BFH Urteil v. - IX R 60/96 BStBl 2001 II S. 277

1. Verbot des räumlichen Zusammenhangs auch mit einem Objekt, für das Beträge gem. § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG wie Sonderausgaben abgezogen werden 2. Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Förderausschluss, wenn die Ehegatten Miteigentümer der im räumlichen Zusammenhang belegenen Eigentumswohnungen sind

Leitsatz

1. Der Begriff der erhöhten Absetzungen i. S. von § 10 e Abs. 4 Satz 3 EStG umfasst auch die nach § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG wie Sonderausgaben abziehbaren Beträge (Anschluss an , BFHE 163, 36, BStBl II 1991, 221).

2. Gegen den Ausschluss der gleichzeitigen Förderung zweier in räumlichem Zusammenhang belegener Objekte in § 10 e Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG bestehen (zumindest) dann keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die zur Einkommensteuer zusammen veranlagten Ehegatten die Wohnungen jeweils als Miteigentümer erwerben.

Gesetze: EStG § 10 e Abs. 4 Satz 2EStG § 52 Abs. 21 Satz 4GG Art. 6

Instanzenzug: FG Düsseldorf (EFG 1997, 219) (Verfahrensverlauf),

Tatbestand

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Sie erwarben im Jahre 1983 eine im Erdgeschoss eines Zweifamilienhauses gelegene Eigentumswohnung (ETW I) und machten in den Jahren 1983 bis 1986 erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend; ab dem Jahre 1987 zogen sie für die ETW I die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge gemäß § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG wie Sonderausgaben ab. Im Jahre 1988 erwarben die Kläger auch die im Obergeschoss des Zweifamilienhauses gelegene Eigentumswohnung (ETW II). Die Wohnungen verfügten über eigene, von der anderen Wohnung räumlich getrennte Eingänge. Der im Erdgeschoss befindliche Flur und Treppenaufgang zur ETW II war durch eine Wand von dem Wohnzimmer der ETW I getrennt. Die Kläger ließen dort einen Durchbruch machen und nutzten beide ETW als eine Wohnung.

In den Streitjahren (1989 und 1990) beantragten die Kläger für die ETW I gemäß § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG die Berücksichtigung der den erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG entsprechenden Beträge; für die ETW II machten sie Abzugsbeträge nach § 10 e Abs. 1 EStG geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gewährte lediglich die Abzugsbeträge nach § 10 e Abs. 1 EStG für die ETW II. Die gleichzeitige Förderung auch der ETW I komme gemäß § 10 e Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG nicht in Betracht, da beide ETW in räumlichem Zusammenhang zueinander stünden.

Der hiergegen nach erfolglosem Einspruch gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) statt: § 10 e Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG sei in verfassungskonformer Auslegung dahin gehend einzuschränken, dass die Vorschrift nur Anwendung finde, wenn der Steuerpflichtige zur Verdoppelung der Förderbeträge eine an sich einheitliche Baumaßnahme auf zwei Objekte aufteile und die geltend gemachten Abzugsbeträge den Höchstbetrag des § 10 e Abs. 1 EStG überschritten. Beides sei im Streitfall zu verneinen. Deshalb seien den Klägern Förderbeträge nicht nur - wie das FA meine - für die ETW II, sondern auch für die ETW I zu gewähren. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 219 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von § 10 e Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen. Das FA hat für die Streitjahre am und am Änderungsbescheide erlassen, die die Kläger jeweils zum Gegenstand des Verfahrens gemacht haben (§§ 68, 121, § 123 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Gründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Die Vorentscheidung verletzt § 10 e Abs. 4 Satz 2 EStG. Das FG hat zu Unrecht neben den im Verlaufe des Veranlagungsverfahrens für die ETW II berücksichtigten Abzugsbeträgen nach § 10 e Abs. 1 EStG noch für die ETW I die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge (§ 7 b EStG i. V. m. § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG) gewährt.

