BFH Urteil v. - VI R 171/98 BStBl 2002 II S. 440

Wird Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz erhoben, ist die pauschale Lohnsteuer Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag

Leitsatz

Wird Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz erhoben, ist die pauschale Lohnsteuer Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag.

Gesetze: SolZG 1995 § 3 Abs. 1 Nr. 3SolZG 1995 § 3 Abs. 3 bis 5SolZG 1995 § 4

Instanzenzug: FG Rheinland-Pfalz (EFG 1998, 970) (Verfahrensverlauf),

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als Rechtsanwalt selbständig tätig. Abweichend von seiner Lohnsteueranmeldung 1996 vom , die ausschließlich nach § 40a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) pauschalbesteuerte Arbeitslöhne von Teilzeitbeschäftigten betrifft, setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ausgehend von einer pauschalen Lohnsteuer in Höhe von 1 045 DM den Solidaritätszuschlag auf 78,37 DM fest. Mit seiner nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage wandte sich der Kläger gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags mit der Begründung, dass die Erhebungsgrenzen des § 3 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Nr. 3 des Solidaritätszuschlagsgesetzes (SolZG) 1995 und § 51a Abs. 2 a EStG nicht erreicht seien. Die Erhebungsgrenzen seien auch im Lohnsteuer-Pauschalierungsverfahren zu beachten. Die anderweitige Handhabung durch das FA verstoße gegen den Gleichheitssatz.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 970 veröffentlichten Gründen statt.

Mit seiner dagegen gerichteten Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 40 Abs. 3, 40a Abs. 5, 51a Abs. 1 und 2 a EStG 1990 und des § 3 Abs. 3 Nr. 2 SolZG 1995. In den Fällen der Lohnsteuer-Pauschalierung sei der Arbeitgeber Schuldner des von der pauschalen Lohnsteuer zu erhebenden Solidaritätszuschlags (§ 51a Abs. 1 i. V. m. den §§ 40 Abs. 3 Satz 2, 40a Abs. 5 EStG). Im Gegensatz dazu sei mit den durch Art. 31 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) vom (BStBl I, 510) im SolZG 1995 eingeführten sozialen Komponenten (Nullzone des § 3 Abs, 3 SolZG und Überleitungsbereich des § 4 Satz 2 SolZG) vom Gesetzgeber ausdrücklich nur eine Begünstigung des steuerpflichtigen Arbeitnehmers selbst beabsichtigt (vgl. BTDrucks 12/4801, S. 169,- Plenker in Betriebs-Berater - BB - 1995, 74; Hartmann in Die Information über Steuer und Wirtschaft - INF - 1995, 36). Im Lohnsteuer-Abzugsverfahren könnten diese sozialen Komponenten deshalb nur beim laufenden Arbeitslohn nach den Steuermerkmalen der Lohnsteuerkarte (§ 3 Abs. 4 SolZG) und beim betrieblichen Lohnsteuer-Jahresausgleich (§ 3 Abs. 5 SolZG) berücksichtigt werden. Ansonsten kämen diese im SolZG genannten und personenbezogenen Nullzonen von 2 664 DM bzw. 1 332 DM nur im Rahmen einer Einkommensteuerveranlagung und ggf. auch bei der Festsetzung von Vorauszahlungen zur Anwendung.

Im Übrigen würde eine Beachtung der Nullzone in den Fällen, bei denen eine Person in mehreren Arbeitsverhältnissen stehe, die jeweils pauschal besteuert würden, eine unberechtigte finanzielle Besserstellung der betreffenden Person bewirken. Denn eine Zusammenfassung der verschiedenen Bemessungsgrundlagen zur Überprüfung der Nullzone sei bei der Lohnsteuer-Pauschalierung nicht möglich. Vom Gesetzgeber sei jedoch beabsichtigt, nur dann von einer Festsetzung des Solidaritätszuschlages abzusehen, wenn pro Einzelperson bzw. von Ehegatten die Bemessungsgrundlagen sämtlicher Einkünfte zusammengefasst die Grenzen des § 3 Abs. 3 SolZG nicht überschritten.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Er nimmt Bezug auf die Gründe der Vorentscheidung und führt ergänzend aus, dass die vom FA befürchteten finanziellen oder fiskalischen Nachteile für den Staatshaushalt bei der Entscheidung keine Rolle spielen dürften. Nach § 3 SolZG bemesse sich der Solidaritätszuschlag nach der berechneten Einkommen- bzw. Lohnsteuer und sei nur bei Überschreitung der in § 3 Abs. 3 SolZG genannten Beträge zu erheben. Dass der Arbeitgeber für Teilzeitbeschäftigte die Lohnsteuer unter Verzicht auf die Vorlage der Lohnsteuerkarte mit einem Pauschsteuersatz erheben könne, sei nur eine besondere Form der Erhebung und ändere nichts an der Qualität dieser Lohnsteuer und seiner Erhebung. Wenn die so erhobene Lohnsteuer von der Begünstigung des § 3 Abs. 3 SolZG hätte ausgenommen werden sollen, hätte dies ausdrücklich geregelt werden müssen. Es gehe nicht an, trotz des klaren Wortlauts nach ,,Sinn und Zweck'' des Gesetzes zu forschen und das Gesetz dann gegen seinen Wortlaut auszulegen.

Gründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Gemäß § 1 SolZG 1995 wird zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer ein Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe erhoben. Abgabepflichtig sind u. a. natürliche Personen, die nach § 1 EStG einkommensteuerpflichtig sind (§ 2 SolZG). Nach § 4 Satz 1 SolZG 1995 beträgt der Solidaritätszuschlag im Streitjahr 1996 7,5 v. H. der Bemessungsgrundlage. Bemessungsgrundlage ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 SolZG 1995 vorbehaltlich des § 3 Abs. 3 bis 5 SolZG 1995 die Lohnsteuer. Zur Lohnsteuer im Sinne dieser Vorschrift gehört auch die pauschale Lohnsteuer.

Bei der pauschalen Lohnsteuer stellt diese ungekürzt die Bemessungsgrundlage dar, weil für sie in § 3 Abs. 3 bis 5 SolZG 1995 keine Ausnahmen vorgesehen sind. Insbesondere ist § 3 Abs. 3 SolZG nicht einschlägig. Vielmehr ist der Tatsache, dass der Lohnsteuerabzug in Abs. 4 und der Lohnsteuer-Jahresausgleich in Abs. 5 gesondert geregelt sind, zu entnehmen, dass § 3 Abs. 3 SolZG nur die zu veranlagenden Steuerpflichtigen betrifft. Bei diesen wird der Solidaritätszuschlag nur erhoben, wenn die Bemessungsgrundlage bei Anwendung der Splittingtabelle 2 664 DM und bei Anwendung der Grundtabelle 1 332 DM übersteigt. Eine andere Bedeutung kommt dem Wortlaut ,,in anderen Fällen'' in § 3 Abs. 3 Nr. 2 SolZG 1995 nicht zu.

Dieses Ergebnis deckt sich auch mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Der erkennende Senat hat bereits entschieden (, BFHE 157, 431, BStBl II 1989, 1032), dass der für die Pauschalierung nach § 40a EStG maßgebliche Arbeitslohn z. B. nicht um den - früheren - Weihnachtsfreibetrag und Arbeitnehmer-Freibetrag zu kürzen war. Eine Berücksichtigung solcher Freibeträge, die in ihrer Wirkung der Nullzone beim Solidaritätszuschlag ähnlich sind, würde mit der pauschalierten Lohnsteuererhebung des § 40a EStG auch nicht im Einklang stehen. Allein der gezahlte Arbeitslohn ohne irgendwelche in der Person des Arbeitnehmers liegende Kürzungsgründe - im Streitfall die Berücksichtigung sozialer Komponenten - soll der pauschalen Lohnsteuer unterworfen werden (s. im Einzelnen BFH in BFHE 157, 431, BStBl II 1989, 1032, 1033 f.).

Der Gesetzgeber hat die hier vertretene Auslegung durch die Änderung des Obersatzes in § 3 Abs. 3 SolZG durch das Gesetz zur Senkung des Solidaritätszuschlags vom (BGBl. I 1997, 2743, BStBl I 1997, 967, s. dazu BTDrucks 13/8701, S. 7) bestätigt.

Fundstelle(n):
BStBl 2002 II Seite 440
BB 2002 S. 927 Nr. 18
BFH/NV 2002 S. 877 Nr. 6
BFHE S. 559 Nr. 197
BStBl II 2002 S. 440 Nr. 12
DB 2002 S. 928 Nr. 18
DStR 2002 S. 718 Nr. 17
DStRE 2002 S. 574 Nr. 9
FR 2002 S. 684 Nr. 12
INF 2002 S. 350 Nr. 11
KÖSDI 2002 S. 13266 Nr. 5
CAAAA-89246