BFH Urteil v. - X R 13/97 BStBl 2000 II S. 665

Kein Vorkostenabzug nach § 10 e Abs. 6 EStG für an einen Generalunternehmer geleistete Abstandszahlung

Leitsatz

Kündigt der Steuerpflichtige den mit einem Generalunternehmer geschlossenen Vertrag über die Errichtung eines Einfamilienhauses, um den Auftrag an andere Baufirmen zu vergeben, kann er die nach einem Rechtsstreit an den Generalunternehmer geleistete Abstandszahlung sowie die Aufwendungen für einen Rechtsanwalt nicht als Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehen.

Gesetze: EStG § 10 e Abs. 6

Instanzenzug: Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1997, 405) (Verfahrensverlauf),

Tatbestand

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ließ durch seinen Architekten am einen Bauantrag für ein Einfamilienhaus stellen, das auf einem später - durch notariellen Kaufvertrag vom - erworbenen Grundstück errichtet werden sollte. Auf Vermittlung der Grundstücksverkäuferin schloss der Kläger am mit einem Bauunternehmen einen Generalunternehmervertrag über die Errichtung eines Einfamilienhauses entsprechend den Plänen und Leistungsbeschreibungen des Architekten zu einem Gesamtpreis von 605 000 DM ab.

Nachdem der Kläger von anderen Firmen Angebote eingeholt hatte, die insgesamt günstiger waren als der mit dem Generalunternehmer ausgehandelte Festpreis, kündigte er mit Schreiben vom den Generalunternehmervertrag wegen ,,Überteuerung'' und vergab den Bauauftrag an andere Firmen. Das Gebäude wurde mit geringfügigen Änderungen gemäß der ursprünglichen Planung hergestellt. Vom an nutzte der Kläger das Gebäude zu eigenen Wohnzwecken.

Mit Schriftsatz vom forderte das ursprünglich beauftragte Bauunternehmen Schadenersatz in Höhe von 90 750 DM. Durch Urteil vom erklärte das Landgericht den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Daraufhin verständigten sich die Vertragsparteien außergerichtlich auf eine Abstandszahlung von 35 000 DM.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1992 machte der Kläger die durch den Rechtsstreit mit der Baufirma entstandenen Aufwendungen (Rechtsanwaltskosten und Abstandszahlung) in Höhe von insgesamt 43 734 DM als Vorkosten gemäß § 10 e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte den Abzug der Aufwendungen als Vorkosten ab. Der Einspruch des Klägers gegen den Einkommensteuerbescheid für 1992 war insoweit erfolglos.

Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 405 veröffentlicht ist, wies die Klage ab. Es war der Auffassung, die Aufwendungen hingen nicht unmittelbar mit der Herstellung des Einfamilienhauses zusammen.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 10 e Abs. 6 EStG. Er trägt vor:

Das FG habe den Abzug abgelehnt, weil die Aufwendungen durch sein vertragswidriges Verhalten und nicht durch die geplante Errichtung des Einfamilienhauses verursacht worden seien. Das vertragswidrige Verhalten sei jedoch durch den Bau des Hauses bedingt gewesen, da er rechtzeitig erkannt habe, dass andere Baufirmen wesentlich preiswerter gewesen seien. Trotz der Abstandszahlung und geringfügiger baulicher Änderungen sei das Gebäude kostengünstiger hergestellt worden als bei einer Errichtung durch die ursprüngliche Baufirma. Das Tatbestandsmerkmal des unmittelbaren Zusammenhangs mit den Herstellungs- oder Anschaffungskosten der Wohnung diene dazu, Aufwendungen auszugrenzen, die sich nicht unmittelbar auf den Herstellungs- oder Anschaffungsvorgang bezögen. Erforderlich und ausreichend sei nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang (Urteil vom X R 113/89, BFHE 167, 396, BStBl II 1992, 886). Er - der Kläger - habe innerhalb kurzer Zeit sein Bauvorhaben realisiert. Zwar sei er vom ursprünglichen Bauvertrag zurückgetreten, habe aber mit anderen Baufirmen das Bauvorhaben entsprechend den ursprünglichen Bauplänen realisiert.

