BAG Urteil v. - 9 AZR 531/19

Urlaubsabgeltungsanspruch - tarifliche Ausschlussfristen

Gesetze: Art 31 Abs 2 EUGrdRCh, Art 7 Abs 1 EGRL 88/2003, Art 7 Abs 2 EGRL 88/2003, § 1 TVG, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 1 BUrlG, § 3 Abs 1 BUrlG, § 7 Abs 1 BUrlG, § 7 Abs 3 BUrlG, § 7 Abs 4 BUrlG, § 13 Abs 1 S 1 BUrlG

Instanzenzug: Az: 10 Ca 2689/18 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg Az: 4 Sa 1/19 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2017.

2Der Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern vom bis zum beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der zwischen dem Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie e.V. und der Industriegewerkschaft Metall (im Folgenden IG Metall) geschlossene Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom (im Folgenden MTV) Anwendung, der ua. regelt:

3Vom 15. September bis einschließlich war der Kläger krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Mit Schreiben vom kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich betriebsbedingt zum . Am schlossen die Parteien im Kündigungsschutzverfahren einen Vergleich, mit dem sie sich darauf einigten, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung vom mit Ablauf des geendet hat. Der Vergleich wurde nach Ablauf der bis zum vereinbarten Widerrufsfrist bestandskräftig.

4Mit Schreiben vom verlangte der Kläger von der Beklagten erfolglos, 19 Urlaubstage aus dem Jahr 2017 abzugelten. Er hat daraufhin mit einem am bei Gericht eingereichten, der Beklagten am zugestellten Schriftsatz Klage erhoben.

5Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Urlaubsabgeltungsanspruch sei nicht nach § 22 MTV verfallen. Der Anspruch sei erst mit Bestandskraft des Vergleichs entstanden. Zuvor habe die Wirksamkeit der Kündigung nicht festgestanden, und es sei ungewiss gewesen, ob ihm die Beklagte im gekündigten Arbeitsverhältnis Urlaub durch bezahlte Freistellung gewähren werde. Die tarifliche Ausschlussfrist sei wegen der fehlenden Ausnahme des gesetzlichen Mindestlohns nach § 3 Satz 1 MiLoG unwirksam, jedenfalls aber teilunwirksam. Die Wirksamkeit von § 22 MTV unterstellt, habe er die Ausschlussfrist mit der Einreichung der Kündigungsschutzklage gewahrt.

6Der Kläger hat beantragt,

7Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers sei nach § 22 MTV verfallen.

8Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Gründe

9Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist nicht begründet. Der vom Kläger geltend gemachte Urlaubsabgeltungsanspruch ist gemäß § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b, Abs. 2 MTV erloschen. Dem Kläger steht deshalb auch kein Zinsanspruch zu.

10I. Der Abgeltungsanspruch unterlag der tariflichen Ausschlussfristenregelung.

111. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts fanden die Regelungen des MTV kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

122. § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV erfasst „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“. Zu diesen gehört ua. der Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Finden sich keine sachlichen Einschränkungen, so fallen unter den Begriff der „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche, die die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben ( - Rn. 12). Hiervon ausgenommen sind allein Ansprüche auf Zuschläge nach § 6 MTV, die nach § 22 Ziffer 3 Abs. 1 a MTV geltend zu machen sind.

13II. Das Erlöschen des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV ist nicht durch höherrangiges Recht ausgeschlossen. Eine Beschränkung der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien kann sich nur aus einem Verstoß gegen höherrangiges Recht ergeben ( - Rn. 29, BAGE 148, 139; vgl. auch - 6 AZR 835/16 - Rn. 66, BAGE 162, 247; - 6 AZR 129/15 - Rn. 26 mwN).

141. § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV ist nicht gemäß § 202 Abs. 1, § 134 BGB insgesamt unwirksam. Die fehlende Ausnahme der Haftung wegen Vorsatzes hat lediglich die Teilnichtigkeit der tariflichen Regelung nach § 134 BGB zur Folge, soweit die von § 202 Abs. 1 BGB erfassten Ansprüche betroffen sind (vgl.  - Rn. 41).

152. Der Verstoß gegen § 3 Satz 1 MiLoG führt ebenfalls nur zur Teilunwirksamkeit von § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV. Die tarifliche Ausschlussfrist erfasst zwar den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn und sieht damit eine nach § 3 Satz 1 MiLoG unwirksame Beschränkung der Geltendmachung des Mindestlohnanspruchs vor. Dies führt jedoch lediglich „insoweit“ zur Unwirksamkeit der tariflichen Verfallklausel, als der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn betroffen ist. Hinsichtlich der übrigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bleibt die Verfallklausel wirksam ( - Rn. 41). Anders als bei einer vom Arbeitgeber gestellten Ausschlussfristenregelung führt die fehlende Ausnahme des gesetzlichen Mindestlohns nicht zur Unwirksamkeit der Regelung wegen Intransparenz (vgl. hierzu  - Rn. 27 ff. mwN, BAGE 163, 282), denn bei tariflichen Ausschlussfristen findet eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB iVm. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht statt ( - Rn. 23).

163. § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV ist auch nicht wegen der Kürze der darin vorgesehenen Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit unangemessen benachteiligend iSv. § 307 Abs. 1 BGB. Tarifliche Ausschlussfristen sind keiner Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB zu unterziehen ( - Rn. 20 ff.). Tarifverträge sind nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB von einer AGB-Kontrolle ausgenommen. Auch eine Inhaltskontrolle von arbeitsvertraglich insgesamt in Bezug genommenen Tarifverträgen erfolgt nicht, weil sie nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nur stattfindet, wenn von Rechtsvorschriften abgewichen wird. Tarifverträge stehen nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB Rechtsvorschriften iSv. § 307 Abs. 3 BGB gleich. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, aufgrund welcher Regelungstechnik der betreffende Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist. Voraussetzung ist, dass der Tarifvertrag das Arbeitsverhältnis in seinem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich erfasst ( - Rn. 21; - 10 AZR 300/18 - Rn. 14; - 10 AZR 290/17 - Rn. 28 f. mwN, BAGE 163, 144). Dies ist vorliegend der Fall.

174. Der Wirksamkeit von § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV steht der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nicht entgegen.

18a) Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung gesetzlichen Mindesturlaubs kann nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG als reiner Geldanspruch tariflichen Ausschlussfristen unterliegen (st. Rspr. vgl. zu tarifvertraglichen Ausschlussfristen  - Rn. 25; - 9 AZR 149/17 - Rn. 33 mwN; zu arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen  - Rn. 29, BAGE 163, 282).

19b) Ausgehend von der durch den Gerichtshof der Europäischen Union vorgenommenen und für den Senat nach Art. 267 AEUV verbindlichen Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC verstößt § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV auch nicht gegen Unionsrecht.

20aa) Die Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC enthalten keine Vorgaben hinsichtlich der Möglichkeit, den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub und - als eng mit diesem Anspruch verbundenen Anspruch - den Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub ( und C-37/19 - [Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria] Rn. 83) nach nationalem Recht einer zeitlich befristeten Geltendmachung zu unterwerfen. Fehlt es an einer unionsrechtlichen Regelung des Verfahrens der Rechtsdurchsetzung, ist es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs entsprechend dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung, die Verfahrensmodalitäten auszugestalten, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten (vgl. nur bis C-506/12, C-540/12 und C-541/12 - Rn. 112; - C-246/09 - [Bulicke] Rn. 24 f. mwN). Die getroffenen Regelungen dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) ( bis C-506/12, C-540/12 und C-541/12 - Rn. 112).

21bb) Nach dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Anwendung der Ausschlussfrist des § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV auf den in Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC verankerten Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs mit Unionsrecht vereinbar.

