BGH Beschluss v. - 5 StR 569/10

Bemessung der Jugendstrafe: Härteausgleich wegen einer gesamtstrafenfähigen ausländischen Vorverurteilung

Gesetze: § 31 Abs 2 S 1 JGG

Instanzenzug: LG Neuruppin Az: 12 KLs 3/10 - 359 Js 615/02 Urteilvorgehend Az: 5 StR 143/10 Beschlussvorgehend LG Neuruppin Az: 21 KLs 13/05 Urteil

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten zunächst mit Urteil vom wegen eines am begangenen Totschlags – in Tateinheit mit Freiheitsberaubung mit Todesfolge – unter Einbeziehung einer Verurteilung des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom zu einer Einheitsjugendstrafe von sieben Jahren verurteilt. Der Senat hat mit Beschluss vom (5 StR 143/10, StraFo 2010, 296) den Schuldspruch auf Beihilfe umgestellt und den Strafausspruch hinsichtlich der Höhe der Jugendstrafe – unter Aufrechterhaltung sämtlicher Feststellungen – aufgehoben.

2Nunmehr hat das Landgericht – wiederum unter Einbeziehung der genannten Verurteilung – auf eine Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren erkannt. Die Bemessung dieser Strafe enthält durchgreifende Rechtsfehler. Dies begründet die Revision.

31. Das Landgericht war zwar durch den zurückverweisenden Senatsbeschluss hier nicht gehindert, das Vorliegen von schädlichen Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG auf neue Feststellungen zu polnischen Vorverurteilungen zu stützen, wozu es im vorangegangenen Urteil an Feststellungen gefehlt hatte. Das Landgericht durfte daher – wie geschehen – auf vier vor der verfahrensgegenständlichen Tat vom in Polen begangene Diebstahlstaten abstellen. Indes enthält die Begründung des Landgerichts, warum schädliche Neigungen noch zum Urteilszeitpunkt bestanden haben und weitere Straftaten des Angeklagten befürchten lassen (, BGHR JGG § 17 Abs. 2 schädliche Neigungen 5 mwN), den Angeklagten belastende Wertungsfehler.

4aa) Das Landgericht entnimmt dem Verhalten des Angeklagten in der seit dem andauernden Untersuchungshaft keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Veränderung seiner bisherigen Lebensauffassung und den Abbau seiner in der Tat vom deutlich gewordenen Gewaltbereitschaft (UA S. 11). Diese Wertung wird jedoch durch den im Urteil UA S. 9 referierten Bericht der JVA Wulkow nicht im Mindesten belegt. Die weitere Würdigung des Verhaltens des Angeklagten (UA S. 6), er trete unauffällig in Erscheinung, verhalte sich angemessen, verfolge die ihm erteilten Weisungen diskussionslos und wirke bei auftretenden Problemen mitunter verbal aggressiv und bedrohlich, bildet ebenfalls keine Grundlage für die Annahme einer seit 2001 fortdauernden Gewaltbereitschaft.

5bb) Soweit das Landgericht zur weiteren Begründung darauf abstellt, der Angeklagte habe in der erneuten Hauptverhandlung nicht zu erkennen gegeben, dass er Reue oder Bedauern in Bezug auf die rechtskräftig festgestellte Tat empfinde (UA S. 11), besorgt der Senat, dass die Jugendkammer eine in fortdauernder Untersuchungshaft bei dem im gesamten Verfahren zum Tatvorwurf schweigenden Angeklagten gar nicht zu erwartende Aufarbeitung der Straftat dem Angeklagten benachteiligend angelastet hat.

6cc) Der Senat kann eine weitere Gewaltbereitschaft des Angeklagten auch nicht aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe entnehmen. Das Landgericht hat eine Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht S. vom zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten wegen einer auf dem Bahnhof von Kostrzyn am begangenen Schlägerei und Körperverletzung in diesem Zusammenhang nicht bewertet. Indes ist mangels jeder näheren Darlegung der Tatumstände die Annahme, aus diesen spreche eine auf der Hand liegende und seit 2001 fortdauernde Gewaltbereitschaft, nicht möglich.

72. Das Landgericht hat es unterlassen, die infolge des referierten Beschlusses des Brandenburgischen bewilligte Auslieferung des Angeklagten zur Vollstreckung eines Strafrestes von über acht Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts S. vom in Polen in seine Erwägungen zur Bewertung eines Gesamtstrafübels einzubeziehen.

8Hätte es sich hierbei um die Verurteilung eines deutschen Gerichts gehandelt, wäre eine Einbeziehung des Urteils gemäß § 105 Abs. 2, § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG möglich gewesen (vgl. mwN). Der Senat hat in seinem Beschluss vom (5 StR 432/09, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 19) näher dargelegt, dass eine vollstreckte ausländische Vorverurteilung, die an innerstaatlichen Maßstäben gemessen gesamtstrafenfähig wäre, im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung mit Blick auf das Gesamtstrafübel zu berücksichtigen ist. Dies gilt wegen gleicher Interessenlage auch bei einer – wie hier – sicher zu vollstreckenden Strafe durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union und für die hier festzusetzende Jugendstrafe wegen einer Tat eines seit vielen Jahren erwachsenen Heranwachsenden. Das Landgericht hat die Jugendstrafe nämlich mangels kaum noch möglicher Erziehung des Angeklagten nicht – wie es § 18 Abs. 2 JGG an sich gebietet – an der Zeitdauer der erforderlichen erzieherischen Einwirkung ausrichten können, sondern auf Schuldgesichtspunkte abgestellt (UA S. 12). Somit ist auch bei der Bemessung einer Jugendstrafe unter diesen Prämissen Raum zur Berücksichtigung eines im allgemeinen strafzumessungsrechtlichen Sinne verstandenen Gesamtstrafübels (vgl. BGH aaO).

93. Die ergänzenden Feststellungen im angefochtenen Urteil hebt der Senat auf (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neu berufene Tatgericht wird die Strafe aufgrund der im ersten Urteil getroffenen, vom Senat aufrechterhaltenen Feststellungen neu zu bemessen haben. Zulässig sind lediglich solche ergänzenden Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen. Es besteht Anlass zu dem Hinweis, dass auch die Feststellungen zur Person des Angeklagten nicht – wie im angegriffenen Urteil fälschlicherweise geschehen – neu zu treffen sind.

Basdorf                                      Raum                                   Brause

                      Schneider                                  Bellay

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YAAAI-07982