BGH Beschluss v. - 1 StR 248/22

Besitz und Verbreitung kinderpornographischer Inhalte: Konkurrenzen bei durchgehendem Besitz und mehreren Verbreitungstaten sowie gleichzeitiger Aufbewahrung von Waffen

Gesetze: § 52 StGB, § 53 StGB, § 184b Abs 1 Nr 1 StGB, § 184b Abs 3 StGB, § 52 Abs 1 Nr 1 WaffG, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: LG München II Az: 3 KLs 25 Js 6154/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „des Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit vorsätzlichem Besitz einer verbotenen Waffe in Tatmehrheit mit Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Schriften in Tatmehrheit mit dem Besitz kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit vorsätzlichem Besitz zweier verbotener Waffen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die als Aufklärungsrüge ausgestaltete Verfahrensrüge ist unzulässig erhoben. Wie von dem Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt, genügt ihre Begründung den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht. Der Angeklagte hat das Beweisergebnis, welches die als unterlassen gerügte Beweiserhebung habe erbringen sollen, weder konkret bezeichnet noch bestimmt behauptet (vgl. ).

32. Der Schuldspruch hält der durch die Sachrüge veranlassten revisionsrechtlichen Nachprüfung nur in Teilen stand. Die konkurrenzrechtliche Beurteilung des Delikts des Besitzes kinderpornographischer Schriften einerseits und des Verstoßes gegen das Waffengesetz andererseits weist einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:

„a) Es liegt nur eine Tat des Besitzes kinderpornographischer Schriften vor.

Grundsätzlich stellt der gleichzeitige Besitz mehrerer kinderpornographischer Schriften nur eine Tat dar, selbst wenn diese sich auf verschiedenen Datenträgern befinden. Dies gilt nur dann nicht, wenn selbständige Verschaffenstaten festgestellt sind (, NStZ-RR 2020, 172, 174 mwN).

Das Landgericht konnte zwar feststellen, dass der Angeklagte sich die verschiedenen Bild- und Videodateien über verschiedene Internet- und Messenger-Dienste verschafft hat (UA S. 17, 19). Auch konnte der IT-forensische Sachverständige für die Handys des Angeklagten jeweils Zeiträume feststellen, innerhalb derer die vorbezeichneten Dateien erstellt oder geändert wurden. Weitere Konkretisierungen hinsichtlich der einzelnen Beschaffungen konnte das Landgericht indes nicht vornehmen, weshalb es zurecht nur von Besitz im Sinne von § 184b Abs. 3 StGB ausgeht (UA S. 48 f.).

Tatsächlich handelt es sich jedoch entgegen der Annahme des Landgerichts nur um eine Tat des Besitzes kinderpornographischer Schriften. Die technische Auswertung der Handys hat ergeben, dass auf einem der beiden erst im Juni 2021 übergebenen Handys (vgl. Tat C.II.3) ungelöschte bzw. im Cache-Speicher (hierzu: , Rn. 17) befindliche temporäre Dateien festgestellt wurden, die bereits im Zeitraum vom bis zum 23. Januar bzw. und damit vor der Durchsuchung und Sicherstellung des ersten Handy Samsung Galaxy (vgl. UA S. 17, Tat C.II.1) am erzeugt wurden (UA S. 34) – ungeachtet der Frage, ob sie zu den genannten Zeitpunkten erstmals erzeugt wurden (UA S. 46). Gleichzeitig hatte der Angeklagte das vorbezeichnete im Juni 2021 übergebene Handy und die darauf befindlichen Dateien auch noch nach der Durchsuchung in Besitz. In diesem Zeitraum gelangte er zusätzlich in Besitz der auf dem weiteren, im Juni 2021 übergebenen Handy festgestellten Dateien. Diese sind jedenfalls im Zeitraum vom bis zum 4. bzw. geändert worden (UA S. 34). Daher hat der Angeklagte im gesamten Tatzeitraum durchgehend die auf dem eingangs bezeichneten Handy gespeicherten Dateien gleichzeitig mit entweder den auf dem einen oder auf dem anderen der beiden weiteren Handys gespeicherten Dateien in Besitz gehabt. Deshalb verknüpft der Besitz der Dateien auf diesem Handy den Besitz sämtlicher übriger Dateien, so dass nur eine Tat vorliegt. Dass allein die Durchsuchung eine Zäsur darstellen könnte, so dass sich der Angeklagte danach im Hinblick auf die beiden verbliebenen Handys erneut wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften schuldig gemacht haben könnte, ist auch in Anbetracht der Einlassung des Angeklagten, er habe ein Mobiltelefon nach der Durchsuchung versteckt (UA S. 29), nicht ersichtlich. Denn die Durchsuchung hat das Dauerdelikt des Besitzes kinderpornographischer Schriften nur vorübergehend unterbrochen. Dadurch wird jedoch die Einheitlichkeit der Tat nicht unterbrochen (vgl. Rissing-van Saan in: StGB Leipziger Kommentar, 13. Auflage 2020, Vor §§ 52 ff.; Rn. 65).