a) Gemäß § 10 e Abs. 4 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige die Abzugsbeträge nach § 10 e Abs. 1 und 2 EStG nur für eine Wohnung oder für einen Ausbau oder für eine Erweiterung abziehen. Ehegatten, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen, können die Abzugsbeträge nach § 10 e Abs. 1 und 2 EStG für insgesamt zwei der in § 10 e Abs. 4 Satz 1 EStG bezeichneten Objekte abziehen, jedoch nicht gleichzeitig für zwei in räumlichem Zusammenhang belegene Objekte, wenn bei den Ehegatten im Zeitpunkt der Herstellung oder Anschaffung der Objekte die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen (§ 10 e Abs. 4 Satz 2 EStG). Den Abzugsbeträgen stehen die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG gleich (§ 10 e Abs. 4 Satz 3 EStG). Die Gleichsetzung von Abzugsbeträgen und erhöhten Absetzungen bezieht sich nicht nur auf den in § 10 e Abs. 4 Satz 1 EStG angeordneten Objektverbrauch (so aber z. B. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 10 e EStG Anm. 323; Stephan in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 10 e EStG Rn. 109 a), sondern auch auf das Verbot der gleichzeitigen Förderung von in räumlichem Zusammenhang belegenen Objekten gemäß § 10 e Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG; denn § 10 e Abs. 4 Satz 3 EStG enthält insoweit keine Einschränkung (z. B. , BFHE 163, 36, BStBl II 1991, 221; Handzik, Wohneigentumsförderung nach § 10 e EStG, Köln 1990, S. 118 f.; vgl. auch , BStBl I 1994, 887, Tz. 28). Das Verbot der gleichzeitigen Förderung gilt auch, wenn zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten für eines der in räumlichem Zusammenhang belegenen Objekte die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge gemäß § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG wie Sonderausgaben abziehen. Zwar sind in § 10 e Abs. 4 Satz 3 EStG nur die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG genannt. Die Vorschrift ist jedoch dahin auszulegen dass sie auch die (für Veranlagungszeiträume nach 1987) den erhöhten Absetzungen entsprechenden, gemäß § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG wie Sonderausgaben abziehbaren Beträge umfasst (z. B. BFH-Urteil in BFHE 163, 36, BStBl II 1991, 221).

b) Aus den mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) ergibt sich, dass die Kläger die ETW I und II nicht baulich zu einer Wohnung zusammengefasst, sondern nur den Zugang von der ETW I zur ETW II durch einen Durchbruch erleichtert haben. Da es sich um die Erd- und Obergeschosswohnung eines Zweifamilienhauses handelt, liegen sie jedoch in räumlichem Zusammenhang i. S. von § 10 e Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG (allgemeine Auffassung, z. B. , BFH/NV 1998, 159; Meyer, a. a. O., Anm. 320, m. w. N.).

c) Der Senat kann offen lassen, ob § 10 e Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes einer den Wortlaut einschränkenden Auslegung bedarf, weil die Vorschrift zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten gegenüber zusammen lebenden Ledigen benachteiligt und deshalb gegen Art. 6 des Grundgesetzes (GG) verstößt. Eine solche Benachteiligung kann allenfalls dann eintreten, wenn jeder der beiden Ehegatten eines der in räumlichem Zusammenhang belegenen Objekte als Alleineigentümer erwirbt (vgl. dazu Handzik, a. a. O., S. 128 f.). Zusammen lebende Ledige könnten in diesem Fall für jedes der in räumlichem Zusammenhang belegenen Objekte die Förderung beanspruchen, zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten nach dem Wortlaut des § 10 e Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG nicht. Ein solcher Sachverhalt ist im Streitfall jedoch nicht gegeben. Die Kläger sind Miteigentümer der ETW I und II. Ihr Anteil an den beiden Wohnungen steht jeweils einer Wohnung gleich (§ 10 e Abs. 5 Satz 1 erster Halbsatz EStG, § 7 b Abs. 6 Satz 1 EStG i. V. m. § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG) und gilt als ein Objekt (§ 10 e Abs. 5 Satz 2 EStG, § 7 b Abs. 6 Satz 2 EStG, jeweils i. V. m. § 26 Abs. 1 EStG). Erwerben Ledige als Miteigentümer Wohnungen, können sie - wegen des eintretenden Objektverbrauchs - jeder nur für den Miteigentumsanteil an einer Wohnung die Förderung beanspruchen (vgl. § 10 e Abs. 5 Satz 1 erster Halbsatz EStG i. V. m. § 10 e Abs. 4 Satz 1 EStG, § 7 b Abs. 6 Satz 1 EStG i. V. m. § 7 b Abs. 5 Satz 1 EStG und § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG). Die Kläger verlieren damit wegen des räumlichen Zusammenhangs der Wohnungen (und nur in Bezug auf diese) lediglich die durch § 10 e Abs. 4 Satz 2 erster Halbsatz EStG für zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten gewährte Begünstigung der Förderung eines zweiten Objektes. Eine gegen Art. 6 GG verstoßende Benachteiligung im Vergleich zu Unverheirateten ist bei der im Streitfall zu beurteilenden Sachverhaltsgestaltung nicht ersichtlich. Für eine den Wortlaut einschränkende Auslegung des § 10 e Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG ist schon unter diesem Gesichtspunkt kein Raum.

2. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Kläger können in den Streitjahren nur entweder die Abzugsbeträge gemäß § 10 e Abs. 1 EStG für die ETW II oder die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge nach § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG für die ETW I geltend machen. Zur Ausübung dieses Wahlrechts (vgl. dazu a. a. O., Tz. 28; Meyer, a. a. O., Anm. 319) ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:


Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:





Fundstelle(n):
BStBl 2001 II Seite 277
BB 2001 S. 350 Nr. 7
BFH/NV 2001 S. 366 Nr. 3
BFHE S. 322 Nr. 193
DB 2001 S. 463 Nr. 9
DStRE 2001 S. 295 Nr. 6
FR 2001 S. 255 Nr. 5
UAAAA-88871