Der Kläger beantragt, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1992 i. d. F. der Einspruchsentscheidung Aufwendungen in Höhe von 43 734,41 DM als Vorkosten zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II. Die Revision ist unbegründet.

Zu Recht hat das FG die Abstandszahlung und die Rechtsanwaltskosten nicht als Vorkosten berücksichtigt.

1. Der Abzug als Vorkosten setzt nach § 10 e Abs. 6 EStG unter anderem einen unmittelbaren Zusammenhang der Aufwendungen mit der Anschaffung oder Herstellung der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung voraus.

a) Nach dem Senatsurteil vom X R 6/91 (BFHE 165, 85, BStBl II 1991, 916) kann ein unmittelbarer Zusammenhang von Aufwendungen mit der Anschaffung oder Herstellung eines Gebäudes nur angenommen werden, wenn die Wohnung tatsächlich hergestellt oder angeschafft und zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Aufwendungen für ein Objekt, das der Steuerpflichtige nicht verwirklicht, sind nicht nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehbar.

b) Nicht zu entscheiden hatte der Senat bisher über den Abzug ,,vergeblicher'' Aufwendungen bei Verwirklichung des geplanten Objekts. Die Finanzverwaltung lässt Vorauszahlungen, für die (z. B. wegen Konkurses des Bauunternehmers) keine Herstellungsleistungen erbracht werden (sog. vergebliche Herstellungsaufwendungen), zum Abzug als Vorkosten zu, wenn das Bauvorhaben realisiert worden ist und das Objekt entsprechend der ursprünglichen Planung zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird (, BStBl I 1994, 887, Rz. 98). Der Senat teilt diese Auffassung. Der unmittelbare Zusammenhang mit der Herstellung der eigen genutzten Wohnung ergibt sich in solchen Fällen daraus, dass die Aufwendungen für künftige Herstellungsleistungen bezahlt worden sind und bei vertragsgemäßer Errichtung durch den ursprünglich beauftragten Unternehmer den Herstellungskosten des Gebäudes zuzuordnen gewesen wären. Im Unterschied zu den - auf der Suche nach einer Wohnung entstandenen - Fahrt- und Besichtigungskosten, die der Senat auch bei nachfolgendem Erwerb einer Wohnung nicht als Vorkosten berücksichtigt hat (Urteil vom X R 52/92, nicht veröffentlicht - NV -), hängen die ,,vergeblichen Herstellungsaufwendungen'' mit einem konkreten Objekt zusammen.

c) Entgegen der Auffassung des Klägers gehören zu den als Vorkosten zu berücksichtigenden ,,vergeblichen Herstellungsaufwendungen'' aber nur solche Aufwendungen, die der Auftraggeber für Herstellungsleistungen bezahlt hat, die aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht erbracht worden sind. Anders als in den Fällen der Insolvenz des Bauunternehmers ist im Streitfall der Betrag von 35 000 DM nicht für (künftige) Leistungen zur Herstellung des Gebäudes bezahlt worden. Die außergerichtlich vereinbarte Abstandszahlung von 35 000 DM ist vielmehr eine Folge der Entscheidung des Klägers, dem Generalunternehmer den Bauauftrag zu entziehen. Die Abfindung gilt den durch den Entzug des Bauauftrags entstandenen Schaden des Unternehmers ab.

d) Es fehlt somit an dem vom Gesetz geforderten unmittelbaren Zusammenhang der Aufwendungen mit der Herstellung des Gebäudes. Sie hängen allenfalls mittelbar mit der Herstellung zusammen, soweit durch die Kündigung des Bauvertrages und die Vergabe der Bauarbeiten an andere preiswertere Unternehmer letztlich die Herstellungskosten gegenüber dem ursprünglich vereinbarten Festpreis gemindert worden sind. Ein nur mittelbarer Zusammenhang reicht jedoch für den Abzug als Vorkosten nicht aus (vgl. , BFHE 178, 429, BStBl II 1996, 186). Insofern unterscheiden sich die Voraussetzungen des Vorkostenabzugs von denen des Werbungskostenabzugs, so dass der Senat mit seiner Entscheidung nicht von dem (BFHE 186, 427, BStBl II 1999, 20) abweicht, in dem Schadenersatzzahlungen an den Architekten wegen vorzeitiger Kündigung des Architektenvertrags als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des tatsächlich errichteten Gebäudes zum Abzug zugelassen wurden.

