BGH Beschluss v. - 1 StR 464/22

Akteneinsichtsrecht des Verteidigers: Anspruch auf Übersendung der Verfahrensakten in Papierform

Gesetze: § 32f Abs 2 StPO, § 147 StPO, § 271 StPO, § 345 Abs 1 StPO

Instanzenzug: LG Konstanz Az: 1 KLs 31 Js 30658/21

Tenor

Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Mit Blick auf die Rüge der Verletzung formellen Rechts bemerkt der Senat ergänzend zu der Antragsschrift des Generalbundesanwalts:
Soweit der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO darin sieht, dass das Landgericht zu Unrecht einen Beweisantrag auf Einholung eines weiteren rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens zur Schuldfähigkeit abgelehnt habe, ist die Rüge nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise erhoben worden und damit unzulässig. Denn die Revision hat versäumt, den Inhalt des Beweisantrags (Beweistatsache und Beweismittel) nebst Begründung sowie des gerichtlichen Ablehnungsbeschlusses innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO vorzutragen (vgl. zu den Darlegungsanforderungen bei der Beweisantragsrüge etwa BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 110/21; vom – 4 StR 38/19 und vom – 2 StR 34/13 Rn. 2). Das mit Schriftsatz vom ergänzte Beschwerdevorbringen zur Erwiderung auf den Antrag des Generalbundesanwalts, Beweisantrag und Gerichtsbeschluss seien vom Landgericht nicht (rechtzeitig) mit dem schriftlichen Urteil und der Protokollabschrift übersandt worden, hilft darüber nicht hinweg. Das fertiggestellte und zu den Akten genommene Hauptverhandlungsprotokoll (§ 271 StPO) unterliegt zwar gemäß § 147 StPO dem Akteneinsichtsrecht des Verteidigers (, BGHSt 29, 394); einen Anspruch auf Übersendung der in Papierform geführten Akte, erst recht innerhalb einer kürzeren Frist als der des § 345 Abs. 1 StPO, sieht § 32f Abs. 2 StPO aber nicht vor (vgl. [zur insoweit unveränderten Rechtslage vor Inkrafttreten des § 32f StPO] ; dazu ). Dass das Landgericht die dem gesetzlichen Leitbild entsprechende Einsicht in die Verfahrensakten in den Diensträumen versagt oder nur erschwert habe, behauptet die Revision nicht. Sollten die Ausführungen vom als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Begründung der Verfahrensrüge zu verstehen sein, hätte dieser mithin keinen Erfolg. Ein Ausnahmefall zur Nachholung oder Ergänzung von Verfahrensrügen liegt ersichtlich nicht vor (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 242/20 Rn. 9 ff. und vom – 4 StR 152/97).
Die Rüge wäre allerdings auch unbegründet, denn der Ablehnungsbeschluss des Landgerichts weist keinen Rechtsfehler auf.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:100123B1STR464.22.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-32590