BGH Urteil v. - 5 StR 372/21

Geldwäsche: Erfüllung des Qualifikationstatbestands nur durch Verpflichteten; Anordnung einer nach neuem Recht zulässigen Einziehung

Leitsatz

1. Den Qualifikationstatbestand des § 261 Abs. 4 StGB n.F. erfüllt nur, wer bei der Geldwäsche in Ausübung seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, die ihn zum Verpflichteten nach § 2 des Geldwäschegesetzes macht.

2. Ist die Anwendung einer neuen Gesetzesvorschrift geboten, weil sie gegenüber der zur Tatzeit geltenden die geringere Strafe vorsieht, kann eine nach der neuen Vorschrift zulässige Einziehung auch angeordnet werden, wenn dies nach der früheren Vorschrift rechtlich nicht möglich war. Die Beurteilung teilweise nach der alten und teilweise nach der neuen Vorschrift ist auch mit Blick auf § 2 Abs. 5 StGB nicht zulässig.

Gesetze: § 2 Abs 3 StGB, § 2 Abs 5 StGB, § 73 Abs 1 StGB, § 261 Abs 4 StGB, § 261 Abs 10 StGB, § 2 GwG, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: Az: 9 KLs 370 Js 6346/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in drei Fällen, Betruges in fünf Fällen und Geldwäsche in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der auf die nicht ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Sein Rechtsmittel hat im Strafausspruch und hinsichtlich der Einziehungsentscheidung teilweise Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

31. Im Zeitraum vom 13. bis (Fall II.1), vom 31. Januar bis (Fall II.2) und vom 7. bis (Fall II.3) verschaffte sich der Angeklagte in Kenntnis der inkriminierten Herkunft von anderen Personen entwendete Lenkräder inklusive Airbags der Marken BMW und Mercedes sowie einen einzelnen Airbag der Marke BMW, um diese gewinnbringend für sich zu verwenden und sich durch die wiederholte Tatbegehung eine Einnahmequelle von einiger Dauer und von einigem Umfang zu verschaffen. Die Lenkräder aus Fall II.2 veräußerte er von Ende Januar bis Mitte März 2020 über eBay Kleinanzeigen an Käufer, die er über die inkriminierte Herkunft der Teile und seine fehlende Veräußerungsbefugnis täuschte, so dass jene daran kein Eigentum erwerben konnten und jeweils in Höhe der Kaufpreiszahlung einen Schaden erlitten, wobei der Angeklagte gewerbsmäßig handelte (Fälle II.4 bis 8).

42. Aus vergleichbaren früheren Straftaten des gewerbsmäßigen Verkaufs gestohlener Fahrzeugteile, insbesondere von Lenkrädern unter Verschleierung der deliktischen Herkunft, erzielte der Angeklagte in den Jahren 2015 bis Ende 2018 wiederholt erhebliche Einnahmen. Um diese vor den Ermittlungsbehörden zu verbergen und die Einziehung zu verhindern, erwarb er unter Einschaltung von Scheinkäufern- und haltern aus seinem Bekannten- und Familienkreis am einen Pkw BMW für 20.000 Euro (Fall II.9) und am einen Pkw Mercedes Benz, der auf Veranlassung des Angeklagten am zum Preis von 15.000 Euro zuzüglich eines weiteren Betrages von 3.000 Euro für Felgen an einen gutgläubigen Dritten verkauft wurde (Fall II.10). Beide Fahrzeuge – den Pkw Mercedes Benz bis zu dessen Verkauf – nutzte der Angeklagte als wirtschaftlich Berechtigter.

53. Das Landgericht hat die Taten in den Fällen II.1 bis II.3 als gewerbsmäßige Hehlerei und die Taten in den Fällen II.4 bis II.8 als Betrug gewertet und dafür Einzelstrafen von zehn Monaten bis zu drei Jahren und sechs Monaten festgesetzt. Die durch die Hehlereitaten erlangten Gegenstände hat es eingezogen, hinsichtlich der Erlöse aus den abgeurteilten Betrugstaten hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet.

