericht in zulassungsrelevanter Weise einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners verneint hat. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:120123BIXZR71.22.0

Fundstelle(n):
BB 2023 S. 2004 Nr. 36
BB 2023 S. 706 Nr. 13
DB 2023 S. 1217 Nr. 20
NJW 2023 S. 9 Nr. 14
WM 2023 S. 573 Nr. 12
ZIP 2023 S. 769 Nr. 14
GAAAJ-35781