b) Hingegen stellt sich das Versenden des Videos am (Tat C.II.2; UA S. 19) auch dann als eine selbständige Tat dar, wenn der Angeklagte das Video zuvor und danach in Besitz hatte. Denn ein durchgehender Besitz ist nicht in der Lage, mehrere selbständige Verbreitungstaten zu verklammern. Der Tatbestand des Besitzes bleibt in seinem strafrechtlichen Unwert, wie er in der Strafandrohung zum Ausdruck kommt, hinter demjenigen der Verbreitung zurück (vgl. , Rn. 21 mwN). Anders läge der Fall nur, wenn der Besitz der betreffenden kinderpornographischen Schrift in zeitlicher oder quantitativer Hinsicht über den für das Verbreiten erforderlichen Besitz hinausgeht (vgl. , Rn. 19 mwN). Hierfür ergeben sich aus den Urteilsgründen indes keine Anhaltspunkte. […]

c) Der Besitz des Butterflymessers und der Wurfsterne steht nicht in Tateinheit mit dem Besitz kinderpornographischer Schriften. Dies wäre nur dann der Fall, wenn zwischen beiden Besitzlagen ein funktionaler Zusammenhang bestünde (vgl. zum gleichzeitigen Besitz von Betäubungsmitteln und Waffen: Patzak/Volkmer/Fabricius/Patzak, 10. Auflage 2022, BtMG § 29 Rn. 1098a [; Rn. 7 mwN]). Ein solcher ist hier angesichts der Einlassung des Angeklagten, er habe das Butterflymesser schon sehr lange in einer Schublade liegen (UA S. 30), und angesichts des Umstandes, dass das Butterflymesser und die Wurfsterne tatsächlich in einem Schrank lagen (UA S. 30, 31), nicht gegeben. Nicht einmal eine Aufbewahrung der Waffen und der Handys, auf denen sich die kinderpornographischen Dateien befanden, am selben Ort konnte festgestellt werden. Auch die Durchsuchung am ändert an dieser Beurteilung nichts. Denn der Angeklagte hat danach seinen bis dahin ausgeübten Besitz der unentdeckten Waffen schlicht fortgesetzt (vgl. Erbs/Kohlhaas/Pauckstadt-Maihold/Lutz, 240. EL April 2022, WaffG § 52 Rn. 100; , NStZ 2020, 359).

d) Der Schuldspruch ist daher wie beantragt zu ändern. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.“

4Diesen Ausführungen verschließt sich der Senat nicht. Er ändert den Schuldspruch zu den Fällen C.II.1 und C.II.3 der Urteilsgründe entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 StPO analog).

53. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das Tatgericht ohne den aufgezeigten Rechtsfehler zu einer für den Angeklagten günstigeren Bemessung der betroffenen Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe gekommen wäre. Die Einzelstrafen für die Taten C.II.1 und C.II.3 der Urteilsgründe, welche die Strafkammer rechtsfehlerhaft als zwei gesonderte Taten des Besitzes kinderpornographischer Schriften – jeweils in Tateinheit mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen das Waffengesetz – gewertet hat, können keinen Bestand haben. Der neue Tatrichter hat insoweit eine eigene Strafzumessung vorzunehmen. Entsprechendes gilt für die gleichfalls neu zu bildende Gesamtstrafe.

6Der Senat hebt vorsorglich auch die von der Strafkammer zum Strafausspruch getroffenen Feststellungen auf. Zwar handelt es sich bei der rechtsfehlerhaften Beurteilung der Konkurrenzen um einen bloßen Wertungsfehler, welcher die getroffenen Feststellungen an sich nicht berührt. Die Strafkammer hat aber bei der Prüfung der erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten (§ 21 StGB) aufgrund seiner Störung der Sexualpräferenz unter anderem – für sich genommen rechtsfehlerfrei – auf eine „zunehmende Frequenz der devianten Handlungen“ abgestellt (UA S. 39). Zu deren Beleg hat die Strafkammer (auch) angeführt, dass der Angeklagte „nach der ersten Durchsuchung bei ihm dafür Sorge getragen habe, dass eines der weiteren Telefone im Falle einer neuerlichen Durchsuchung nicht gefunden werde, indem er es sorgfältig hinter einem Schrank versteckte“ (UA S. 43). Bei der „ersten Durchsuchung“ handelt es sich um eine der vermeintlich ersten hiesigen Tat (Fall C.II.1 der Urteilsgründe) zugrundeliegende Ermittlungsmaßnahme (UA S. 46); das in Bezug genommene „weitere Telefon“ bildet einen Gegenstand der hier angenommenen dritten Tat (Fall C.II.3 der Urteilsgründe). Der Angeklagte sei „trotz des gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahrens nicht in der Lage [gewesen], […] sich etwa davon abhalten zu lassen, auch […] weiterhin Kinderpornographie zu konsumieren (UA S. 46). Dies lässt letztendlich besorgen, dass die Strafkammer sich bei der Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten von dem rechtsfehlerhaften Gedanken habe leiten lassen können, der Angeklagte habe innerhalb eines Zeitraums von weniger als einem Jahr nicht eine, sondern zwei Straftaten des Besitzes kinderpornographischer Schriften begangen.

74. Die Aufhebung des Strafausspruchs einschließlich der Feststellungen führt hier auch zur Aufhebung der Unterbringungsanordnung gemäß § 63 StGB. Denn diese ist untrennbar mit den Feststellungen zum Strafausspruch verbunden, aus denen sich die Voraussetzungen der positiv festgestellten erheblich verminderten Schuldfähigkeit ergeben (vgl. Rn. 9).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:210922B1STR248.22.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-30210