6Wegen der Taten in den Fällen II.9 und II.10 hat es den Angeklagten der Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4, Abs. 9 Satz 3 StGB (in der Fassung des Gesetzes vom ) schuldig gesprochen und Einzelstrafen von zehn Monaten verhängt. Den Pkw BMW (Fall II.9) hat es als Tatobjekt nach § 74 Abs. 2, § 261 Abs. 7 StGB a.F. eingezogen; im Fall II.10 (Pkw Mercedes) hat es die Einziehung von Wertersatz nach § 74 Abs. 2, § 74c Abs. 1 StGB, § 261 Abs. 7 StGB a.F. in Höhe von 15.000 Euro angeordnet.

7Zudem hat es die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 22.936,16 Euro angeordnet sowie „die erweiterte Einziehung von 92.800 Euro, aufgefunden in [mehreren] Schließfächern“.

II.

8Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Indes können die Einzelstrafen in den Fällen II.9 und II.10, der Gesamtstrafausspruch, die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 22.936,16 Euro und die Einziehung von Gegenständen, die unter Verweis auf Nummern in der Anklageschrift bezeichnet worden sind, keinen Bestand haben.

91. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft in den Fällen II.9 und II.10 die Strafen dem Strafrahmen des § 261 Abs. 1 StGB in der Fassung des Gesetzes vom entnommen, der Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorsah, statt dem Strafrahmen des nach § 2 Abs. 3 StGB anzuwendenden § 261 Abs. 1 StGB in der seit dem geltenden Fassung.

10a) Der Tatbestand des § 261 StGB ist vor dem erstinstanzlichen Urteil durch das Gesetz zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche vom (BGBl. I S. 327 ff.) neu gefasst worden. Der Strafrahmen für das vorsätzlich begangene Grunddelikt hat sich insofern geändert, als er nicht mehr bei einer erhöhten Mindeststrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe beginnt, sondern allgemein Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorsieht. An der bisher erhöhten Mindeststrafe wurde nicht länger festgehalten, da mit dem Verzicht des Gesetzgebers auf einen selektiven Vortatenkatalog (vgl. § 261 Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB a.F.) eine erhebliche Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 261 StGB auch auf Vortaten aus dem Bereich der weniger schwerwiegenden Kriminalität verbunden ist (vgl. BT-Drucks. 19/24180, S. 19).

11b) Vor diesem Hintergrund ist § 261 Abs. 1 StGB n.F. gemäß § 2 Abs. 3 StGB das mildeste Gesetz. Die mit der Neufassung des Gesetzes verbundenen Erweiterungen hinsichtlich der Nebenfolgen (§ 261 Abs. 10 StGB n.F.) ändern daran nichts.

12aa) Das mildere von zwei Gesetzen ist dasjenige, welches anhand des konkreten Falls nach einem Gesamtvergleich des früher und des derzeit geltenden Strafrechts das dem Angeklagten günstigere Ergebnis zulässt (st. Rspr.; , NStZ 2018, 652, 653 mwN). Dabei ist der Grundsatz strikter Alternativität zu beachten: Es kann nur entweder die frühere oder die neue Gesetzesvorschrift in ihrer Gesamtheit angewendet werden; eine Beurteilung teilweise nach der alten und teilweise nach der neuen Vorschrift ist nicht zulässig (, NJW 1965, 1723 f.; vom – 2 StR 527/70, BGHSt 24, 94, 97; vom – 5 StR 523/90, BGHSt 37, 320, 322; vom – 3 StR 508/96, NJW 1997, 951; vom – 3 StR 89/11, BGHR StGB § 2 Abs. 3 Mildere Strafe 3; vom – 3 StR 314/13, NStZ 2014, 586, 587; Beschlüsse vom – 4 StR 460/99, NStZ 2000, 136; vom – 3 StR 363/82, NStZ 1983, 80; vom – 3 StR 167/14, wistra 2015, 148 Rn. 30). Dieser in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem anerkannte Grundsatz ist Ausdruck der Gesetzesbindung und dient damit der Rechtssicherheit. Denn jedes Gesetz wird als eine Einheit erlassen, deren Teile aufeinander abgestimmt sind; daher würde der Sinn des Gesetzes verletzt werden, wenn der Richter aus dieser Einheit einzelne Teile herausnehmen und durch Teile eines anderen, früher oder später erlassenen Gesetzes ersetzen würde (vgl. RGSt 74, 132). An diesem, vom Verfassungsgericht gebilligten Grundsatz ( Rn. 26) hält der Senat fest.

