Reform des Gemeinnützigkeitsrechts durch das JStG 2020
Der neue § 57 AO – Handlungsbedarf im gemeinnützigen Konzern
[i]Seeger/Kurz/Grummann/Roller/Imberg, Die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts, NWB Verlag, Herne 2021, ISBN: 978-3-482-68141-7 Bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum sog. JStG 2019 wurde eine Reform der Gemeinnützigkeit diskutiert. Damals jedoch scheiterte die Länderinitiative mit der Folge, dass die vorgesehenen Regelungen zum Gemeinnützigkeitsrecht ersatzlos gestrichen wurden. Umso überraschender war daher die Zustimmung zu einem Großteil der geplanten Neuerungen im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zum JStG 2020. Die Neuregelungen bringen zahlreiche Erleichterungen, neue Handlungsspielräume und mehr Rechtssicherheit für steuerbegünstigte Körperschaften mit sich und können durchaus als weitreichendste Reform des Gemeinnützigkeitsrechts seit dem „Ehrenamtsstärkungsgesetz“ aus 2013 bezeichnet werden. Besonders hervorzuheben ist die Erweiterung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch § 57 Abs. 3 und 4 AO.
Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .
I. Neuer Denkansatz zur steuerlichen Beurteilung von Kooperationen
[i]Bisher: isolierte BetrachtungsweiseKooperationen ermöglichen es in der Regel, eine Vielzahl von Vorhaben effektiver und effizienter umzusetzen. Ressourcen sowie besonderes Know-how sind gerade im Non-Profit-Sektor häufig nur begrenzt verfügbar und können im Rahmen arbeitsteiligen Zusammenwirkens wirtschaftlich sinnvoller eingesetzt werden. Die Gestaltungsmöglichkeiten kooperativen Zusammenwirkens wurden allerdings in der Vergangenheit durch die restriktiven Leitplanken des Steuerrechts eingeengt und konnten bei einer unzureichend geplanten Umsetzung schnell durch unerwartete Steuerbelastungen infrage gestellt werden.
[i]Jetzt: Gesamtbetrachtung und dadurch neue Möglichkeiten ...Herzstück der Reform ist nun ein neuer Denkansatz, wonach es für die gemeinnützigkeitsrechtliche Beurteilung von Kooperationen zwischen steuerbegünstigten Unternehmen auf eine Gesamtbetrachtung ankommt. Dieses Umdenken eröffnet gänzlich neue Möglichkeiten für die Ausgestaltung eines arbeitsteiligen Zusammenwirkens zwischen steuerbegünstigten Körperschaften: klassische steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe im Zusammenhang mit reinen „Vorleistungen“ für eine steuerbegünstigte Tätigkeit werden wegfallen, verdeckte Gewinnausschüttungen verlieren an Bedeutung ebenso wie die Verrechnungspreisthematik bei Konzernstrukturen. Hinzu kommen eine erweiterte Möglichkeit der Mittelverwendung, die Bestätigung der Gemeinnützigkeit von reinen Holdingkörperschaften und die Umwidmung gewerblicher in steuerbegünstigte Körperschaften.
[i]... sowohl in Bezug auf neue Kooperationen ...Ausgangspunkt der bisherigen Diskussion um Möglichkeit und Reichweite von Kooperationen war u. a. der Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 57 Abs. 1 AO. Dieser verlangt, dass die satzungsmäßigen Zwecke einer Körperschaft grundsätzlich von dieser S. 1223selbst, also unmittelbar, zu verwirklichen sind. Bisher galt daher für die arbeitsteilige Zusammenarbeit von Körperschaften, dass für jede Körperschaft gesondert zu prüfen war, ob sie selbst unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke verwirklicht.
Eine Krankenhaus gGmbH (§ 67 AO) verwirklicht ihre steuerbegünstigten Zwecke (Förderung des Gesundheitswesens) unmittelbar durch die Behandlung der Krankenhauspatienten. In diesem Zusammenhang besteht eine Kooperation mit der Wäscherei GmbH, welche die Wäsche des Krankenhauses reinigt.
