BGH Urteil v. - 3 StR 84/21

Voraussetzungen einer Anstiftungshandlung: Motivation des Anstifters; Bestimmung eines anderen zur Haupttat

Gesetze: § 26 StGB, § 263 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: LG Osnabrück Az: 10 KLs 18/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug in drei Fällen sowie Beihilfe zum versuchten Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision gegen die Verurteilung. Das zu seinen Lasten eingelegte, vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft macht ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts geltend und beanstandet, dass eine mittäterschaftliche Zurechnung und die Einziehung des Wertes von Taterträgen unterblieben sind. Während die Revision der Staatsanwaltschaft insgesamt durchgreift, hat diejenige des Angeklagten lediglich in Bezug auf eine Tat Erfolg.

I.

2Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3Ein Bekannter des Angeklagten schloss sich in der Türkei mit anderen Personen zusammen, um fortdauernd Betrugsstraftaten in Deutschland zu begehen und sich hieraus bis auf weiteres eine erhebliche Einnahmequelle zu verschaffen. Nach der Planung sollten älteren Personen durch Telefonanrufe Vermögensgefährdungen suggeriert und sie so dazu gebracht werden, Gegenstände an vermeintliche Polizeibeamte zu übergeben. Eingeweihte ʺLogistikerʺ sollten in Zusammenarbeit mit den in der Türkei ansässigen Hinterleuten die Abholung koordinieren. Rekrutierte ʺAbholerʺ sollten sich als Polizeibeamte unter falschen Identitäten vorstellen und die Gegenstände zum Transfer in die Türkei in Empfang nehmen.

4Der Angeklagte lehnte es ab, für seinen Bekannten bei Privatpersonen Geldbeträge - angeblich für verschiedene deutsche Unternehmen - abzuholen, fand aber aus freundschaftlicher Verbundenheit einen anderen Bekannten, der dazu bereit und dem der betrügerische Hintergrund klar war. Zudem erklärte sich der Angeklagte einverstanden, sich für diesen zu verbürgen, den Kontakt zwischen den beiden anderen während der Fahrten zu vermitteln und sich auf kurzfristige Anforderung bereitzuhalten. Dass er eine Gegenleistung für seine Tätigkeit erhielt, hat die Strafkammer nicht feststellen können.

5Dementsprechend forderte der Angeklagte am aufgrund der Vorgaben des Hintermannes den von ihm angeworbenen Beteiligten auf, bei einer ʺKundinʺ einen Umschlag abzuholen und sich dabei unter falschem Namen vorzustellen. Während der Anfahrt übermittelte der Angeklagte Informationen zwischen dem Hintermann und dem von ihm Aufgeforderten, der insgesamt 19.000 € bei der Geschädigten entgegennahm. Dieser setzte anschließend den Angeklagten in Kenntnis, der die Nachricht und später ein das Bargeld zeigendes Lichtbild an den Hintermann weiterleitete. ʺGleichwohl nahmʺ der Angeklagte ʺdieses Vorgehen und die Schädigung des Tatopfers in Kaufʺ und gab dem Abholer die Kontaktdaten für einen Treffpunkt zur Übergabe des Geldes an einen Dritten in seinem Beisein. ʺSpätestens während der Übergabe erkannte der Angeklagte, dass es sich bei dem Geschehensablauf um einen organisierten Betrug zum Nachteil älterer Menschen handelte, um diese durch falsche Angaben zu täuschen und damit zur Übergabe von hohen Geldbeträgen an die eingesetzten Kuriere zu veranlassenʺ (1. Tat).

6Im Folgenden leitete der Angeklagte jeweils Anweisungen des Hintermannes an den von ihm Angesprochenen weiter. Dieser holte sodann am einen Umschlag mit 9.000 € aus einem präparierten Briefkasten ab, an den eine weitere Geschädigte das Geld gesendet hatte (2. Tat). Nachdem sie erneut angerufen und ihr nunmehr eine angeblich bevorstehende polizeiliche Großaktion vorgespiegelt worden war, nahm er am auf einem Parkplatz 10.000 € entgegen (3. Tat). Beide Male übergab er im Anschluss die Geldbeträge im Büro des Angeklagten in dessen Beisein an einen nicht identifizierten Mann und erhielt dafür, ebenso wie bereits bei der ersten Tat, Anteile aus der Beute.