22(1) Die Entstehung des Anspruchs auf finanzielle Vergütung aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG wird durch § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV nicht von einer weiteren Voraussetzung abhängig gemacht. Tarifliche Ausschlussfristen betreffen nicht den Inhalt eines Anspruchs, sondern regeln den Fortbestand eines bereits entstandenen Rechts ( - Rn. 29, BAGE 139, 1).

23(2) Der Grundsatz der Äquivalenz ist gewahrt. § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV unterscheidet nicht zwischen Ansprüchen, die auf Unionsrecht beruhen und solchen, die einen ähnlichen Gegenstand und Rechtsgrund haben (vgl.  - [Bulicke] Rn. 26 mwN) und aus innerstaatlichem Recht resultieren. Der streitgegenständliche auf Abgeltung von Urlaub gerichtete Zahlungsanspruch ist mit sonstigen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber vergleichbar, insbesondere mit Ansprüchen auf Zahlung von Vergütung, für die § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV in gleicher Weise gilt. Nur in Sonderfällen, die mit dem Urlaubsabgeltungsanspruch nicht vergleichbar sind, greift die Frist des § 22 Ziffer 3 Abs. 1 a MTV.

24(3) § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Effektivität.

25(a) Die Festsetzung von angemessenen Ausschlussfristen ist als ein Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit grundsätzlich mit dem Erfordernis der Effektivität vereinbar (st. Rspr. des Gerichtshofs, vgl. nur , C-307/15 und C-308/15 - [Gutiérrez Naranjo] Rn. 69; - C-246/09 - [Bulicke] Rn. 36 mwN; - C-261/95 - [Palmisani] Rn. 28 mwN). Derartige Fristen sind nicht geeignet, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren (vgl.  - [Danske Slagterier] Rn. 48), soweit der Fristlauf nicht vor dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Arbeitnehmer von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt (vgl.  - [Bulicke] Rn. 41;  - Rn. 36, BAGE 159, 159).

26(b) § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV schränkt die Effektivität der Durchsetzung des unionsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf Urlaubsabgeltung nicht unzulässig ein. Als Ergebnisse kollektiv ausgehandelter Tarifvereinbarungen hat die Tarifnorm nach nationalem Recht die Vermutung der Angemessenheit für sich (vgl.  - Rn. 33; - 10 AZR 300/18 - Rn. 15; - 4 AZR 50/13 - Rn. 29, BAGE 148, 139; - 9 AZR 399/10 - Rn. 27, BAGE 140, 133). Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, dass die Länge der mit § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV gesetzten Frist von drei Monaten nach Fälligkeit als solche die Ausübung der vom Unionsrecht verliehenen Rechte unmöglich machen oder übermäßig erschweren könnte (vgl. für eine Frist von zwei Monaten [zu § 15 Abs. 4 AGG]  - [Bulicke] Rn. 39; - C-40/08 - [Asturcom Telecomunicaciones] Rn. 42 ff.), zumal Fälligkeit im Sinne tariflicher Ausschlussfristen nicht stets ohne weiteres schon mit der Entstehung des Anspruchs eintritt. Es muss dem Gläubiger vielmehr tatsächlich möglich sein, seinen Anspruch geltend zu machen ( - Rn. 34, BAGE 166, 222; - 5 AZR 301/17 - Rn. 27 mwN, BAGE 164, 159). Der Arbeitnehmer kann sich mithin nicht in einer Situation befinden, in der die Ausschlussfrist zu laufen beginnt oder sogar abgelaufen ist, ohne dass ihm die anspruchsbegründenden Tatsachen überhaupt bekannt sind (vgl.  - [Asturcom Telecomunicaciones] Rn. 45;  - Rn. 24, BAGE 166, 285; - 8 AZR 74/16 - Rn. 56, BAGE 159, 159). Der ausscheidende Arbeitnehmer ist zudem grundsätzlich in der Lage, seinen Abgeltungsanspruch anhand des Bundesurlaubsgesetzes und der einschlägigen tariflichen Vorschriften selbst zu berechnen und gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend zu machen. Er ist regelmäßig nicht auf zusätzliche Auskünfte angewiesen, deren Einholung zusätzliche Zeit beanspruchen würde (vgl.  - Rn. 33 mwN.).

