Erweiterte Einziehung: Taugliche Zugriffsobjekte
Gesetze: § 73a Abs 1 StGB, § 73c Abs 1 StGB
Instanzenzug: Az: 46 KLs 29/19
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Ferner hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Die auf Verfahrensrügen und die Beanstandung der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die auf § 73a Abs. 1, § 73c Abs. 1 StGB gestützte Einziehungsentscheidung hat keinen Bestand, soweit sie über die Anordnung der Einziehung eines dem Wert der sichergestellten Geldscheine und der Rolex-Uhr entsprechenden Betrages von 172.300 Euro hinausgeht.
3a) Das Landgericht hat einen Geldbetrag in Höhe von 518.290 Euro eingezogen. Der Betrag beruht auf der Addition der Werte des aufgefundenen Bargelds (143.300 Euro), der im Zeitraum Juni 2017 bis März 2019 geleisteten Miet- und Darlehenszahlungen (44.490 Euro) sowie der Kaufpreise für den Ankauf von drei Fahrzeugen (86.500 Euro), der Rolex-Uhr (29.000 Euro) und 50 „Bitcoin Minern“ (215.000 Euro).
4b) Die Strafkammer ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die ursprünglichen Geldmittel aus nicht konkret feststellbaren rechtswidrigen Taten stammen und nicht mehr vorhanden sind. Sie hat auch beachtet, dass § 73a StGB keine rechtliche Grundlage für die Einziehung von Surrogaten darstellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 603/18, BGHR StGB § 73a nF Abs. 1 Anwendungsbereich 1; vom – 4 StR 590/18, Rn. 20), so dass hinsichtlich der sichergestellten Rolex-Uhr nicht diese selbst, sondern in Bezug auf die für deren Kauf aufgewendete, aus rechtswidrigen Taten herrührende Geldsumme die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen anzuordnen war.
5c) Rechtsfehlerhaft ist aber die erweiterte Einziehung des Wertes des zugleich als Tatmittel eingezogenen BMW 530d. Denn insoweit hat die Einziehung nach § 74 StGB Vorrang (vgl. zu § 73d aF , wistra 2010, 347, 348; zu § 73a nF LK-StGB/Lohse, 13. Aufl., § 73a Rn. 20; Schönke/Schröder/Eser/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 73a Rn. 5).
6d) Die Strafkammer hat ferner nicht erkennbar geprüft, ob alle Geldmittel beziehungsweise die damit erworbenen Surrogate bei der Begehung der Anknüpfungstaten (ab Sommer 2018) noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden waren. Den Urteilsgründen lässt sich nur entnehmen, dass Geldscheine im Wert von 143.300 Euro, die Rolex-Uhr sowie das als Tatmittel eingezogene Fahrzeug aufgefunden wurden.
7aa) Taugliche Zugriffsobjekte der erweiterten Einziehung gemäß § 73a Abs. 1, § 73c Abs. 1 StGB sind „Gegenstände“ nur dann, wenn sie oder ihre Surrogate bei Begehung der die erweiterte Einziehung eröffnenden Anknüpfungstat noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden waren (vgl. zu § 73d aF , NStZ 2001, 531; Beschluss vom – 4 StR 76/12, NStZ-RR 2012, 312, 313; BT-Drucks. 11/6623, S. 8; zu § 73a nF ; MüKo-StGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 73a Rn. 20).
8bb) Soweit dies nicht der Fall war, was zumindest auf die vor Begehung der Anknüpfungstaten entrichteten Miet- und Darlehenszahlungen zutrifft, scheidet die erweiterte Einziehung aus.
9e) Schließlich kann auf Basis der Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte die „Bitcoin Miner“ und die zwei Pkw vom Typ Mercedes S 63 AMG jedenfalls teilweise wieder verkauft und mit etwaigen Erlösen die weiteren, durch die Strafkammer der erweiterten Einziehung unterworfenen Gegenstände bezahlt oder Verbindlichkeiten getilgt hat oder die Erlöse Teil des bei ihm aufgefundenen Bargeldes geworden sind. In all diesen Fällen hätte die Strafkammer diese Vermögenswerte doppelt erfasst.
102. Die Anordnung der Einziehung bedarf daher im Umfang ihrer Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht wird ergänzende Feststellungen zu treffen haben. Diese dürfen den bindend gewordenen jedoch nicht widersprechen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:031120B6STR258.20.1
Fundstelle(n):
NAAAH-75690