7In zwei weiteren Fällen blieben die Bemühungen vergeblich, da der Abholer in einem Fall aus Furcht vor Entdeckung floh (4. Tat) und im letzten Fall nach einer fingierten Übergabe festgenommen wurde (5. Tat).

II.

8Die Revision der Staatsanwaltschaft ist insgesamt begründet.

91. Die Verurteilung des Angeklagten allein wegen Beihilfe zum - teils versuchten - Betrug unterliegt zu Lasten des Angeklagten der Aufhebung, weil das Landgericht die angeklagten Taten im verfahrensrechtlichen Sinn nicht erschöpfend abgeurteilt hat und insoweit seiner Kognitionspflicht (§ 264 StPO) nicht in vollem Umfang nachgekommen ist; denn es hat eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Anstiftung zu den Betrugstaten nicht in den Blick genommen.

10Die sich aus § 264 StPO ergebende Kognitionspflicht erfordert, dass der - durch die zugelassene Anklage abgegrenzte - Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird. Der Unrechtsgehalt der Tat muss ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte Bewertung ausgeschöpft werden, soweit keine rechtlichen Gründe entgegenstehen. Fehlt es daran, so stellt dies einen sachlichrechtlichen Mangel dar (s. , juris Rn. 35 mwN).

11Diesen Maßstäben wird das Urteil nicht gerecht, weil eine etwaige Strafbarkeit des Angeklagten wegen Anstiftung zum (versuchten) Betrug (§§ 263, 26, 22, 23 Abs. 1 StGB) nicht geprüft worden ist, obschon dazu Anlass bestanden hat.

12a) Als Anstifter strafbar macht sich gemäß § 26 StGB derjenige, der einen anderen vorsätzlich zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat. Vorsatz des Anstifters setzt dabei voraus, dass der Anstifter die vorsätzliche Begehung der Haupttat durch den Haupttäter und das Hervorrufen des Tatentschlusses des Haupttäters durch ihn selbst (sog. doppelter Anstiftervorsatz) zumindest für möglich hält (kognitives Element) und billigend in Kauf nimmt (voluntatives Element, s. , NStZ-RR 2021, 49, 50 mwN). Anstifter kann auch sein, wer kein ideelles oder materielles Interesse am Taterfolg hat. Auf seine Motivation kommt es grundsätzlich nicht an (vgl. , BGHR StGB § 26 Bestimmen 4).

13Bezugsgegenstand der Anstiftung ist eine konkret-individualisierte Tat. Welche zur Tatindividualisierung tauglichen Merkmale jeweils erforderlich sind, entzieht sich dabei einer abstrakt-generellen Bestimmung und kann nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls entschieden werden. Ein zu einer konkreten Tat fest Entschlossener kann nicht mehr zu ihr bestimmt werden (omnimodo facturus); denn in diesem Fall fehlt es an der erforderlichen Kausalität der Anstiftungshandlung. Bis zum Tatentschluss bleibt allerdings ein Bestimmen zu einer konkreten Tat selbst dann noch möglich, wenn der Haupttäter bereits allgemein zu derartigen Taten bereit war und diese Bereitschaft auch aufgezeigt oder sogar selbst die Initiative zu den Taten ergriffen hat (s. , BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 Anstiftung 1 Rn. 24 mwN).

14b) Demgemäß kommt nach den bislang getroffenen Feststellungen eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Anstiftung in Betracht, falls nicht nach den Gesamtumständen eine mittäterschaftliche Begehungsweise (§ 25 Abs. 2 StGB) anzunehmen ist.

15aa) Ausweislich der Urteilsgründe veranlasste jeweils der Angeklagte den von ihm angesprochenen Abholer dazu, Bargeld in Empfang zu nehmen oder sich um eine entsprechende Entgegennahme zu bemühen. Ohne die Kommunikation zwischen beiden hätte der Angesprochene die konkrete Tat demnach nicht begangen, da er auf die Information angewiesen war, wo und zu welcher Zeit er Geld abholen sollte. Dafür ist nicht entscheidend, dass er sich zuvor allgemein bereiterklärt hatte, zukünftig auf Abruf für verschiedene Fahrten zur Verfügung zu stehen (vgl. etwa , StV 2018, 519 Rn. 10); denn zu der konkreten Tat hatte er sich gerade noch nicht entschlossen.