Ergebnis bisher: Vor Inkrafttreten der Reform des Gemeinnützigkeitsrechts konnte die Wäscherei GmbH nicht als gemeinnützige Körperschaft ausgestaltet werden, weil die Leistungen – auf Grundlage der bislang vorgenommenen isolierten Betrachtungsweise auf die einzelnen Rechtsträger – selbst nicht zur Verwirklichung eines steuerbegünstigten Zwecks führten. Die Wäscherei GmbH unterlag daher mit sämtlichen Einkünften der Ertragsbesteuerung.
[i]... als auch hinsichtlich der MittelweitergabeEbenfalls zu beachten waren die Grundsätze zur Mittelweitergabe des § 58 Nr. 1 und 2 AO (a. F.). Demnach konnten gemeinnützige Körperschaften Mittel an andere gemeinnützige Körperschaften weiterleiten, wenn diese sie ebenfalls für steuerbegünstigte Zwecke einsetzten.
In dem Beispiel 1 war die Mittelweitergabe von der Krankenhaus gGmbH an die Wäscherei GmbH also nicht möglich, weil die Wäscherei GmbH nicht als gemeinnützige Körperschaft ausgestaltet werden konnte.
Sowohl hinsichtlich der Mittelweitergabe zwischen steuerbegünstigten Körperschaften als auch in Bezug auf mögliche Kooperationen und Holdingstrukturen bringt das JStG 2020 (BGBl 2020 I S. 3096) neue Möglichkeiten mit sich.
II. Neuregelung des § 57 Abs. 3 AO (Unmittelbarkeitserfordernis)
[i]Erweiterung des UnmittelbarkeitsgrundsatzesDer Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 57 Abs. 1 AO wurde durch die neuen Absätze 3 und 4 erheblich erweitert. § 57 Abs. 3 AO sieht nunmehr vor, dass eine Körperschaft ihre steuerbegünstigten Zwecke auch dann unmittelbar verwirklicht, wenn sie mit einer weiteren steuerbegünstigten Körperschaft planmäßig zur Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke zusammenarbeitet. Für die Frage, ob die Kooperation gemeinnützige Zwecke erfüllt, soll dann eine Gesamtbetrachtung maßgeblich sein:
[i]Gesetzestext zu § 57 Abs. 3 AO „ 1Eine Körperschaft verfolgt ihre steuerbegünstigten Zwecke auch dann unmittelbar im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn sie satzungsgemäß durch planmäßiges Zusammenwirken mit mindestens einer weiteren Körperschaft, die im Übrigen die Voraussetzungen der §§ 51 bis 68 erfüllt, einen steuerbegünstigten Zweck verwirklicht. 2Die §§ 14 sowie 65 bis 68 sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass für das Vorliegen der Eigenschaft als Zweckbetrieb bei der jeweiligen Körperschaft die Tätigkeiten der nach Satz 1 zusammenwirkenden Körperschaften zusammenzufassen sind.“
Der neue § 57 Abs. 3 AO führt dazu, dass auch Körperschaften, die abgesehen von dem Unmittelbarkeitsgrundsatz gem. § 57 Abs. 1 AO alle Voraussetzungen der §§ 51 bis 68 AO erfüllen, als steuerbegünstigte Körperschaften anerkannt werden können. § 57 Abs. 3 AO S. 1224gesteht diesen Körperschaften somit eine unmittelbare Zweckverwirklichung über die Kooperation bzw. das planmäßige Zusammenwirken mit anderen steuerbegünstigten Körperschaften zu.
Für das Beispiel zur Wäscherei GmbH ergibt sich daher zukünftig eine andere Lösung.