27cc) Eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV (vgl. zu den Voraussetzungen hierfür  - Rn. 29; - 2 BvR 221/11 - Rn. 36 f. mwN;  - Rn. 23 mwN; - 4 AZR 209/15 - Rn. 49 f.; - 6 AZR 843/15 - Rn. 27 f., BAGE 158, 230) bedarf es daher nicht. Mit der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die unionsrechtlichen Grundsätze, nach denen der Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaubs einer tariflichen Ausschlussfrist unterliegen kann, als geklärt anzusehen.

28c) § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV erfasst aufgrund seiner weiten Formulierung auch den Anspruch auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs. Die Tarifvertragsparteien können die Abgeltung von Urlaubsansprüchen, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln (vgl.  - [Neidel] Rn. 34 ff. mwN;  - Rn. 28 mwN). Der tarifliche Mehrurlaub und dessen Abgeltung unterfallen weder dem tariflich unabdingbaren Schutz der §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG noch Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC (vgl.  - Rn. 13 mwN, BAGE 139, 1). Die Tarifvertragsparteien sind deshalb nicht gehindert, die Durchsetzung des Anspruchs von der Einhaltung einer tariflichen Ausschlussfrist abhängig zu machen (st. Rspr.,  - Rn. 35; - 9 AZR 399/10 - Rn. 42, BAGE 140, 133).

29III. Der Kläger hat den Urlaubsabgeltungsanspruch nicht rechtzeitig iSv. § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV geltend gemacht.

301. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Abgeltungsanspruch mit Ablauf der Kündigungsfrist am entstanden.

31a) Der Abgeltungsanspruch entsteht mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Wegfall des Abgeltungsverbots. Er wird grundsätzlich gleichzeitig fällig ( - Rn. 37; - 9 AZR 80/17 - Rn. 29 mwN). § 7 Abs. 4 BUrlG knüpft allein an die durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verursachte Unmöglichkeit an, den noch bestehenden Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers durch bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht zu realisieren ( - Rn. 30). Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfällt die Arbeitspflicht und damit die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer durch Freistellung von der Arbeitspflicht Urlaub zu gewähren ( - Rn. 31).

32b) Das von dem Kläger eingeleitete Kündigungsschutzverfahren und dessen Beendigung durch gerichtlichen Vergleich hatten auf die Entstehung des Urlaubsabgeltungsanspruchs keinen Einfluss (vgl.  - Rn. 30 ff., 37 ff.).

33aa) Der Streit der Parteien über die Wirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses führte nicht zu einer späteren Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung. Maßgeblich war allein die objektive Rechtslage (vgl.  - Rn. 20; - 9 AZR 321/16 - Rn. 55).

34bb) Entstehung und Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs wurden auch durch den im Kündigungsschutzverfahren am geschlossenen gerichtlichen Vergleich nicht hinausgeschoben. Die Parteien haben sich mit dem Prozessvergleich vom nicht nur darauf verständigt, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung mit Ablauf des beendet worden ist, sondern auch die Rechtswirkung des § 7 KSchG herbeigeführt (vgl. hierzu im Einzelnen  - Rn. 30 ff. mwN). Bezogen auf den in der Kündigung vorgesehenen Beendigungstermin haben die Parteien keine Änderung vorgenommen. Die Kündigung gilt damit als von Anfang an rechtswirksam. Es ist deshalb unerheblich, dass der Vergleich erst nach Ablauf der bis zum vereinbarten Widerrufsfrist bestandskräftig wurde.