16Der eigene Tatbeitrag des Angesprochenen stellt sich, ohne dass das Landgericht dies erörtert hat, nach den bisherigen Feststellungen als Mittäterschaft dar (vgl. etwa , juris Rn. 15 f.; vom - 5 StR 476/20, juris Rn. 1 ff., 18). Mithin scheidet eine Strafbarkeit wegen Anstiftung nicht von vornherein deshalb aus, weil sich die Anstiftungshandlung lediglich auf einen Gehilfen bezöge und daher selbst als Beihilfe zu werten wäre (vgl. , BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 29 Rn. 6; Urteil vom - StE 22/54, BGHSt 7, 234, 237).

17bb) Nach dem Urteilszusammenhang liegt eine Kenntnis des Angeklagten davon nahe, dass er als einziger direkten Kontakt zu dem Abholenden hatte und dieser mithin allein aufgrund seiner Vorgaben tätig werden konnte. Zudem wusste er jedenfalls nach der ersten Tat, dass das Vorgehen zum Ziel hatte, ältere Menschen durch falsche Angaben zu täuschen und so zur Geldübergabe zu veranlassen.

18cc) Eine vor diesem Hintergrund zu bedenkende Anstiftung ist selbst bei der ersten Tat nicht auszuschließen, weil es insoweit an widerspruchsfreien Feststellungen zu dem Zeitpunkt fehlt, in dem der Angeklagte das Betrugsgeschehen erkannte.

19Die Urteilsgründe legen zunächst dar, der Angeklagte habe ʺdie Schädigung des Tatopfers billigend in Kauf genommenʺ, als er die Kontaktdaten zur Übergabe des Geldes an die Hinterleute weiterleitete. Im Folgenden heißt es dann, er habe den Betrug ʺspätestens während der Übergabeʺ erkannt. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung hat die Strafkammer schließlich in Bezug auf alle Taten ausgeführt, der Angeklagte habe ʺsich zur fortgesetzten Unterstützung einer unbestimmten Anzahl künftiger Betrugstatenʺ bereiterklärt. Ihm sei ʺdie strukturelle Vorgehensweise des Tatplans in den wesentlichen Zügen bekanntʺ gewesen. Danach ist letztlich unklar, wann genau er von dem auf Täuschung angelegten Konzept erfuhr. Angesichts der Widersprüche ist zumindest nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen, dass er bereits Kenntnis hatte, als er die Daten der ersten Geschädigten weiterleitete.

202. Die zu Unrecht unterbliebene Erörterung einer etwaigen Strafbarkeit wegen Anstiftung hat die Aufhebung des gesamten Urteils mit den Feststellungen zur Folge. Eine eigene Sachentscheidung des Senats scheidet mit Blick auf die unklaren Feststellungen zum Vorsatz des Angeklagten und § 265 StPO aus. Der Umfang und die Verschränkung der durch den Rechtsfehler betroffenen Feststellungen stehen entgegen, solche aufrechtzuerhalten (§ 353 Abs. 2 StPO).

21Demnach sind hier Ausführungen zu der Einziehung von Wertersatz entbehrlich, die eine - sich für den Angeklagten bislang nicht ergebende - faktische oder wirtschaftliche Mitverfügungsmacht des jeweiligen Tatbeteiligten voraussetzt (vgl. etwa , NStZ 2021, 37 Rn. 14; vom - 3 StR 144/18, juris Rn. 10 mwN). Ebenso wenig bedarf näherer Erörterung, dass es nach den aus der Urteilsurkunde ersichtlichen Gründen der angefochtenen Entscheidung keinen sachlichrechtlichen Fehler darstellt, nicht auch eine kriminelle Vereinigung nach § 129 Abs. 2 StGB in Betracht gezogen zu haben (vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen und zu einem aufgrund der dortigen konkreten Feststellungen abweichenden Ergebnis ).