13Danach ist in aller Regel eine abgestufte Prüfungsreihenfolge einzuhalten: Zunächst muss feststehen, dass bei beiden (oder mehreren) in Betracht kommenden Gesetzesfassungen die Strafbarkeit fortbesteht. Sodann ist unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalles das mildeste Gesetz zu ermitteln. Hierbei sind zuerst die nach beiden Gesetzen zulässigen Hauptstrafen miteinander zu vergleichen. Erst wenn sich daraus das mildere Gesetz nicht ergibt, kann es auf Nebenstrafen und Nebenfolgen ankommen (, NJW 1965, 1723).

14bb) Da der Angeklagte den Tatbestand der Geldwäsche sowohl nach § 261 Abs. 1 iVm Abs. 9 Satz 2 Nr. 4 Buchst. a StGB a.F. als auch nach § 261 Abs. 1 iVm Abs. 7 StGB n.F. erfüllt hat, kommt es auf einen Vergleich der Hauptstrafen an. Die geltende Gesetzesfassung des § 261 Abs. 1 StGB droht gegenüber der bisherigen Fassung keine erhöhte Mindeststrafe an und lässt auch die Verhängung einer Geldstrafe zu; mithin ist sie das mildeste Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB.

15cc) Aus dem Qualifikationstatbestand des § 261 Abs. 4 StGB n.F., der für Geldwäschestraftaten von Verpflichteten nach § 2 des Geldwäschegesetzes (GwG) eine höhere, dem § 261 Abs. 1 StGB a.F. entsprechende Strafandrohung (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren) vorsieht, ergibt sich nichts anderes. Denn dessen Voraussetzungen liegen nicht vor.

16(1) Der Angeklagte beging die Taten nicht „als Verpflichteter nach § 2 des Geldwäschegesetzes“ im Sinne des § 261 Abs. 4 StGB n.F. Die Vorschrift soll in Einklang mit den Vorgaben der am in Kraft getretenen Richtlinie (EU) 2018/1673 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche (ABl. L 284 vom , S. 22) nur dann gelten, wenn der Täter „in Ausübung seines Gewerbes oder Berufs, der ihn zum Verpflichteten macht,“ handelt; „strafrechtlich relevante Handlungen außerhalb der besonderen geldwäscherechtlichen Verantwortung“ sind hingegen von dem Qualifikationstatbestand ausgenommen und werden bloß vom Grundtatbestand des § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB n.F. erfasst. Dies wird gesetzestechnisch dadurch erreicht, dass bereits der von § 261 Abs. 4 StGB n.F. in Bezug genommene § 2 GwG die Verpflichteteneigenschaft daran knüpft, dass die maßgebliche Handlung von dem Täter „in Ausübung [seines] Gewerbes oder Berufs“ vorgenommen wird; eine Person, die außerhalb des in § 2 GwG aufgelisteten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeitsbereichs handelt, wird nicht erfasst (BT-Drucks. 19/24180, S. 17). Den Qualifikationstatbestand des § 261 Abs. 4 StGB n.F. erfüllt mithin nur, wer bei der Geldwäsche in Ausübung der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, die ihn zum Verpflichteten nach § 2 des Geldwäschegesetzes macht.

17Der Angeklagte kaufte und verkaufte die Pkw in den Fällen II.9 und II.10 nicht im Rahmen des von ihm betriebenen (betrügerischen) Handels mit gestohlenen Kfz-Teilen, sondern wollte mit diesen Geschäften vielmehr die Beute aus seinen vorangegangenen Straftaten sichern, indem er die Taterlöse durch den Erwerb unbemakelter Fahrzeuge – ausschließlich zu privaten Zwecken – im Sinne von § 261 Abs. 7 StGB n.F. in den Verkehr brachte und dabei deren rechtswidrige Herkunft verschleierte. Diese Selbstgeldwäschehandlungen beging er mithin nicht „in Ausübung seines Gewerbes oder Berufs.“