Ergebnis neu: Aufgrund der Regelungen in § 57 Abs. 3 AO gelten die im Rahmen der Kooperation mit der Krankenhaus gGmbH erbrachten Wäschereileistungen als Zweckbetriebsleistungen gem. § 67 AO, soweit auch die weiteren Voraussetzungen der §§ 51 bis 68 AO erfüllt sind. Erbringt die Wäscherei GmbH auch Wäschereileistungen an nicht steuerbegünstigte Dritte, handelt es sich insoweit um einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gem. § 64 AO.
[i]Gemeinnützigkeitsrechtliche Konsolidierung der ZweckverwirklichungHintergrund dieser weiten Auslegung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes ist – laut Gesetzesbegründung – eine gemeinnützigkeitsrechtliche Konsolidierung der Zweckverwirklichung. Hierbei soll es darauf ankommen, ob durch das planmäßige Zusammenwirken steuerbegünstigte Zwecke verwirklicht werden. Diese Zusammenfassung der Einzelleistungen der kooperierenden Körperschaften führt zu einer einheitlichen Beurteilung für alle partizipierenden Körperschaften. Es kommt damit nicht mehr auf die Leistung der jeweiligen Körperschaft, sondern auf das Gesamtergebnis an.
Für die kooperierenden Körperschaften bringt die Neuregelung zahlreiche Vorteile mit sich. Insbesondere die im Rahmen von Betriebsprüfungen häufig geführte Diskussion um angemessene Verrechnungspreise zwischen steuerbegünstigten Trägerkörperschaften und ihren gewerblichen Tochtergesellschaften wird für einen Großteil der Leistungsbeziehungen beendet sein.
Die neue Regelung des § 57 Abs. 3 AO ist inhaltlich sehr zu begrüßen, da Kooperationen zwischen gemeinnützigen Körperschaften in der Praxis teilweise unerlässlich und dementsprechend weit verbreitet sind. Hinsichtlich der konkreten Umsetzung ebenso wie zur Reichweite der Vorschrift stehen allerdings noch viele Fragezeichen im Raum.
1. Reichweite und konkrete Auswirkungen des neuen § 57 Abs. 3 AO
[i]Sachverhalte der VermögensverwaltungNach derzeitigem Kenntnisstand und auch vor dem Hintergrund der bisherigen Zurückhaltung der Finanzverwaltung können offene Fragestellungen derzeit allein anhand der gesetzlichen Regelung und der Gesetzesbegründung beantwortet werden. Demnach ist von einem weiten Regelungsrahmen auszugehen, so dass beispielsweise auch Sachverhalte der Vermögensverwaltung erfasst sind. Grundsätzlich ist zu unterscheiden, ob es sich um eine Kooperation mit einer gewerblichen oder einer gemeinnützigen Körperschaft handelt. Im Zusammenhang mit der konkreten Anwendung des neuen § 57 Abs. 3 AO stellen sich zunächst zwei Fragen:
Ist die Anwendung der Regelung für gewerbliche Gesellschaften in jedem Fall von Vorteil?
In welchen Konstellationen kann § 57 Abs. 3 AO angewandt werden?
a) Ist die Anwendung von § 57 Abs. 3 AO für gewerbliche Gesellschaften vorteilhaft?