22Das zur weiteren Entscheidung nunmehr berufene Tatgericht wird je nach den künftigen Feststellungen erneut eine Strafbarkeit des Angeklagten als Mittäter zu erwägen haben.

233. Dass das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft gemäß § 301 StPO ebenfalls zugunsten des Angeklagten wirkt und wegen ihn belastender Rechtsfehler auch zu einer teilweisen Aufhebung zu seinen Gunsten führt, bedarf angesichts der von ihm selbst eingelegten Revision (vgl. sogleich unter III.) keiner weiteren Erörterung.

III.

24Die Revision des Angeklagten hat lediglich insoweit Erfolg, als die Feststellungen eine Verurteilung in Bezug auf die erste Tat nicht tragen.

251. Aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung ergibt sich nicht, dass der Angeklagte bei der ersten Tat vorsätzlich im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB Hilfeleistungen für einen Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) erbrachte.

26a) Ein Gehilfenvorsatz setzt voraus, dass der Gehilfe in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern (s. , juris Rn. 12 mwN). Nach Beendigung der Haupttat ist Beihilfe zu dieser nicht mehr möglich (vgl. , NStZ 2014, 82 Rn. 4 mwN).

27b) Soweit bei der ersten Tat fördernde Handlungen ersichtlich sind, ist für diesen Zeitraum ein Vorsatz des Angeklagten nicht sicher festgestellt. Ab dem Zeitpunkt, zu dem die Strafkammer jedenfalls einen Vorsatz angenommen hat, sind keine Beihilfehandlungen erkennbar.

28Es ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht, dass der Angeklagte von der Haupttat - zumindest nach ihren wesentlichen Merkmalen - wusste (s. zu den Anforderungen etwa , NStZ-RR 2015, 75, 76 mwN), als er handelte, bevor die Geschädigte das Geld aushändigte. Soweit er im Folgenden das Betrugsgeschehen erfasste, genügen die konkret getroffenen Feststellungen ebenfalls nicht, um eine vorsätzliche (sukzessive) Beihilfe zum Betrug anzunehmen.

29Wie bereits dargelegt, ist der genaue Zeitpunkt unklar, zu dem der Angeklagte den Sachverhalt durchschaute. Während er einerseits schon bei Weiterleitung der Informationen zum Treffpunkt Vorsatz gehabt haben soll, soll er andererseits spätestens während der Übergabe vom Abholer an ein anderes Bandenmitglied die Abläufe erkannt haben. Nach diesem letzten Zeitpunkt sind keine auf die erste Tat bezogenen Handlungen des Angeklagten mehr gegeben. Selbst wenn auf den früheren Zeitpunkt abgestellt würde, wäre eine Beihilfe zum Betrug nicht belegt; denn eine vorangegangene Beendigung der Haupttat liegt nach den Urteilsfeststellungen nahe. Die Geschädigte hatte den Umschlag mit dem Geld bereits übergeben und der Abholer sich damit zumindest zu seinem Fahrzeug begeben (s. zur Tatbeendigung etwa BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 266/17, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Beendigung 2 Rn. 16 ff.; vom - 2 StR 435/13, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Beendigung 1 Rn. 5).

30c) Der Schuld- und Strafausspruch ist infolge des aufgezeigten Rechtsfehlers in Bezug auf die erste Tat mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben. Dies zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

312. Die weitere Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung des Angeklagten hat keinen sonstigen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.

32Dies gilt auch, soweit das Landgericht die zweifache Schädigung derselben Person als zwei selbständige Taten im Sinne des § 53 Abs. 1 StGB gewertet hat. Unabhängig davon, dass die Täter jeweils dieselbe Legende nutzten, liegt der späteren Geldübergabe eine auf einem neuen Tatentschluss beruhende weitere Täuschung der Geschädigten zugrunde (vgl. , juris Rn. 10 mwN). Es handelt sich jeweils um mehrere Tage auseinanderliegende gesonderte Taten, für die sowohl die Haupttäter als auch der Angeklagte individuelle Beiträge erbrachten.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:010721U3STR84.21.0

Fundstelle(n):
wistra 2022 S. 24 Nr. 1
YAAAH-89021