BGH Beschluss v. - IV ZR 305/21

Betriebsschließungsversicherung: Versicherungsschutz für Betriebsschließung eines Catering-Service im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie

Gesetze: § 2 CoronaVV BE, § 3 CoronaVV BE, § 4 CoronaVV BE, § 543 Abs 2 S 1 Nr 1 ZPO

Instanzenzug: OLG Celle Az: 8 U 119/21 Urteilvorgehend Az: 2 O 236/20 Urteil

Gründe

1I. Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin gegen die Beklagte Ansprüche aus einer bei dieser seit dem gehaltenen Betriebsschließungsversicherung wegen der Einstellung des Betriebs eines Catering-Service im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie zustehen.

2Dem Versicherungsvertrag liegt unter anderem das Bedingungswerk "B                                 " (im Folgenden: AVB) zugrunde. Diese Bedingungen lauten auszugsweise:

"1. Gegenstand der Versicherung

1.1 In Erweiterung … gewährt der Versicherer Versicherungsschutz für den Fall, dass von der zuständigen Behörde

1.1.1 der versicherte Betrieb oder eine Betriebsstätte des versicherten Betriebes zur Verhinderung oder Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserregern beim Menschen geschlossen wird. Als Schließung ist es auch anzusehen, wenn sämtliche Betriebsangehörige Tätigkeitsverbote erhalten oder für die Fortführung des Betriebes wesentliche Betriebsangehörige mit einem Tätigkeitsverbot belegt werden, so dass die übrigen Betriebsangehörigen tatsächlich oder rechtlich außerstande sind, den Betrieb fortzuführen (faktische Betriebsschließung). Versicherungsschutz besteht auch, wenn nur Teile des Betriebes von der Schließung betroffen sind.

1.3 Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die im Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) in der jeweils zum Schadenzeitpunkt aktuellen Fassung in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger.

…"

3II. Das Landgericht hat die Klage, mit welcher die Klägerin Versicherungsleistungen für den Zeitraum vom 14. März bis , in dem sie ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hatte, geltend macht, abgewiesen; das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht ausgeführt: Zum einen fehle es mit Blick auf den Betriebsgegenstand der Klägerin an einer Schließung durch die zuständige Behörde. Catering falle nicht unter die Betriebsarten, deren Schließung Gegenstand der Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in B    vom (SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung - SARS-CoV-2-EindV; GVBl. für B    , 76. Jahrgang, Nr. 10, S. 210; im folgenden SARS-CoV-2 EindV) gewesen sei. Zum anderen scheitere unabhängig davon ein Anspruch der Klägerin daran, dass im streitgegenständlichen Zeitraum vom 14. März bis weder COVID-19 als Krankheit noch SARS-CoV oder SARS-CoV 2 als Krankheitserreger in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung von §§ 6 und 7 IfSG namentlich aufgeführt gewesen seien. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche auf Versicherungsleistungen weiter.

4III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor; der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

51. a) Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO, die das Berufungsgericht angenommen hat, setzt voraus, dass die Rechtssache eine Rechtsfrage als im konkreten Fall entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig aufwirft, und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Senatsbeschlüsse vom - IV ZR 269/20, FamRZ 2021, 1068 Rn. 13; vom - IV ZR 153/18, FamRZ 2020, 287 Rn. 9; jeweils m.w.N.). Klärungsbedürftig ist eine Rechtfrage dann, wenn sie vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird oder in den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen dazu vertreten werden (Senatsbeschluss vom aaO).

6b) Soweit das Berufungsgericht die Zurückweisung der Berufung damit begründet hat, einem Anspruch der Klägerin stehe schon entgegen, dass die zuständige Behörde den Betrieb der Klägerin nicht geschlossen habe und allein das Eintreten eines Umsatzeinbruchs nicht versichert sei, fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung.

7Insoweit ist nicht ersichtlich, dass in den beteiligten Verkehrskreisen über den hiesigen Einzelfall hinaus Streit darüber besteht, ob die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zutreffend ist, eine ausschließlich mittelbare Beeinträchtigung der Umsatzsituation eines Betriebes ohne eine diesen Betrieb selbst betreffende behördliche Anordnung reiche nicht aus, um bei der hier vereinbarten Bedingungslage Versicherungsschutz in der Betriebsschließungsversicherung zu erhalten. Von der Rechtsauffassung des hiesigen Berufungsgerichts abweichende Entscheidungen sind nicht ersichtlich; gleiches gilt für die Aufsatzliteratur (vgl. Günther/Piontek, r+s 2020, 242, 245; Schreier, VersR 2020, 513, 516).

82. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin gegen die Beklagte keine Ansprüche zustehen.

9a) Der Gewerbebetrieb der Klägerin unterfiel nicht der Aufzählung der von der Schließung ab in B    betroffenen Betriebe nach §§ 2 bis 4 der SARS-CoV-2-EindV. Damit fehlt es an einer bedingungsgemäßen Schließung des Betriebs der Klägerin durch die zuständige Behörde (Ziff. 1.1 und 1.1.1 AVB).

