Besitzen Sie diesen Inhalt bereits, melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.

Dokumentvorschau
infoCenter (Stand: April 2020)

Rücknahme und Widerruf von Steuerverwaltungsakten

Alexander v. Wedelstädt

I. Definition

Die Korrektur von Steuerverwaltungsakten, die nicht Steuerbescheide oder ihnen gleichgestellte Bescheide sind oder für die Sonderregelungen gelten wie für verbindliche Zusagen nach einer Außenprüfung (§§ 206, 207 AO) und für Aufteilungsbescheide (§ 280 AO), erfolgt durch ihre Rücknahme nach § 130 AO oder ihren Widerruf nach § 131 AO (AEAO vor §§ 130, 131, Nr. 1). Die Vorschriften sind nicht auf Kindergeldfestsetzungen anwendbar ().

II. Rechtswidrigkeit/Rechtmäßigkeit

§ 130 AO regelt die Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts, § 131 AO den Widerruf des rechtmäßigen Verwaltungsakts.

Ein Verwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn er ohne Rechtsgrundlage oder unter Verstoß von Rechtsnormen formeller oder materieller Art oder ermessensfehlerhaft erlassen wurde oder auf einem falschen Sachverhalt beruht (AEAO zu § 130, Nr. 1). Wird der Verwaltungsakt geheilt (§ 126 AO), umgedeutet (§ 128 AO) oder berichtigt (§ 129 AO), wird er rechtmäßig.

Ein Verwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn er ohne Rechtsgrundlage oder unter Verstoß von Rechtsnormen formeller oder materieller Art oder ermessensfehlerhaft erlassen wurde. Die nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage führt nur dann zur Rechtswidrigkeit, wenn sie rückwirkende Kraft hat.

Ein Verwaltungsakt ist rechtmäßig, wenn seine sachliche Regelung mit den gesetzlichen Bestimmungen in Einklang steht und kein Verstoß gegen erhebliche Form-, Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften vorliegt. Ermessensentscheidungen verlangen darüber hinaus, dass die Finanzbehörde bei der Entscheidung von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten hat (§ 5 AO).

III. Begünstigende/belastende Verwaltungsakte

Die §§ 130 und 131 AO unterscheiden außerdem zwischen

und machen davon unterschiedliche Korrekturmöglichkeiten abhängig, um das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Bestand des Steuerverwaltungsakts zu schützen.

Begünstigend sind Verwaltungsakte, die ein Recht oder einen rechtlichen Vorteil begründen oder bestätigen, m.a.W. ein Verwaltungsakt ist begünstigend, wenn der Betroffene an seiner Aufrechterhaltung ein schutzwürdiges Interesse hat (AEAO zu § 130, Nr. 4). Beispiele s. AEAO vor §§ 130, 131 Nr. 2.

Nicht begünstigend (oder belastend) sind Verwaltungsakte, die ein Tun, Dulden oder Unterlassen verlangen, Rechte beschränken, entziehen oder ihre Gewährung ablehnen oder eine ungünstige Feststellung treffen, also z.B. Prüfungsanordnungen, Leistungsgebote, Festsetzung steuerlicher Nebenleistungen, Zwangsgeldandrohungen und -festsetzungen, Haftungs- und Duldungsbescheide, Ablehnung von begünstigenden Verwaltungsakten (Beispiele s. AEAO vor §§ 130, 131, Nr. 3).

IV. Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts (§ 130 AO)

1. Belastender Verwaltungsakt

Ein rechtswidriger (s. II.) belastender (s. III.) Verwaltungsakt kann jederzeit, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft wie für die Vergangenheit von Amts wegen sowie auf Antrag des Steuerpflichtigen zurückgenommen werden. Das gilt auch für einen nichtigen Verwaltungsakt. Der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch auf die Rücknahme eines unanfechtbaren Verwaltungsakts, sondern nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Prüfung (AEAO zu § 130, Nr. 2).

2. Begünstigender Verwaltungsakt

Die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts unterliegt aus Gründen des Vertrauensschutzes des Betroffenen Beschränkungen.

Er darf nur zurückgenommen werden,

  • wenn er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 AO),

  • wenn er durch unlautere Mittel wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist (§ 130 Abs. 2 Nr. 2 AO); arglistige Täuschung ist die bewusste und vorsätzliche Irreführung, Drohung psychischer Zwang und Bestechung die Erwirkung pflichtwidriger Amtshandlung durch Gewähren oder Versprechen von Vorteilen, §§ 331 ff. StGB.

    § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO ist auch anwendbar, wenn ein Dritter die unlauteren Mittel zur Erwirkung des Verwaltungsakts eingesetzt hat; Dritter kann auch ein Amtsträger sein, wobei es nicht erforderlich ist, dass er vom Betroffenen zu dem unlauteren Handeln veranlasst wurde,

  • wenn der Begünstigte den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (§ 130 Abs. 2 Nr. 3 AO), ihre Unrichtigkeit muss den Entscheidungsbereich betreffen,

  • wenn seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder grob fahrlässig nicht bekannt war (§ 130 Abs. 2 Nr. 4 AO); nicht ausreichend ist, dass der Begünstigte die Umstände kennt, die die Rechtswidrigkeit zur Folge haben, er muss das - wenn auch laienhafte - Bewusstsein der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts selbst haben ; Kenntnisse oder grob fahrlässige Unkenntnis des Vertreters oder des Bevollmächtigten sind dem Begünstigten zuzurechnen,

  • über den Gesetzeswortlaut hinaus, wenn der Betroffene der Rücknahme zustimmt oder die Rücknahme vorbehalten oder eine Auflage nicht erfüllt worden ist.

Testen Sie kostenfrei eines der folgenden Produkte, die das Dokument enthalten:

NWB MAX
NWB PLUS
NWB PRO
Wählen Sie das für Ihre Bedürfnisse passende NWB-Paket und testen Sie dieses kostenfrei
Jetzt testen