e) Da die Kosten eines Rechtsstreits als Folgekosten die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Aufwendungen teilen, um die gestritten wird (z. B. , BFHE 168, 104, BStBl II 1992, 805; vom IX R 83/90, BFH/NV 1996, 542), sind die geltend gemachten Gerichts- und Anwaltskosten ebenfalls nicht als Vorkosten abziehbar.

2. Zu Unrecht beruft sich der Kläger für seine Auffassung auf das BFH-Urteil in BFHE 167, 396, BStBl II 1992, 886.

Der Senat hat in diesem Urteil zu der seinerzeit umstrittenen Frage, ob Erhaltungsaufwendungen überhaupt unmittelbar mit der Anschaffung der Wohnung zusammenhängen können, ausgeführt, er sei mit der herrschenden Meinung der Auffassung, als Erhaltungsaufwand zu beurteilende Renovierungskosten einer Wohnung erfüllten das Merkmal des unmittelbaren Zusammenhangs mit der Anschaffung, wenn der Steuerpflichtige im Anschluss an den Erwerb oder im Anschluss an den notariellen Übergabevertrag die Wohnung in Stand setze. Es genüge insoweit ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang. Dieses Ergebnis werde durch § 10 f Abs. 2 Satz 2 EStG bestätigt, da nach dieser Vorschrift Erhaltungsaufwendungen unter bestimmten Voraussetzungen abgezogen werden könnten, soweit sie nicht nach § 10 e Abs. 6 EStG berücksichtigt worden seien. Der Senat grenzte sich hiermit von einer im Schrifttum vertretenen Auffassung ab, nach der vor Bezug entstandenen Erhaltungsaufwendungen - anders als z. B. den Finanzierungskosten - die vom Gesetz geforderte Beziehung zum Anschaffungsvorgang fehle. Sie seien zwar während der Anschaffungsphase entstanden; ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Anschaffung bestehe jedoch nicht. Die Aufwendungen setzten vielmehr die Anschaffung logisch voraus (vgl. die Nachweise in BFHE 167, 396, BStBl II 1992, 886, unter 1. b).

Das zeitliche Element ist jedoch nur bei Erhaltungsaufwendungen und laufenden Grundstückskosten von Bedeutung. Selbst bei diesen Aufwendungen muss aber zu der zeitlichen Nähe ein unmittelbarer Bezug zum Gebäude oder zum Grundstück (vgl. , BFHE 184, 344, BStBl II 1998, 18, zu laufenden Grundstückskosten) oder zur Anschaffung hinzukommen. Einen unmittelbaren Zusammenhang der Erhaltungsaufwendungen mit der Anschaffung hat der Senat daher verneint, wenn der Erwerber die Wohnung nach der Anschaffung zunächst vermietete oder in einen nicht kurzfristig kündbaren Mietvertrag eintrat oder die Wohnung wegen eines darauf lastenden Wohnungsrechtes zunächst nicht zu eigenen Wohnzwecken nutzen konnte (, BFH/NV 1998, 1469, m. w. N.).

Für den Abzug der im Streitfall als Vorkosten geltend gemachten Schadenersatzzahlung und der Prozesskosten reicht die zeitliche Nähe zur Errichtung des Gebäudes nicht aus.

Fundstelle(n):
BStBl 2000 II Seite 665
BB 2000 S. 2193 Nr. 43
BFH/NV 2000 S. 1534 Nr. 12
DB 2000 S. 2200 Nr. 44
DStR 2000 S. 1863 Nr. 44
DStRE 2000 S. 1182 Nr. 22
FR 2000 S. 1220 Nr. 22
INF 2000 S. 730 Nr. 23
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