BGH Beschluss v. - 3 StR 54/21

Rechtsmittel gegen das Strafurteil eines Oberlandesgerichts: Statthaftigkeit einer sofortigen Beschwerde zum BGH gegen die Versagung einer Strafverfolgungsentschädigung; Entschädigungsanspruch bei überschießender Untersuchungshaft und Reststrafaussetzung

Gesetze: § 4 Abs 1 Nr 2 StrEG, § 8 Abs 3 S 2 StrEG, § 349 Abs 2 StPO, § 349 Abs 4 StPO, § 354 Abs 1 StPO, § 464 Abs 3 S 2 StPO, § 464 Abs 3 S 3 StPO, § 51 Abs 1 S 1 StGB, § 56 StGB

Instanzenzug: Az: 9 St 10/17

Gründe

1Das Oberlandesgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland verurteilt, den Angeklagten    A.           in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten, den Angeklagten S.     in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, den Angeklagten   H.    zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten sowie den Angeklagten Ha.    zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr. Die Vollstreckung der beiden letztgenannten Freiheitsstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es Einziehungsentscheidungen getroffen und eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt. Von einer Entschädigung des Angeklagten    H.     für Untersuchungshaft hat es abgesehen. Die Angeklagten beanstanden mit ihren Revisionen die Verletzung materiellen sowie - mit Ausnahme des Angeklagten S.     - formellen Rechts. Der Angeklagte    H.     wendet sich überdies mit sofortiger Beschwerde gegen die Versagung einer Entschädigung für die Untersuchungshaft. Die Revision des Angeklagten   H.     hat einen geringfügigen Teilerfolg in Bezug auf die Strafaussetzung zur Bewährung. Im Übrigen sind sämtliche Rechtsmittel unbegründet.

21. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat, abgesehen von der Anordnung einer Strafaussetzung zur Bewährung beim Angeklagten   H.     , keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

3Ergänzend zu den umfangreichen Ausführungen in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat hinsichtlich der Beanstandung, Erkenntnisse aus Maßnahmen nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz - G 10) seien zu Unrecht verwertet worden (vgl. etwa , StraFo 2018, 30 f.), dass die von den Angeklagten    H.     sowie Ha.    in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügen und auch deshalb keinen Erfolg haben. So werden etwa weder der nähere Inhalt des vom Oberlandesgericht an das Bundesministerium des Innern gerichteten Schreibens vom noch das Schreiben des Ministeriums vom mit einer Vielzahl beigefügter Unterlagen in teilgeschwärzter Form mitgeteilt.

42. Das Urteil hat allein insofern keinen Bestand, als die Vollstreckung der gegen den Angeklagten    H.     verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Da sich der Angeklagte in dem Verfahren über ein Jahr lang in Untersuchungshaft befand, ist die Strafe wegen der Anrechnung des bereits erlittenen Freiheitsentzugs gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB voll verbüßt. In einer solchen Konstellation kommt eine Strafaussetzung mangels noch zu vollstreckender Strafe nicht in Betracht (st. Rspr.; vgl. etwa , BGHSt 31, 25 ff.; Beschluss vom - 4 StR 83/21, juris Rn. 1 mwN; LK/Hubrach, StGB, 12. Aufl., § 56 Rn. 7).

53. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten    H.     gegen die Versagung einer Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen ist zwar zulässig, aber unbegründet.

6Der Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde steht unter den gegebenen Umständen nicht entgegen, dass eine von einem Oberlandesgericht getroffene Entscheidung angegriffen wird; denn hier handelt es sich gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 StrEG, § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO um eine Annexentscheidung zum Urteil (vgl. BGH, Beschlüsse vom - StB 32/20, juris Rn. 4; vom - StB 28/75, BGHSt 26, 250 ff.; aA Meyer, StrEG, 11. Aufl., § 8 Rn. 49).

7In der Sache hat das Rechtsmittel indes keinen Erfolg, weil eine Entschädigung für die Untersuchungshaft nicht im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 StrEG der Billigkeit entspricht. Der Senat teilt nach einer Gesamtabwägung die vom Oberlandesgericht im angefochtenen Urteil näher dargelegte Einschätzung. Dabei ist vor allem von Belang, dass die Dauer der Untersuchungshaft sowie deren Konsequenzen ausdrücklich substantiell in die Strafzumessung eingeflossen sind (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 463/96, BGHR StrEG § 4 Abs. 1 Nr. 2 Untersuchungshaft 4; vom - 3 StR 43/98, NStZ 1998, 369; , juris Rn. 24).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:051021B3STR54.21.0

Fundstelle(n):
AAAAI-59649