[i]Überführung einer Servicegesellschaft in die Gemeinnützigkeit grds. vorteilhaftGrundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die Überführung einer gewerblichen Servicegesellschaft in die Gemeinnützigkeit steuerlich sinnvoll ist. Diese Annahme findet sich jedoch nur dann bestätigt, wenn die Gemeinnützigkeit der Servicegesellschaft auch auf Dauer sichergestellt werden kann und diese tatsächlich zu steuerlichen bzw. gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorteilen führt. S. 1225
[i]Durchführung einer VergleichsrechnungServicegesellschaften, die sowohl Leistungen an gemeinnützige Körperschaften (= planmäßiges Zusammenwirken) erbringen als auch Leistungen, die als steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu qualifizieren wären (z. B. Leistungen an gewerbliche Dritte), sollten eine Vergleichsrechnung anstellen. Denn für den Fall, dass lediglich aus Leistungen, die nach Übergang in die Gemeinnützigkeit dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen wären, Gewinne anfielen, entfallen Verrechnungsmöglichkeiten. Diese Gewinne könnten bei einer gewerblichen Gesellschaft mit etwaigen Verlusten aus dem „planmäßigen Zusammenwirken“ verrechnet werden. Infolgedessen sinkt die Steuerbelastung. Wird die Servicegesellschaft hingegen in die Gemeinnützigkeit überführt, ist eine Verrechnung der Ergebnisse aus dem planmäßigen Zusammenwirken (dann Zweckbetrieb) und dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nicht mehr möglich. Für den Fall, dass im Zweckbetrieb Verluste anfallen, während es im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu Gewinnen kommt, wäre die Steuerbelastung folglich mit Gemeinnützigkeitsstatus höher als ohne.
[i]Gehrmann, Gemeinnützigkeit, infoCenter, NWB QAAAA-41702 Aber auch eine umgekehrte Gewinnverteilung könnte problematisch sein. Entsteht lediglich im Bereich des planmäßigen Zusammenwirkens ein Gewinn und wird daneben ein verlustiger steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb betrieben, kommt es zwar zu einer Steuerersparnis, gleichzeitig aber auch zur Gefährdung der Gemeinnützigkeit. Denn gemeinnützige Körperschaften müssen sicherstellen, dass sie ihre Mittel ausschließlich für steuerbegünstigte Zwecke einsetzen. Der Ausgleich von Verlusten im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gehört nicht dazu und führt daher auf Dauer zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit. In diesem Zusammenhang kann zunächst eine Überprüfung der bisherigen Verlustermittlung durchgeführt werden. Sollte es anschließend weiterhin zu Verlusten kommen, lässt sich die Aberkennung der Gemeinnützigkeit unter Umständen durch eine Umstrukturierung der Servicegesellschaft verhindern.
Ebenfalls zu bewerten sind etwaige arbeitsrechtliche Konsequenzen, die sich bei Überführung einer Servicegesellschaft in die Gemeinnützigkeit ergeben können.
Die Vorteile und die Erfolgsaussichten der Überführung einer Servicegesellschaft in die Gemeinnützigkeit sollten demnach im Vorfeld genauestens geprüft werden.
b) In welchen Konstellationen kann § 57 Abs. 3 AO angewandt werden?
Neben der Frage, ob die Neuregelung steuerlich vorteilhaft ist, ist zu klären, für welche Fallkonstellationen der neue § 57 Abs. 3 AO zur Anwendung kommen kann. Die folgenden Ausführungen gelten für Kooperationen zwischen steuerbegünstigten Körperschaften (ggf. nach der Überführung einer gewerblichen Servicegesellschaft in die Gemeinnützigkeit).
aa) Gesellschaftsrechtliche Struktur
Der Wortlaut des § 57 Abs. 3 AO sieht eine unmittelbare Zweckverwirklichung bereits dann vor, wenn eine Servicegesellschaft mit einer weiteren steuerbegünstigten Gesellschaft planmäßig zusammenwirkt und dadurch die satzungsmäßigen Zwecke verwirklicht werden. Eine bestimmte gesellschaftsrechtliche Struktur wird dazu nicht vorausgesetzt. Die Gesetzesbegründung nennt zwar explizit die Zusammenarbeit von Mutter- und Tochter-Gesellschaften z. B. nach einer Ausgliederung. [i]Unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit der kooperierenden GesellschaftenDiese Ausführungen können jedoch als bloße Beispielsanführung verstanden werden und schränken die Regelung daher inhaltlich nicht ein.
Damit kommt § 57 Abs. 3 AO vollkommen unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit der kooperierenden Gesellschaften zum Tragen. Es ist nicht S. 1226erforderlich, dass die Körperschaften demselben Konzernverbund angehören oder aneinander beteiligt sind.