35c) Der Einwand des Klägers, der Urlaubsabgeltungsanspruch sei nicht am entstanden, weil es vor Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens unklar gewesen sei, ob er seinen Urlaub nach Ablauf der Kündigungsfrist noch in natura würde nehmen können und die Beklagte die hierfür erforderlichen Voraussetzungen schaffen werde, ist unbehelflich.

36aa) Der Arbeitgeber darf zwar, will er seinen Mitwirkungsobliegenheiten genügen, den Arbeitnehmer nicht mit Umständen konfrontieren, die ihn davon abhalten könnten, seinen Jahresurlaub zu nehmen (vgl.  - [King] Rn. 37 ff. mwN; s. auch - C-684/16 - [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 41 f.; st. Rspr., vgl. im Einzelnen  - Rn. 55 ff.; - 9 AZR 579/16 - Rn. 50; - 9 AZR 98/19 - Rn. 28). Der Arbeitgeber ist deshalb nach Ausspruch einer Kündigung, will er seinen Mitwirkungsobliegenheiten genügen, gehalten zu erklären, er sei trotz des Streits über die Wirksamkeit der Kündigung bereit, dem Arbeitnehmer im gekündigten Arbeitsverhältnis über den vorgesehenen Beendigungstermin hinaus durch eine Freistellung und die Zahlung der Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs oder eine ihn bindende Zahlungszusage vorbehaltlos bezahlten Urlaub zu gewähren (st. Rspr., vgl.  - Rn. 15; - 2 AZR 449/15 - Rn. 68; - 9 AZR 455/13 - Rn. 18, BAGE 150, 355) und auf die Befristung des Urlaubsanspruchs und den bei Fehlen eines Urlaubsverlangens mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums eintretenden Verfall hinzuweisen (vgl.  - Rn. 51). Die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs bestehen jedoch nur, solange das Arbeitsverhältnis fortbesteht und die Gewährung des Urlaubs noch möglich ist. Endet das Arbeitsverhältnis infolge einer arbeitgeberseitigen Kündigung, ist das Risiko, den mit Beendigung entstehenden Urlaubsabgeltungsanspruch, der nicht den Regelungen von § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG unterliegt, rechtzeitig geltend zu machen, regelmäßig auch dann vom Arbeitnehmer zu tragen, wenn er - wie im Streitfall - die Wirksamkeit der Kündigung zunächst in Abrede gestellt hat.

37bb) Der Kläger war deshalb, selbst wenn für ihn die Wirksamkeit der Kündigung ungewiss war, gehalten, den Abgeltungsanspruch zur Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist vorsorglich schriftlich geltend zu machen (vgl.  - Rn. 37).

382. Der Kläger hat die in § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV vorgesehene erste Stufe der tariflichen Ausschlussfrist nicht gewahrt. Eine Geltendmachung nach Fristablauf war gemäß § 22 Ziffer 3 Abs. 2 MTV ausgeschlossen.

39a) Die Ausschlussfrist begann mit Fälligkeit des Anspruchs am Dienstag, dem , zu laufen (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB, § 193 BGB analog; vgl.  - Rn. 33, BAGE 150, 88), weil der auf einen Sonntag fiel und der ein gesetzlicher Feiertag (Neujahr) war. Die Fälligkeit des Anspruchs iSv. § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV ist nicht aufgrund besonderer Umstände, die zu einem Auseinanderfallen von Entstehung und Fälligkeit eines Anspruchs führen können (vgl.  - Rn. 38; - 9 AZR 475/10 - Rn. 37), erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten. Solche besonderen Umstände hat der Kläger nicht vorgetragen; sie sind auch nicht ersichtlich. Die anspruchsbegründenden Tatsachen waren ihm bekannt. Zum Zeitpunkt der Geltendmachung durch den Kläger mit Schreiben vom war der Anspruch bereits verfallen, denn die Ausschlussfrist des § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV endete drei Monate nach Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs mit Ablauf des (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB).