18(2) Der Senat muss daher nicht entscheiden, ob der Angeklagte überhaupt zu dem Personenkreis der in § 2 GwG genannten Verpflichteten gehört. Notwendig wäre insoweit, dass in seiner Person die Voraussetzungen des – hier allein in Betracht kommenden – Güterhändlers gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 16 GwG vorlägen. Nach den Feststellungen erzielte er zwar aus Hehlerei- und Betrugshandlungen ein Einkommen und handelte gewerbsmäßig. Ob eine ausschließlich illegale Betätigung – wie hier – dem § 2 GwG unterfällt, ist indes umstritten. In Anlehnung an die Gesetzesmaterialien zum früheren Recht wurde der Gewerbebegriff bisher im Sinne der GewO interpretiert (BT-Drucks. 12/2704 S. 14 zu § 3 GwG 1993). Dass der Gesetzgeber bei den aktuellen Änderungen des GwG hieran festhalten wollte, wird zwar von Teilen der Literatur bezweifelt (zum Meinungsstand vgl. Kaetzler in: Zentes/Glaab, Frankfurter Kommentar zum Geldwäschegesetz, 2. Aufl., § 1 Rn. 81, 91, 93; Erbs/Kohlhaas/Häberle, Strafrechtliche Nebengesetze, EL April 2022, GwG § 1 Rn. 10; Helmrich, Handelsunternehmen und Geldwäsche, NJW 2009, 3686; BeckOK-GwG/Krais, 10. Ed. § 1 Abs. 9 Rn. 6); dass er seine frühere Auffassung aufgeben wollte, ist den Materialien aber auch nicht zu entnehmen. Die Frage kann indes aus den genannten Gründen letztlich offenbleiben.

19c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht, welches sich ersichtlich am unteren Rand des Strafrahmens des § 261 Abs. 1 StGB a.F. orientiert hat, bei zutreffender Strafrahmenwahl niedrigere Einzelstrafen oder Geldstrafen verhängt hätte; er hebt daher die Einzelstrafen in den Fällen II.9 und II.10 auf. Damit ist auch dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage entzogen.

20Der Aufhebung der zugehörigen Feststellungen bedarf es nicht. Den zugunsten des Angeklagten wirkenden Wertungsfehler, der in der strafmildernden Berücksichtigung der Einziehungsentscheidungen nach §§ 73, 73a, 73c StGB liegt (vgl. , NStZ 2018, 366, 367) wird das neue Tatgericht allerdings in den Blick zu nehmen haben.

212. Die Anordnung der Einziehung des Pkw BMW (Fall II.9) kann im Ergebnis bestehen bleiben.

22a) Allerdings hat das Landgericht seine Entscheidung auf § 74 Abs. 2 StGB iVm § 261 Abs. 7 StGB a.F. gestützt und hierbei verkannt, dass danach nur eine Einziehung des durch die Geldwäsche erlangten Vermögensgegenstands als Tatobjekt in Betracht kam (st. Rspr.; vgl. Rn. 29; Urteil vom – 2 StR 185/20 Rn. 56 mwN).

23Der Pkw BMW ist jedoch nicht Tatobjekt der (Selbst-)Geldwäschehandlung nach § 261 Abs. 9 Satz 3 iVm Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. gewesen, sondern der dem Käufer zugeführte Kaufpreis in Höhe von 20.000 Euro, durch dessen Zahlung der Angeklagte den Erlös aus rechtswidrigen Vortaten in den Verkehr brachte. Erst hierdurch wurde der gezahlte Kaufpreis zum Geldwäscheobjekt. Die Einziehungsentscheidung beruht aber nicht auf diesem Rechtsfehler (§ 337 StPO).

24b) Auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen wäre der Pkw als das vom Angeklagten durch die Geldwäschetat Erlangte gemäß der Neufassung des § 261 Abs. 10 Satz 3 StGB iVm § 73 Abs. 1 StGB einzuziehen gewesen. Denn § 261 StGB n.F. ist auch insoweit als das mildeste Gesetz im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB einschlägig (vgl. Ausführungen unter II.1), obgleich die nach der Neufassung des § 261 StGB vorrangig und zwingend anzuwendenden §§ 73 ff. StGB (vgl. § 261 Abs. 10 StGB n.F.) im Vergleich zu der nach altem Recht allein anwendbaren, im Ermessen des Gerichts stehenden Anordnung nach §§ 74, 74c StGB (vgl. § 261 Abs. 7 StGB a.F.) isoliert betrachtet für den Angeklagten ungünstiger sein können (vgl. zur leichtfertigen Selbstgeldwäsche ). Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann in einem Fall, in dem die Anwendung einer neuen Gesetzesvorschrift geboten ist, weil sie gegenüber der zur Tatzeit geltenden die geringere Strafe vorsieht, eine nach der neuen Vorschrift zulässige Einziehung auch angeordnet werden, wenn dies nach der früheren Vorschrift rechtlich nicht möglich war (, NJW 1965, 1723).