[i]Gewinnausschüttungen bei Beteiligung gewerblicher GesellschafterSofern an der – aktuell noch gewerblichen – Servicegesellschaft auch gewerbliche Gesellschafter beteiligt sind, ist bei der Überführung in die Gemeinnützigkeit sicherzustellen, dass Gewinnausschüttungen an diese gewerblichen Gesellschafter nicht möglich sind. Halten die gewerblichen Gesellschafter die Mehrheit der Stimmrechte bzw. können sie entscheidenden Einfluss auf die Willensbildung in der Servicegesellschaft ausüben, ist zu prüfen, wie die gesellschaftsrechtlichen Strukturen umgestaltet werden können, um eine Überführung in die Gemeinnützigkeit zu ermöglichen. Grundsätzlich ist in diesen Fällen zu beachten, dass die gewerblichen Gesellschafter mit der Überführung der Gesellschaft in die Gemeinnützigkeit auch ihre Ansprüche auf Gewinnausschüttungen dauerhaft aufgeben.
bb) Neubewertung steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe
[i]Kooperationen zwischen gemeinnützigen KörperschaftenVon den Kooperationen gemeinnütziger Körperschaften mit gewerblichen Servicegesellschaften sind diejenigen Kooperationen zu unterscheiden, die bereits jetzt zwischen zwei gemeinnützigen Körperschaften bestehen. Auch in diesen Konstellationen kam es oftmals zu einer Steuerbelastung, da Funktionsleistungen – wie beispielsweise Wäschereileistungen – dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbereich zugeordnet wurden. Hauptargument war wiederum die fehlende unmittelbare Zweckverwirklichung.
Aufgrund der nunmehr vom Gesetzgeber präferierten Gesamtbetrachtung kommt es auch in diesen Fällen vornehmlich darauf an, ob im Ergebnis durch die Kooperation ein steuerbegünstigter Zweck unmittelbar verwirklicht wird.
Die Krankenhaus gGmbH bezieht Wäschereileistungen von ihrer gemeinnützigen Tochtergesellschaft. Die Wäschereileistungen wurden bisher dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugeordnet.
Ergebnis neu: Die Gesamtbetrachtung der Kooperation führt auch hier zu dem Ergebnis, dass von beiden Gesellschaften unmittelbar gemeinnützige Zwecke verwirklicht werden. Zwar erbringt die Tochtergesellschaft ihre Leistungen nicht unmittelbar gegenüber den Patienten des Krankenhauses, sondern gegenüber der Krankenhaus gGmbH. Diese Zweistufigkeit führt allerdings nicht mehr zu einer Aufsplittung der gemeinnützigkeitsrechtlichen Beurteilung der einzelnen Tätigkeiten.
Die Neuregelung in § 57 Abs. 3 AO wird folglich zu einer nicht unerheblichen Verschiebung von Erträgen aus dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb in den steuerbegünstigten Zweckbetrieb führen. In diesem Zusammenhang stellt sich nunmehr die nicht unwesentliche Frage, welche Leistungen von der neuen Kooperationsregelung erfasst sind.
cc) Funktionsleistungen
[i]Erbringung von Funktionsleistungen zur gemeinsamen Zweckverwirklichung, ...Weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesbegründung liefern Anhaltspunkte dafür, dass die einheitliche zweckbetriebliche Beurteilung von Kooperationen auf bestimmte Leistungen beschränkt sein soll. Daher ist davon auszugehen, dass sämtliche Leistungsbeziehungen, die zur gemeinsamen Zweckverwirklichung zwischen steuerbegünstigten Körperschaften ausgetauscht werden, begünstigt sind. Dabei kann der folgende Grundsatz gelten: Leistungen, die bei einer steuerbegünstigten Körperschaft im Zweckbetrieb anfallen, sind auch dann dem Zweckbetrieb zuzuordnen, wenn die einzelnen S. 1227Leistungselemente von unterschiedlichen steuerbegünstigten Körperschaften zur gemeinsamen Zweckverwirklichung erbracht werden. Erfasst wären demnach u. a. Verwaltungsleistungen, IT-Dienstleistungen, Buchführungsleistungen und die Gestellung von Personal.