40b) Der Kläger hat die tarifliche Ausschlussfrist hinsichtlich des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung nicht durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage gewahrt. Diese Klage ließ die Obliegenheit des Klägers nicht entfallen, den Anspruch iSd. § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV geltend zu machen.

41aa) Mit einer Kündigungsschutzklage wahrt der Arbeitnehmer, ohne dass es einer bezifferten Geltendmachung bedarf, eine einstufige Ausschlussfrist bzw. die erste Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist für alle aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses resultierenden Ansprüche (st. Rspr., vgl.  - Rn. 27, BAGE 149, 169; - 5 AZR 627/11 - Rn. 14, BAGE 143, 119).

42bb) Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung knüpft nicht an den mit der Kündigungsschutzklage angestrebten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses an, sondern setzt mit der in § 7 Abs. 4 BUrlG geforderten Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerade das Gegenteil voraus. Will der Arbeitnehmer den Verfall solcher Ansprüche verhindern, reicht die Erhebung einer Kündigungsschutzklage nicht aus ( - Rn. 35 ff. mwN).

43cc) Entgegen der Auffassung der Revision liegt darin kein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG.

44(1) Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 GG gewährleistet den Parteien im Zivilprozess effektiven Rechtsschutz. Danach darf den Prozessparteien der Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Die Gerichte haben die Tragweite des Grundrechts auf einen effektiven Rechtsschutz zu beachten und das Verfahrensrecht so auszulegen und anzuwenden, dass sie hierzu nicht in Widerspruch geraten (vgl.  - zu II 2 a der Gründe, zu § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG aF). Diese Grundsätze sind auch bei der Auslegung und Anwendung von Ausschlussfristen zu beachten (vgl.  - Rn. 42, BAGE 168, 25). Dem Arbeitnehmer dürfen danach keine übersteigerten Obliegenheiten zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche auferlegt werden (vgl. zu tariflichen Ausschlussfristen  - Rn. 21 f.;  - Rn. 46 ff.; - 9 AZR 80/17 - Rn. 39). Die Beschreitung des Rechtswegs und die Ausschöpfung prozessualer Möglichkeiten kann vereitelt werden, wenn das Kostenrisiko zu dem mit dem Verfahren angestrebten Erfolg außer Verhältnis steht ( - Rn. 21 f.).

45(2) § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b MTV stellt, indem eine außergerichtliche schriftliche Geltendmachung verlangt wird, keine Hürde für den Zugang zu den Gerichten für Arbeitssachen auf (vgl.  - Rn. 38, BAGE 168, 254). Für den Arbeitnehmer entstehen durch die Obliegenheit einer schriftlichen Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs keine unzumutbaren zusätzlichen Kostenrisiken.

46c) Das Erlöschen des Anspruchs ist auch nicht nach § 22 Ziffer 3 Abs. 1 b, Abs. 2 Halbs. 2 MTV ausgeschlossen. Die Einhaltung der Ausschlussfrist ist dem Kläger nicht wegen eines unabwendbaren Ereignisses unmöglich gewesen. Dies behauptet der Kläger auch nicht.

47IV. Einem vollständigen Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs steht § 3 Satz 1 MiLoG nicht entgegen. Die Bestimmungen des MiLoG finden - wie das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt hat - auf den Abgeltungsanspruch aus § 7 Abs. 4 BUrlG keine Anwendung (vgl. hierzu im Einzelnen  - Rn. 55 ff., BAGE 168, 186). Eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht. Die Frage, ob der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung den Regelungen des MiLoG unterfällt, ist allein nach nationalem Recht zu entscheiden.

48V. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2020:271020.U.9AZR531.19.0

Fundstelle(n):
BB 2021 S. 1594 Nr. 26
ZIP 2021 S. 1568 Nr. 30
RAAAH-73337