25Dies gilt auch unter Berücksichtigung von § 2 Abs. 5 StGB, der erst nach der zitierten Entscheidung in Kraft getreten ist. Denn die Vorschrift, die für die Einziehung und Unbrauchbarmachung auf die Regelungen in § 2 Abs. 1 bis 4 StGB verweist, gebietet es – entgegen einer in der Literatur verbreiteten Auffassung (vgl. – insoweit teilweise den Grundsatz strikter Alternativität insgesamt in Frage stellend – Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., 1. Buch, 2. Kapitel, 4. Abschnitt Rn. 78; Maurach-Zipf/AT § 12 III Rn. 14; MüKo-StGB/Schmitz, 4. Aufl., § 2 Rn. 73; AnwK-StGB/Gaede, 3. Aufl., § 2 Rn. 10; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 2 Rn. 32; GJW/Bock, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 2 StGB Rn. 60; Matt/Renzikowski/Basak, StGB, 2. Aufl., § 2 Rn. 10; SK-StGB/Jäger, 9. Aufl., § 2 Rn. 51) – nicht, vom Grundsatz der strikten Alternativität abzuweichen. Das in § 2 Abs. 3 StGB niedergelegte Meistbegünstigungsprinzip zwingt nicht zu einer gemischten Anwendung von Teilen nebeneinanderstehender Regelungen. Das ergibt sich aus Folgendem:

26aa) Wortlaut und Gesetzessystematik bieten keine Grundlage für die gegenteilige Auffassung der Literatur. Die in § 2 Abs. 5 StGB enthaltene Anordnung einer entsprechenden Anwendung der Absätze 1 bis 4 des § 2 StGB besagt – anders als bei den Maßregeln der Besserung und Sicherung, die in § 2 Abs. 6 StGB eine Sonderregelung erfahren haben – nur, dass für die Maßnahmen der Einziehung und Unbrauchbarmachung die gleichen Maßstäbe wie für Strafen anzuwenden sind. Die Vorschrift hat aber keine eigenständige Bedeutung dahingehend, dass sie unabhängig von der Frage der Strafbarkeit an sich oder der mildesten Strafdrohung stets die mildeste Nebenfolge zur Anwendung gelangen ließe. Sie kommt vielmehr erst zur Anwendung, wenn sich beim Vergleich der Hauptstrafen das mildeste Gesetz nicht ermitteln lässt oder sich allein die Vorschriften über die Einziehung und Unbrauchbarmachung ändern oder bei selbständiger Anordnung solcher Maßnahmen.

27bb) Auch aus der Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 5 StGB lässt sich kein Argument für die gegenteilige Auffassung herleiten. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass mit Einführung des § 2 Abs. 5 StGB eine Ausnahme vom – dem Gesetzgeber zu dieser Zeit bekannten – Grundsatz der strikten Alternativität geschaffen werden sollte. Mit § 2 Abs. 5 StGB sollten vielmehr allein die Vorschriften über die zeitliche Geltung der Strafgesetze für den (damaligen) Verfall, die Einziehung und Unbrauchbarmachung für entsprechend anwendbar erklärt werden, weil dies vor dem Hintergrund uneinheitlicher Entscheidungen des Bundesgerichtshofs geboten war, um die Rechtsprechung auf eine sichere Grundlage zu stellen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte über die bedeutsame Frage der zeitlichen Geltung solcher Maßnahmen nur einheitlich entschieden werden (vgl. E 1962, Begr. BT-Drucks. IV/650 S. 107 f.). Diesem Ziel des Gesetzgebers würde eine gemischte Anwendung verschiedener Gesetzesfassungen gerade zuwiderlaufen.