[i]... auch in Form von vermögensverwaltenden LeistungenDiese Lesart führt dazu, dass auch Leistungen in Form von Nutzungsüberlassungen, die bisher der Vermögensverwaltung zugeordnet waren, zukünftig im Zweckbetrieb anfallen.
Eine Krankenhaus gGmbH überlässt Räumlichkeiten an ihre gemeinnützige Tochtergesellschaft, die MVZ gGmbH. Diese betreibt in den Räumlichkeiten ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ).
Durch die Überlassung der Räumlichkeiten verwirklicht die Krankenhaus gGmbH nicht unmittelbar gem. § 57 Abs. 1 AO einen gemeinnützigen Zweck. § 57 Abs. 3 AO führt jedoch zum Wegfall dieser isolierten Betrachtung, so dass die Kooperation mit der MVZ gGmbH zu Einnahmen im Zweckbetrieb führt.
Diese Auslegung zur Vermögensverwaltung findet sich neben § 57 Abs. 3 Satz 2 AO (durch die Einbeziehung des § 14 AO und damit zugleich die in § 14 Satz 3 AO enthaltene Definition zur Vermögensverwaltung werden u. E. auch vermögensverwaltende Leistungen von der erweiterten Betrachtung der Unmittelbarkeit erfasst, soweit die Vermietung von Immobilien an steuerbegünstigte Unternehmen für deren steuerbegünstigte Zwecke erfolgt) durchaus auch in der Gesetzesbegründung sowie zwischenzeitlich in der Kommentarliteratur (Exner, npoR 2021 S. 63) wieder. Denn danach sollen innerorganisatorische Abläufe, Strukturen und Verbindungen zwischen den kooperierenden Körperschaften die steuerliche Beurteilung des Gesamtsachverhalts nicht beeinflussen. Im Beispiel würde es nicht zu einer Vermögensverwaltung kommen, wenn die Krankenhaus gGmbH das MVZ selbst betriebe.
Die Unterscheidung zwischen Vermögensverwaltung und Zweckbetrieb hat zwar keine ertragsteuerlichen Konsequenzen, da auch die Vermögensverwaltung steuerlich begünstigt ist, für die gemeinnützigkeitsrechtliche Mittelverwendung kann sie jedoch eine gewichtige Rolle spielen. Fällt beispielsweise die Überlassung von Grundvermögen in den Bereich der Vermögensverwaltung, sind sämtliche Investitionen in diesem Zusammenhang aus freien Mitteln zu finanzieren. Für Körperschaften mit geringen freien Rücklagen oder bei Umstrukturierungen kann dies zu einer echten Herausforderung werden.
Eine einheitliche Beurteilung des planmäßigen Zusammenwirkens zwischen steuerbegünstigten Körperschaften ist daher nicht nur für die Frage, ob ein ertragsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt (Zweckbetrieb oder steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb), gefordert, sondern auch, wenn es um die Mittelverwendung geht. Vor diesem Hintergrund dürften auch Leistungsbeziehungen, die bisher im Bereich der Vermögensverwaltung angefallen sind, einer Neubewertung zu unterziehen sein.
2. Umsetzung – der Weg in die Gemeinnützigkeit bzw. den Zweckbetrieb
[i]Anwendungszeitpunkt der Neuregelung: 29.12.2020Die Neuregelung des § 57 Abs. 3 AO kann grundsätzlich seit dem (Inkrafttreten am Tag nach der Gesetzesverkündung) angewandt werden. Einer rückwirkenden Anwendung für Kooperationen zwischen steuerbegünstigten Körperschaften für noch offene Veranlagungszeiträume steht u. E. grundsätzlich nichts entgegen. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie sich die Finanzverwaltung in dem noch ausstehenden BMF-Schreiben positioniert. Voraussetzung ist allerdings, dass das planmäßige Zusammenwirken „satzungsgemäß“ erfolgt. Aktuell werden die wenigsten Körperschaften über S. 1228einen entsprechenden Satzungspassus verfügen. Soll die Begünstigung des § 57 Abs. 3 AO in Anspruch genommen werden, ist eine Satzungsanpassung somit wohl unumgänglich.
