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Online-Nachricht - Donnerstag, 22.09.2022

Umsatzsteuer | Organschaft bei GmbH & Co. KG (BFH)

Für die wirtschaftliche Eingliederung i. S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG müssen die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft miteinander verflochten sein. Dabei kann die wirtschaftliche Eingliederung auch auf der Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen zweier Organgesellschaften beruhen. Es müssen aber mehr als nur unerhebliche Beziehungen zwischen den Unternehmensbereichen bestehen. Hieran fehlt es bei der Vermietung von ohne weiteres austauschbaren Büroräumen (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft). Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL).

Sachverhalt: Alleingesellschafter und einziger Geschäftsführer der Klägerin, einer GmbH, ist Z. Z schloss mit der Klägerin einen Geschäftsführervertrag, nach dem er mit einem festen Monatsgehalt und unter Zusage eines Urlaubsanspruchs von 30 Tagen sowie mit Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall vergütet wurde.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin war insbesondere die Übernahme der persönlichen Haftung und Geschäftsführung einer KG, deren einzige Komplementärin die Klägerin war. Die Klägerin war am Gesellschaftsvermögen der KG nicht beteiligt und nahm auch nicht am Gewinn und Verlust der KG teil. Einziger Kommanditist der KG war Z. Unternehmensgegenstand der KG war die Finanz- und Versicherungsmaklertätigkeit.

Die Klägerin hatte gegenüber der KG Anspruch auf Ersatz aller ihr durch die Geschäftsführung erwachsenden Aufwendungen. Im Jahr 2013 (Streitjahr) zahlte die KG an die Klägerin hierfür 24.000 €. Aufgrund eines mit Wirkung zum Jahresanfang 2014 abgeschlossenen Dienstleistungsvertrages stand der Klägerin gegenüber der KG für ihre Geschäftsführertätigkeit ein monatlicher Vergütungsanspruch zu. Zahlungen erfolgten nur in einem geringeren Umfang. Die Geschäftsanschrift der Klägerin und der KG war seit Anfang 2013 identisch. Die Geschäftsräume vermieteten Z und seine Ehefrau an die KG. Der Mietgegenstand gehörte den Ehegatten je zur Hälfte.

Im Laufe des Jahres 2014 übernahm die Klägerin aus betrieblichen Organisationsgründen die zuvor von der KG erbrachten umsatzsteuerpflichtigen Beratungsleistungen an Dritte als eigenen Geschäftsbetrieb. Mehrere Fahrzeuge wurden nicht mehr von der KG, sondern von der Klägerin geleast.

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das FA davon aus, dass die Klägerin steuerpflichtige Geschäftsführungsleistungen an die KG erbracht habe.

Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FG gab der Klage nur in geringem Umfang statt ().

Der BFH hat die Revision als unbegründet angesehen:

  • Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Leistungen der Klägerin an die KG mangels Organschaft steuerbar und steuerpflichtig sind. Es bestand keine Organschaft zwischen der Klägerin und Z als Organträger. Ebenso liegt keine Organschaft zwischen der Klägerin und der KG als Schwestergesellschaften vor. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht.

  • Die Leistungen der Klägerin an die KG sind nicht aufgrund einer zwischen diesen als Organgesellschaften und Z als Organträger bestehenden Organschaft nichtsteuerbar.

  • Für die wirtschaftliche Eingliederung i. S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG müssen nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft miteinander verflochten sein (, Rz. 21; , unter II.2.c aa). Für den Organträger beruht dies darauf, dass die Organschaft die Eingliederung in sein Unternehmen und damit seine Unternehmereigenschaft voraussetzt. Ob dies als unionsrechtskonform anzusehen ist, ist ohne Bedeutung, da im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des nationalen Rechts eine hiervon abweichende richtlinienkonforme Auslegung nicht in Betracht kommt. Dasselbe gilt für die Organgesellschaft im Hinblick darauf, dass es sich bei § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG um eine Vorschrift zur Unselbständigkeit einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit der Organgesellschaft handelt.

  • Danach liegt im Streitfall keine die Klägerin, die KG und Z umfassende Organschaft vor. Es besteht keine unmittelbare wirtschaftliche Eingliederung der Klägerin in Z als Organträger. Diese wird nicht durch die Geschäftsführertätigkeit des Z bei der Klägerin begründet, da Z insoweit nichtselbständig und damit nicht als Unternehmer tätig war. Auch die Vermietung der Büroräume begründet keine unmittelbare wirtschaftliche Eingliederung, da Z an die KG, nicht aber an die Klägerin vermietet hat.

  • Die Klägerin ist auch nicht i. S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG mit der KG als Schwestergesellschaft organschaftlich verbunden.

  • Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG kann im Verhältnis zwischen zwei Schwestergesellschaften nicht bestimmt werden, welche Schwestergesellschaft Organträger und welche Organgesellschaft ist, so dass ohne Einbeziehung des gemeinsamen Gesellschafters keine Organschaft zwischen den beiden Schwestergesellschaften besteht (Festhalten an ).

Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner, Richter im V. Senat des BFH:

Das Urteil ist zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft ergangen, die nach wie vor umstritten ist. Wir erinnern uns an die divergierenden Entscheidungen des V. Senats vom (V R 15/14, V R 25/13, V R 12/14) und des XI. Senats vom - und vom - . Zudem besteht bei der Organschaft nach wie vor Rechtsunsicherheit, weil die EuGH-Entscheidungen zu den BFH-Vorlagen vom - (Az. des EuGH: C-141/20) vom - (Az. des EuGH: C-269/20) noch ausstehen.

Der BFH entscheidet im Besprechungsurteil über zwei Punkte und weist darauf hin, und das ist interessant, dass diese wegen des eindeutigen Wortlauts der nationalen Rechtsnorm unabhängig von einer etwaigen Unionsrechtswidrigkeit gelten.

Dabei geht es zum einen um die wirtschaftliche Eingliederung i. S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, die eine Verflechtung der Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft voraussetzt. Interessant ist, wie gesagt, dass der BFH aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift an dieser Voraussetzung unabhängig von ihrer Unionsrechtskonformität festhält. Das steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zum EuGH-Urteil FA für Körperschaften Berlin v. - C 868/19, das zumindest an die finanzielle Eingliederung nur geringe Anforderungen stellt.

Dem BFH-Urteil V R 23/21 zufolge setzt die wirtschaftliche Eingliederung, das schwächste der drei Eingliederungsmerkmale, zumindest einen vernünftigen wirtschaftlichen Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen voraus. Das trifft auf die im Streitfall vorliegende Vermietung von nicht eigens für die Unternehmenstätigkeit in besonderer Weise ausgestatteten und daher ohne weiteres austauschbaren Büroräumen nicht zu, da ihr eine nur geringe Bedeutung zukommt.

Der zweite Entscheidungsgegenstand ist das Fehlen einer organschaftlichen Verbindung zwischen zwei Schwestergesellschaften, die auch nicht aus Art. 11 MwStSystRL ableitbar ist. Hiergegen spricht bereits, dass dieser Bestimmung keine unmittelbare Wirkung im Sinne eines Berufungsrechts zukommt.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
OAAAJ-22577