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Online-Nachricht - Donnerstag, 03.11.2022

Einkommensteuer | Taxi ist kein "öffentliches Verkehrsmittel" i. S. des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG (BFH)

Ein im Gelegenheitsverkehr genutztes Taxi zählt nicht zu den "öffentlichen Verkehrsmitteln" i. S. des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG. Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte mit einem Taxi können daher lediglich in Höhe der Entfernungspauschale gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG als Werbungskosten in Ansatz gebracht werden (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Aufwendungen eines Arbeitnehmers für Wege zwischen Wohnung und der sog. ersten Tätigkeitsstätte (zumeist dessen üblicher Arbeitsplatz) sind grundsätzlich pauschal in Höhe von 0,30 € für jeden Entfernungskilometer anzusetzen, unabhängig davon, welches Verkehrsmittel genutzt wird. Eine Ausnahme gilt nach § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG jedoch bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln. In diesem Fall darf der Arbeitnehmer anstatt der Entfernungspauschale auch höhere tatsächliche Kosten ansetzen.

Sachverhalt: Die Kläger sind Eheleute, die für die Streitjahre (2016 und 2017) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Seit dem Jahr 2007 ist der Kläger krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage, selbst ein Kfz sicher zu führen. Sein Grad der Behinderung (GdB) betrug in den Streitjahren 60 ohne besondere Merkzeichen. Er legte daher in den Streitjahren die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte in der Regel mit einem Taxi zurück. Für die Taxifahrten entstanden dem Kläger Kosten in Höhe von 6.402 € (2016) bzw. 2.670 € (2017), die er als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend machte.

Das FA erkannte hingegen lediglich Aufwendungen in Höhe der Entfernungspauschale als Werbungskosten an.

Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage gab das FG statt ().

Der BFH hat die Revision des FA als begründet angesehen und das FG-Urteil aufgehoben:

  • Der Gesetzgeber hatte bei Einführung der Ausnahmeregelung in § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG eine Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln im Linienverkehr – insbesondere Bus und Bahn – und damit ein enges Verständnis des Begriffs des öffentlichen Verkehrsmittels vor Augen.

  • Ein Arbeitnehmer, der die Wege zwischen seiner Wohnung und seiner ersten Tätigkeitsstätte mit einem „öffentlichen“ Taxi zurücklegt, kann seine Aufwendungen daher nur in Höhe der Entfernungspauschale geltend machen.

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:

Aufwendungen für Taxifahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sind ausweislich der Besprechungsentscheidung durch die Entfernungspauschale abgegolten. Anderes gilt lediglich für Menschen mit Behinderungen. Diese können nach § 9 Abs. 2 Satz 3 EStG sofern ihr Grad der Behinderung mindestens 70 beträgt, die tatsächlichen Aufwendungen (und damit auch Taxikosten) für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und für Familienheimfahrten ansetzen. Entsprechendes gilt, wenn der Grad der Behinderung weniger als 70, aber mindestens 50 beträgt und der Steuerpflichtige in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist. Diese Voraussetzungen sind durch amtliche Unterlagen nachzuweisen (§ 9 Abs. 2 Satz 4 EStG). § 65 EStDV ist insoweit entsprechend anzuwenden (R 9.10 Abs. 3 Satz 3 LStH). Ohne Einzelnachweis der tatsächlichen Aufwendungen können die Fahrtkosten nach den Regelungen in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 2 EStG angesetzt werden ( , Tz. 3 mit Beispielen).

Wird ein behinderter Arbeitnehmer im eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeug arbeitstäglich von einem Dritten, z. B. dem Ehegatten zu seiner ersten Tätigkeitsstätte gefahren und wieder abgeholt, können auch die Kraftfahrzeugkosten, die durch die Ab‑ und Anfahrten des Fahrers - sog. Leerfahrten - entstehen, in tatsächlicher Höhe oder in sinngemäßer Anwendung von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 2 EStG als Werbungskosten abgezogen werden (R 9.10 Abs. 3 Satz 2 LStH). Für die Anerkennung der tatsächlichen Aufwendungen oder der Kilometersätze aus § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 2 EStG und für die Berücksichtigung von Leerfahrten ist bei rückwirkender Festsetzung oder Änderung des Grads der Behinderung das Gültigkeitsdatum des entsprechenden Nachweises maßgebend (R 9.10 Abs. 3 Satz 4 LStH). Wird bei Menschen mit Behinderungen der Grad der Behinderung herabgesetzt und liegen die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 3 EStG nach der Herabsetzung nicht mehr vor, ist dies folglich ab dem im Bescheid genannten Zeitpunkt zu berücksichtigen. Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie für Fahrten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG können daher ab diesem Zeitpunkt nicht mehr nach § 9 Abs. 2 Satz 3 EStG bemessen werden ().

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 50/2022 v. ; ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
JAAAJ-25577