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Neufassung des Auslandstätigkeitserlasses
Anmerkungen zum
[i]BMF, Schreiben v. 10.6.2022, BStBl 2022 I S. 997Mit dem Schreiben v. (BStBl 2022 I S. 997) hat das BMF die Verwaltungsanweisung zur steuerlichen Behandlung von Arbeitnehmereinkünften bei Auslandstätigkeiten (Auslandstätigkeitserlass, ATE) mit Wirkung ab dem neu gefasst und insbesondere im Hinblick auf die unionsrechtlichen Erfordernisse angepasst. Insgesamt fallen die Änderungen moderat aus, da zum einen die Struktur des Erlasses identisch geblieben ist und zum [i]KKB/Kraft, § 34c EStG Rz. 70, 7. Aufl., Stand: 30.8.2022, NWB FAAAH-96728 anderen Regelungen, die in ergänzenden Erlassen enthalten waren, teilweise nun explizit in den neuen ATE eingefügt wurden. Gleichzeitig hat sich die Finanzverwaltung aber auch im Hinblick auf strittige Fragen positioniert, die derzeit bei den Finanzgerichten und dem BFH bzw. dem EuGH zur Klärung anhängig sind.
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I. Überblick
[i]Wichtige Neuerungen bzw. ÄnderungenDie folgenden wichtigen Neuerungen bzw. Änderungen des ATE sind hervorzuheben:
Die Erstreckung des Geltungsbereichs auf EU- bzw. EWR-Arbeitgeber ist nun explizit im Erlass enthalten ( und 2 ATE).
Der Katalog der begünstigten bzw. der nicht begünstigten Tätigkeiten ist weitgehend aus der Vorgängervorschrift übernommen und nur punktuell angepasst bzw. präzisiert worden ( und 3 ATE). Dadurch erfolgen teilweise schlichte S. 2817Klarstellungen, aber zum Teil auch Einschränkungen des Anwendungsbereichs, insbesondere im Hinblick auf Arbeiten an Bauwerken ohne industrielle oder technische Nutzung. Doch auch Erweiterungen sind zu finden, da nun ebenfalls die Wartung sonstiger Wirtschaftsgüter als begünstigte Tätigkeit gilt.
Für die Begünstigung von Entwicklungshilfeprojekten wird die – aus unionsrechtlicher Sicht kritisch diskutierte – Finanzierung zu mindestens 75 % aus inländischen öffentlichen Mitteln vorausgesetzt ( Nr. 5 ATE).
Zudem wird die Anwendung des ATE versagt, wenn der steuerpflichtige Arbeitnehmer nicht eine mindestens 10 %ige Besteuerung im Tätigkeitsstaat nachweisen kann (). Diese Mindestbesteuerung stellt ein überraschendes Novum des ATE dar.
[i]Wirkung ab dem 1.1.2023Schließlich enthält der Erlass – entsprechend der heute üblichen Praxis – auch Anwendungsbeispiele und wurde in Textziffern gegliedert. Das neue Schreiben ersetzt den bisherigen Erlass v. (BStBl 1983 I S. 470, im Folgenden ATE a. F.) mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2023. Im Lohnsteuerabzugsverfahren ist das Schreiben erstmals auf den laufenden Arbeitslohn anzuwenden, der für einen nach dem endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird, und auf sonstige Bezüge, die nach dem zufließen.
II. Zielsetzung des Auslandstätigkeitserlasses
[i]Förderung der deutschen ExportwirtschaftAusweislich der Ermächtigungsvorschrift in § 34c Abs. 5 EStG soll die Pauschalierung oder der Erlass der deutschen Einkommensteuer auf ausländische Einkünfte erfolgen, wenn dies aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist oder die Anwendung der Anrechnung der ausländischen Steuern besonders schwierig ist. Die erforderlichen „volkswirtschaftlichen Gründe“ liegen dann vor, wenn die Steuerbegünstigung in erster Linie der Förderung der deutschen Exportwirtschaft und deren Konkurrenzfähigkeit mit Wettbewerbern im Ausland dient (vgl. , BStBl 1978 II S. 548; , NWB EAAAD-61004; , NWB CAAAG-95708). An diesen Maßstäben muss sich auch die Neufassung messen lassen.
III. Regelungen im Einzelnen
1. Begünstigte Personen
a) Arbeitnehmer
[i]Unbeschränkt Steuerpflichtige mit ausländischen Arbeitseinkünften aus einem Staat ohne DBABasierend auf der Ermächtigungsvorschrift in § 34c Abs. 5 EStG gilt der ATE nur für den von § 34c Abs. 1 EStG erfassten Personenkreis, d. h. für unbeschränkt Steuerpflichtige, die ausländische Arbeitseinkünfte aus einem Staat beziehen, mit dem kein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen ist. Abgesehen von der unbeschränkten Steuerpflicht im Inland gelten für den berechtigten Arbeitnehmer keinerlei einschränkende Voraussetzungen. Der Begriff des Arbeitnehmers ist im ATE nicht näher bestimmt. Es ist davon auszugehen, dass die Definition des § 1 LStDV Anwendung findet.
[i]Gilt nicht für beschränkt SteuerpflichtigeAusdrücklich ausgeschlossen vom Anwendungsbereich des ATE sind beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer (). Aufgrund der ursprünglich identischen, nun von § 34c Abs. 5 EStG abweichenden Ermächtigungsvorschrift des § 50 Abs. 4 EStG (ursprünglich § 50 Abs. 7 EStG, geändert durch das StÄndG 2015 v. , BGBl 2015 I S. 1834) kann ein Erlass oder eine Pauschalierung der Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtigen nur noch in den dort abschließend aufgezählten Einzelfällen des besonderen öffentlichen Interesses gewährt werden (vgl. § 50 Abs. 4 Halbsatz 2 EStG). Damit ist die Erstreckung des ATE auf beschränkt Steuerpflichtige nicht (mehr) möglich. S. 2818
b) EU-/EWR-Arbeitgeber
[i]Erweiterung von inländischen auf EU-/EWR-ArbeitgeberDer persönliche Anwendungsbereich wurde von inländischen Arbeitgebern auf Arbeitgeber mit Sitz, Geschäftsleitung, Betriebsstätte oder einem ständigen Vertreter in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet − EU-/EWR-Arbeitgeber (), erweitert. Diese unionsrechtliche Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereichs war notwendig, um die vom „Petersen“ (BStBl 2013 II S. 847) konstatierten Verstöße sowohl gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) als auch gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) auszuräumen. Nach wie vor erforderlich wird allerdings sein, dass der Dienstort (bei dem ausländischen EU-/EWR-Arbeitgeber) und der Tätigkeitsort (im Ausland) nicht übereinstimmen, dass also auch aus Sicht des ausländischen EU-/EWR-Arbeitgebers eine Auslandstätigkeit in einem anderen Staat gegeben ist (vgl. Gosch, IStR 2013 S. 326).
Die bisherige Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung durch eine (DB 2013 S. 2892) bezog lediglich Arbeitgeber ein, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder einem EWR-Staat hatten und schloss eine Anwendung des ATE a. F. für Arbeitgeber mit Sitz außerhalb der EU bzw. des EWR ausdrücklich aus. Insofern ist die Formulierung im neuen ATE deutlich erweitert.