28cc) Zudem sprechen systematische Erwägungen für das hier gefundene Ergebnis. Mit Art. 307 EGStGB hatte der Gesetzgeber im Jahr 1975 eine Übergangsvorschrift für den (damaligen) Verfall geschaffen, nachdem das bis dahin geltende Recht die Abschöpfung der vom Täter durch die Tat erlangten Gegenstände oder des für die Tat erlangten Entgelts nur bei einer geringen Zahl von Tatbeständen vorsah (vgl. § 109 E 1962, Begr. BT-Drucks. IV/650 S. 239, 241). Allgemeine Vorschriften zur Einziehung und zum Verfall fanden erstmals durch das Zweite Gesetz zur Reform des Strafrechts, Nebengesetze und Verordnungen (2. StrRG) im selben Jahr Aufnahme ins Strafgesetzbuch. Nach der Übergangsvorschrift sollten die neuen Regelungen auf Taten, die vor dem Stichtag begangen wurden, nur angewandt werden, wenn das alte Recht den Verfall oder die Einziehung schon vorgesehen hatte; sofern das alte Recht milder war, sollte es bei dessen Anwendung bleiben. Diese Übergangsregelung wäre entbehrlich gewesen, wenn der historische Gesetzgeber den zeitgleich eingeführten § 2 Abs. 5 StGB als eine Sonderregelung verstanden hätte, die in Ausnahme vom Grundsatz der strikten Alternativität stets die Anwendung der mildesten Nebenfolge verlangte.

29dd) Das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) steht der hier gefundenen Lösung nicht entgegen. Die inmitten stehende Einziehung nach §§ 73, 73c StGB hat schon keinen strafähnlichen Charakter. Die Vermögensabschöpfung, wie sie durch das Reformgesetz vom geregelt wurde, ist – wie schon nach den zuvor geltenden Vorschriften zum Verfall (vgl. , BVerfGE 110, 1, 13 ff.) – keine dem Schuldgrundsatz unterliegende Nebenstrafe, sondern eine Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) eigener Art mit kondiktionsähnlichem Charakter (, wistra 2022, 243 Rn. 67; Beschluss vom – 2 BvL 8/19, BVerfGE 156, 354 Rn. 106; , NStZ 2018, 400). Schon deshalb kann auch insoweit die in der Literatur mit Hinweis auf den strafähnlichen Charakter der Maßnahmen vertretene gegenteilige Auffassung (vgl. MüKo-StGB/Schmitz, 4. Aufl., § 2 Rn. 73; Matt/Renzikowski/Basak, StGB, 2. Aufl., § 2 Rn. 10; SK-StGB/Jäger, 9. Aufl., § 2 Rn. 51; NK-StGB/Hassemer/Kargl, 5. Aufl., § 2 Rn. 56), nicht überzeugen (vgl. LK/Dannecker/Schuhr, StGB, 13. Aufl., § 2 Rn. 165).

303. Die Anordnung der Einziehung von Wertersatz in Höhe von 15.000 Euro im Fall II.10 erweist sich aus den gleichen Gründen als rechtsfehlerhaft; jedoch beruht auch insoweit das Urteil darauf nicht (§ 337 StPO). Denn das Landgericht hätte zwingend den Wert des nicht mehr im Vermögen des Angeklagten vorhandenen Pkw nach § 73 Abs. 1, § 73c iVm § 261 Abs. 10 Satz 3 StGB n.F. einziehen müssen. Nach den Feststellungen betrug dieser mindestens 15.000 Euro.

314. Die Einziehungsentscheidung hinsichtlich des Betrages in Höhe von 92.800 Euro, der dem Wert des in den Schließfächern der Nebenbeteiligten    S.      M.     vorhandenen Bargeldes entspricht, hat mit der aus dem Tenor ersichtlichen Klarstellung ebenfalls Bestand.

32a) Nach den Feststellungen befanden sich in Schließfächern der Nebenbeteiligten bei der Sparkasse H.        und der Landessparkasse zu O.       insgesamt 178.175 Euro Bargeld und Goldschmuck. Bargeld in Höhe von 25.000 Euro (Landessparkasse zu O.       ) und in Höhe von 67.800 Euro (Sparkasse H.       ) hat das Landgericht dem Angeklagten zugeordnet, wobei er dieses aus anderen rechtswidrigen Taten mittels Verkaufs von Autoteilen illegaler Herkunft in den Jahren 2015 bis 2017/2018 erlangt hatte.