[i]Anpassung der Gesellschaftsverträge für bisher gewerbliche ServicegesellschaftenFür bisher gewerbliche Servicegesellschaften ist zudem eine grundlegende Überarbeitung der Gesellschaftsverträge erforderlich. Denn hier müssen neben den Regelungen zum planmäßigen Zusammenwirken auch sämtliche Anforderungen der AO-Mustersatzung umgesetzt werden. Die Anpassung der Gesellschaftsverträge im Laufe des Jahres 2021 führt für die Servicegesellschaften aufgrund von § 60 Abs. 2 AO nicht augenblicklich zu einer Steuerbegünstigung, da die satzungsmäßigen Voraussetzungen bei einer unterjährigen Satzungsanpassung nicht für den ganzen Veranlagungszeitraum vorlagen. Im Ergebnis können Servicegesellschaften, die ihre Gesellschaftsverträge im Laufe des Jahres 2021 anpassen, erst ab dem Veranlagungszeitraum 2022 als gemeinnützige Körperschaften anerkannt werden.
Die Regelung des § 60 Abs. 2 AO führt in diesem Zusammenhang zu einer erheblichen Verzögerung der Anwendbarkeit des neuen § 57 Abs. 3 AO. Wünschenswert wäre hier eine Billigkeitsregelung, die für entsprechende Satzungsänderungen eine Rückwirkung auf den fingiert.
[i]Einbeziehung sämtlicher Zwecke in die SatzungenHinsichtlich der satzungsmäßigen Ausgestaltung des planmäßigen Zusammenwirkens zwischen steuerbegünstigten Körperschaften gibt es aktuell seitens der Finanzverwaltung noch keine konkreten Vorgaben. Das planmäßige Zusammenwirken stellt in diesem Kontext eine Art der Zweckverwirklichung dar und ist kein gemeinnütziger Zweck an sich. Folglich sollten sämtliche Zwecke, die durch die Kooperation verwirklicht werden, Eingang in die Satzungen der Kooperationspartner finden. Insbesondere für Gesellschaften, die bisher gewerblich waren, ist die Zweckidentifizierung von Bedeutung.
Ob auch eine Benennung der Kooperationspartner innerhalb der Satzung erforderlich ist, lässt sich aus dem Gesetz nicht ableiten. Insbesondere bei Kooperationen im Konzernverbund kann es daher sinnvoll sein, neben den Leistungsbeziehungen im Konzern auch eine Öffnungsklausel für Leistungsbeziehungen mit Gesellschaften außerhalb des Konzerns aufzunehmen.
III. Neuregelung des § 57 Abs. 4 AO (Holdinggesellschaften)
Eine zusätzliche Erweiterung erfährt der Unmittelbarkeitsgrundsatz durch den neu eingefügten § 57 Abs. 4 AO, welcher den Diskussionen um die Gemeinnützigkeit von Holdinggesellschaften ein Ende setzt.