10Unzutreffend ist die Auffassung der Revision, es bestehe auch ohne behördliche Schließung des konkreten Betriebs der Klägerin ein Anspruch auf die vereinbarte Versicherungsleistung, weil auch für eine solche faktische Betriebsschließung Versicherungsschutz in der Betriebsschließungsversicherung gegeben sei. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird nämlich schon aus dem eindeutigen Wortlaut von Ziff. 1.1 und 1.1.1 AVB ohne weiteres erkennen, dass allein das Ausbleiben von Kunden und sich hieraus ergebende Nachfrageausfälle und Umsatzeinbußen nicht versichert sind. Denn Ziff. 1.1 und 1.1.1 AVB machen die Gewährung von Versicherungsschutz ausdrücklich von der Schließung des versicherten Betriebs durch die zuständige Behörde abhängig. Dies lässt entgegen der Auffassung der Revision keinen Raum für eine Ausdehnung des Leistungsversprechens des Versicherers auf eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage eines Betriebes durch Betriebsschließungen im Kundenkreis des Versicherungsnehmers.

11Dass die bloß mittelbare Beeinträchtigung eines Betriebes nicht versichert ist, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer bei der hier vereinbarten Bedingungslage zudem daraus entnehmen, dass die "faktische Betriebsschließung" in Ziff. 1.1.1 AVB ausdrücklich definiert ist. Dort ist als Voraussetzung für die Annahme einer faktischen Betriebsschließung in Ziff. 1.1.1 Satz 2 AVB die Anordnung von Tätigkeitsverboten gegen Betriebsangehörige genannt; diese können aber nur durch eine Behörde ausgesprochen werden. Die Erstreckung auf "Teile des Betriebes" nach Ziff. 1.1.1 Satz 3 AVB schließt erkennbar an diese unbedingte Erforderlichkeit behördlicher Maßnahmen bezogen auf den versicherten Betrieb an. Damit wird dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich, dass ohne ein unmittelbar auf den versicherten Betrieb bezogenes Handeln der zuständigen Behörde - sei es im Wege einer Schließung, sei es im Wege der Anordnung von Tätigkeitsverboten für Mitarbeiter - die Gewährung von Versicherungsschutz nicht in Betracht kommt (vgl. allgemein hierzu Günther/Piontek, r+s 2020, 242, 245; Schreier, VersR 2020, 513, 516).

12b) Ohne Relevanz für die Entscheidung des Rechtsstreits ist entgegen der Auffassung der Revision, dass die Beklagte ihre Bedingungen für die Betriebsschließungsversicherung ab Mai 2020 geändert hat; für nach diesem Zeitpunkt liegende Zeiträume hat die Klägerin keine Leistungen geltend gemacht.

13c) Der Revisionsgrund des § 547 Nr. 6 ZPO kommt hier entgegen der Auffassung der Revision nicht zum Tragen. Zwar hat sich das Berufungsgericht mit dem Klageantrag zu 2, mit dem die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten geltend gemacht hat, nicht auseinandergesetzt. Aus prozesswirtschaftlichen Gründen ist aber § 547 Nr. 6 ZPO dann nicht heranzuziehen, wenn - wie hier - mangels Erfolgsaussicht der Revision zum Hauptanspruch die nicht erörterte Nebenforderung schon mit Blick auf ihre Abhängigkeit vom Bestehen der Hauptforderung ohne Erfolg bleiben muss (Senatsbeschluss vom - IV ZR 199/21 juris Rn. 7, zum eingeschränkten Anwendungsbereich des § 547 Nr. 6 ZPO vgl. auch Versäumnisurteil des Senats vom - IV ZR 59/18, VersR 2019, 811 Rn. 15).

143. Der Zurückweisung der Revision auf der Grundlage von § 552a Satz 1 ZPO steht die weitere, die Entscheidung ebenfalls allein tragende Erwägung des Berufungsgerichts nicht entgegen, ein Versicherungsfall liege schon deshalb nicht vor, weil es sich für den streitgegenständlichen Zeitraum bei COVID-19 nicht um eine meldepflichtige Krankheit im Sinne der dem Vertrag zugrundeliegenden Bedingungen handele. Mit den rechtsfehlerfreien Erwägungen des Berufungsgerichts, es fehle an einer Schließung des Betriebs durch eine Behörde im Sinne von Ziff. 1.1 und 1.1.1 AVB, enthält die angefochtene Entscheidung eine andere allein tragende Begründung, für die - wie aufgezeigt - kein Zulassungsgrund nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO gegeben ist. Dies führt dazu, für weitere die Entscheidung tragende Begründungen die für die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung erforderliche Entscheidungserheblichkeit zu verneinen, weil in diesem Fall eine Klärung der gegebenenfalls zulassungsrelevanten Frage nicht zu erwarten ist (vgl. zur Rechtslage bei der Nichtzulassungsbeschwerde BGH, Beschlüsse vom - IX ZR 296/19, ZInsO 2021, 1764 Rn. 4; vom - IX ZR 140/10, juris Rn. 5; vgl. zur Rechtslage bei der Rechtsbeschwerde , NJW 2004, 72 [juris Rn. 7]; MüKoZPO/Krüger, 6. Aufl. § 543 Rn. 26 m.w.N.; vgl. ferner BAG, BAGE 91, 93 [juris Rn. 14] sowie BVerwG, NJ 1995, 382 [juris Rn. 6]).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:210922BIVZR305.21.0

Fundstelle(n):
MAAAJ-25764