33b) Entgegen dem missverständlichen Wortlaut des Urteilstenors hat das Landgericht keine unzulässige erweiterte Einziehung des Surrogats von Taterträgen angeordnet (vgl. ; vom – 5 StR 603/18, NStZ 2020, 661). Vielmehr hat es seine Einziehungsentscheidung zutreffend auf § 73a Abs. 1, § 73c StGB gestützt. Insoweit handelt es sich im Tenor ersichtlich um ein offenkundiges Fassungsversehen, das ohne Weiteres auch auf die Revision des Angeklagten berichtigt werden kann (vgl. , NStZ-RR 2014, 16).

345. Die Anordnung der erweiterten Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 22.936,16 Euro erweist sich dagegen als durchgreifend rechtsfehlerhaft.

35a) Insoweit hat das Landgericht lediglich festgestellt, dass der Angeklagte im Zeitraum bis über die abgeurteilten Taten hinaus Einnahmen in der genannten Höhe durch den Verkauf inkriminierter Fahrzeugteile erlangte. Dies trägt die Einziehungsanordnung nicht.

36Die erweiterte Einziehung von nicht aus verfahrensgegenständlichen Taten erlangten Gegenständen (§ 73a Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) setzt voraus, dass diese Vermögenswerte bei der Begehung einer Anknüpfungstat im Vermögen des Angeklagten gegenständlich vorhanden waren (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 327/21; vom – 5 StR 447/20, jeweils mwN). Dahingehende Feststellungen hat das Landgericht nicht getroffen.

37Den Urteilsgründen ist zwar zu entnehmen, dass die auf dem vom Angeklagten genutzten PayPal-Konto einer seiner Schwestern eingegangenen Gutschriften stets unmittelbar nach Einzahlung in bar abgehoben und ihm übergeben wurden. Zu welchem Zeitpunkt und in jeweils welcher Höhe der Angeklagte die Vermögenswerte erlangte, hat das Landgericht aber nicht festgestellt.

38b) Über die Einziehung muss deshalb insoweit neu verhandelt und entschieden werden. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben und um solche ergänzt werden, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen. Das neue Tatgericht wird zu prüfen haben, ob der Angeklagte über die Vermögenswerte bereits mit Eingang auf dem PayPal-Konto der Schwester verfügte oder erst mit Übergabe der Gelder (vgl. für juristische Personen , NZWiSt 2022, 326 Rn. 88 mwN). Wegen des Vorrangs der Einziehung gemäß § 73 Abs. 1 StGB wird es zudem aufzuklären haben, ob die inmitten stehenden Beträge möglicherweise bestimmten früheren Straftaten konkret zugeordnet werden können, so dass eine erweiterte Einziehung des Wertersatzes von Taterträgen ausscheidet (vgl. Rn. 13).

396. Der Senat hebt die im Urteil angeordnete Einziehung von Gegenständen, die unter Verweis auf Nummern der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom bezeichnet wurden, mangels hinreichender Bestimmtheit auf. Eine der Anregung des Generalbundesanwalts folgende Korrektur durch den Senat kommt nicht in Betracht, da sich die Einziehungsgegenstände nicht eindeutig aus der Zusammenschau von Urteilsformel und Gründen ergeben (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 312/20, vom – 4 StR 372/20, jeweils mwN). Die in der Anklageschrift unter Ziffer VII. aufgeführten Nummern, auf die im Tenor des Urteils verwiesen wird, sind überwiegend nur pauschal benannt und können den aus den Urteilsgründen ersichtlichen Gegenständen nicht zugeordnet werden (z.B. Nr. 17. „9 Lenkräder BMW“). Zudem stimmt die sich hieraus ergebende Summe nicht mit der dem Urteil zu entnehmenden Anzahl der Lenkräder überein. Dem neuen Tatgericht wird eine bestimmte Bezeichnung der einzuziehenden Gegenstände möglich sein, weshalb der Senat die Sache auch insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverweist.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:080822U5STR372.21.0

Fundstelle(n):
NJW 2023 S. 10 Nr. 3
NJW 2023 S. 460 Nr. 7
NJW 2023 S. 464 Nr. 7
wistra 2023 S. 110 Nr. 3
AAAAJ-29183