[i]Gesetzestext von § 57 Abs. 4 AO „Eine Körperschaft verfolgt ihre steuerbegünstigten Zwecke auch dann unmittelbar im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn sie ausschließlich Anteile an steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften hält und verwaltet.“
Bisher wurden Beteiligungen an gemeinnützigen Gesellschaften der Vermögensverwaltung zugeordnet, so dass reine Holdinggesellschaften keine eigenen steuerbegünstigten Zwecke verwirklichten und demnach häufig nicht als gemeinnützig anerkannt werden konnten. Die Neuregelung in § 57 Abs. 4 AO kann als Paradigmenwechsel bezeichnet werden, da nunmehr das bloße Halten und Verwalten von Beteiligungen an steuerbegünstigten Körperschaften zu einer unmittelbaren Zweckverwirklichung führt. Begründet wird die Regelung wiederum mit einer gemeinnützigkeitsrechtlichen Gesamtbetrachtung. Denn ebenso wie arbeitsteiliges Zusammenarbeiten führen auch Holdingstrukturen lediglich zu einer veränderten Struktur, nicht jedoch zu einem anderen Gesamtergebnis in Bezug auf die praktische Zweckverwirklichung.S. 1229
[i]Ausweitung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes auf reine Holdinggesellschaften§ 57 Abs. 4 AO erfasst sämtliche Holdinggesellschaften, die neben dem Halten und Verwalten von Anteilen an steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften keine weiteren Tätigkeiten erbringen (reine Holdinggesellschaften). Voraussetzung für die unmittelbare Zweckverwirklichung ist, dass Beteiligungen an steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften gehalten werden. Beteiligungen an gewerblichen Gesellschaften sollten in diesem Zusammenhang für den Gemeinnützigkeitsstatus der Holdingkörperschaft unbeachtlich sein. Diese wären wohl innerhalb der gemeinnützigkeitsrechtlichen Sphären entweder der Vermögensverwaltung oder dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen. Die Beteiligungen an steuerbegünstigten Gesellschaften wären hingegen dem Zweckbetrieb zuzurechnen.
Der Grundgedanke des § 57 Abs. 4 AO und die damit verbundene Zuordnung von Beteiligungen an steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften zum Zweckbetrieb ist konsequent und sehr positiv zu bewerten. Insbesondere, da sich die Zweckbetriebseigenschaft wohl auf sämtliche Beteiligungsstrukturen erstrecken wird. Die Reichweite und die gemeinnützigkeitsrechtlichen Konsequenzen sind daher enorm. Künftig können beispielsweise Beteiligungen an steuerbegünstigten Gesellschaften aus zeitnah zu verwendenden Mitteln finanziert werden und auch Ausgliederungen führen nicht mehr zwingend zu einem Sphärenwechsel und den damit verbunden gemeinnützigkeitsrechtlichen Problemen.
Die Erweiterung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch die neuen Absätze 3 und 4 in § 57 AO ist für die Praxis sehr zu begrüßen. § 57 Abs. 3 AO beendet die Diskussion um angemessene Verrechnungspreise zwischen gemeinnützigen Körperschaften und ihren (noch) gewerblichen Tochtergesellschaften im steuerbegünstigten Bereich. Gleichzeitig wird auch ein planmäßiges Zusammenwirken über die Konzerngrenzen hinaus gefördert. Gemeinnützigen Körperschaften eröffnen sich durch die Neuregelung erhebliche Handlungsspielräume, die schnellstmöglich durch entsprechende Satzungsanpassungen beansprucht werden sollten.
§ 57 Abs. 4 AO führt zu Rechtssicherheit für reine Holdinggesellschaften und erleichtert damit die Zusammenarbeit im gemeinnützigen Konzern. Außerdem führt die Zuordnung von Beteiligungen an steuerbegünstigten Körperschaften zum Zweckbetrieb zu erheblichen Erleichterungen im Zusammenhang mit der gemeinnützigkeitsrechtlichen Mittelverwendung.
Zu beachten ist, dass bei beiden Regelungen noch Klärungsbedarf hinsichtlich ihrer Auslegung besteht und diese betreffend ihrer Reichweite zum Teil zu unbestimmt sind. Aus Beratersicht ist eine baldige Veröffentlichung des avisierten BMF-Schreibens bzw. die entsprechenden Anpassungen des AEAO zu den offenen Fragen absolut wünschenswert.
Fundstelle(n):
NWB 2021 Seite 1222 - 1229
EAAAH-76798