Online-Nachricht - Donnerstag, 18.02.2021

Umwandlungssteuer | Übernahmegewinn bei rückwirkender Verschmelzung auf den Alleingesellschafter (BFH)

Die in § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 angeordnete Rückwirkung betrifft nur die Ermittlung des Einkommens der übertragenden Körperschaft und der Übernehmerin. Diese Norm führt daher nicht zum Entstehen eines Übernahmegewinns bei einem bereits verstorbenen Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, wenn diese Gesellschaft nach dem Todestag rückwirkend auf ihren neuen Alleingesellschafter verschmolzen wird (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Das Einkommen und das Vermögen der übertragenden Körperschaft sowie der Übernehmerin sind so zu ermitteln, als ob das Vermögen der Körperschaft mit Ablauf des Stichtages der Bilanz, die dem Vermögensübergang zugrunde liegt (steuerlicher Übertragungsstichtag), ganz oder teilweise auf die Übernehmerin übergegangen wäre (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002). Dieser Bilanzstichtag darf höchstens acht Monate vor der Anmeldung der Verschmelzung zur Eintragung in das Handelsregister des übertragenden Rechtsträgers liegen (§ 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG).

Sachverhalt: Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Kläger war zunächst mit 48 % an einer GmbH beteiligt; die weiteren 52 % der Anteile hielt sein Vater, der im Streitjahr verstarb. Der Kläger erhielt vermächtnisweise auch dessen GmbH-Anteile und ist seitdem Alleingesellschafter der GmbH. Die GmbH wurde mit dem Vermögen des Klägers als ihres nunmehrigen Alleingesellschafters verschmolzen. Als steuerlicher Übertragungsstichtag wurde ein Zeitpunkt, der vor dem Tod des Vaters lag, bestimmt. Auf diesen Tag stellte die GmbH eine Schlussbilanz auf.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ermittelten die Kläger einen Übernahmegewinn gem. § 4 Abs. 4 UmwStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (UmwStG 2002). Diesen rechneten sie zu lediglich 48 % dem Kläger zu. Demgegenüber setzte das FA in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid den gesamten steuerpflichtigen Übernahmegewinn bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb des Klägers an.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg ().

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen:

  • Zutreffend hat das FG § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 dahingehend ausgelegt, dass diese Norm nicht rückwirkend zum Entstehen eines Übernahmegewinns bei einem bereits verstorbenen Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft führt, wenn diese Gesellschaft nach dem Todestag auf ihren neuen Alleingesellschafter verschmolzen wird.

  • Das Vermögen der GmbH ist zivilrechtlich erst mit der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister auf den Kläger übergegangen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG; vgl. , unter II.B.1.a). Ertragsteuerrechtlich eröffnet § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 (i. V. mit § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG) aber die Möglichkeit einer begrenzten Rückwirkung.

  • Nach seinem Wortlaut betrifft § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 allein die Einkommensermittlung „der übertragenden Körperschaft sowie der Übernehmerin". Im vorliegenden Fall ist die Rückwirkung also ausschließlich in Bezug auf die GmbH und den Kläger - als Übernehmer - angeordnet. Frühere Gesellschafter der übertragenden Körperschaft sind hingegen in § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 nicht erwähnt. Auch § 4 UmwStG 2002 regelt kraft seiner amtlichen Überschrift und seines Norminhalts ausschließlich die "Auswirkungen auf den Gewinn der übernehmenden Personengesellschaft" bzw. im - hier gegebenen - Fall des § 9 UmwStG 2002 die Auswirkungen auf den Gewinn der übernehmenden natürlichen Person. Die Gewinnermittlung bei früheren - insbesondere bei während des Rückwirkungszeitraums verstorbenen - Gesellschaftern ist nicht Regelungsgegenstand dieser Norm.

  • Auf dieser Grundlage ist auch die Entscheidung des FG zu bestätigen, den Übernahmegewinn in Anwendung des § 4 Abs. 4 i. V. mit § 5 Abs. 2 UmwStG 2002 allein dem Kläger zuzurechnen.

  • Die Einlagefiktion des § 5 Abs. 2 UmwStG 2002 ist auch dann anzuwenden, wenn Anteile an der übertragenden Körperschaft, die unter § 17 EStG fallen, zwischen dem steuerlichen Übertragungsstichtag und dem zivilrechtlichen Wirksamwerden der Verschmelzung unentgeltlich übertragen werden.

Anmerkung von Honorarprofessor Dr. Gregor Nöcker, Richter im X. Senat des BFH:

Die Verschmelzung „ererbter“ GmbH-Anteile kann nicht mit ertragsteuerlicher Wirkung auf die Zeit vor den Tod des Erblassers fingiert werden. Die Rückwirkung des § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG (2002 wie 2006) betrifft ausschließlich das Vermögen der zu verschmelzenden GmbH als übertragender Körperschaft und (hier) das Vermögen des (dabei entstehenden) Einzelunternehmens des Alleingesellschafters als übernehmendem Rechtsträger. Liegt der Verschmelzung eine bei Handelsregisteranmeldung höchstens acht Monate (2020 und 2021 Corona bedingt auch zwölf Monate) alte Bilanz gem. § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG zugrunde, darf eine solche Vermögensübertragung auf deren Bilanzstichtag erfolgen. Zivilrechtlich geht das Vermögen der GmbH nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG dennoch erst mit der Eintragung der Verschmelzung auf den Alleingesellschafter in seiner neuen Funktion als Einzelunternehmer über. Nicht Regelungsgehalt der Vorschrift des § 2 UmwStG ist die Gewinnermittlung der früheren Gesellschafter der GmbH. Dies gilt auch, so das BFH-Urteil klarstellend, für während des Rückwirkungszeitraums und erst recht für vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag verstorbene Gesellschafter. Nicht nur zivilrechtlich, sondern auch ertragsteuerlich kann deren Tod nicht rückgängig gemacht werden.

Entscheidet sich der Erbe zu einer Verschmelzung der GmbH auf ihn als Gesellschafter, ist deshalb allein der auf seinen Anteil entfallende Übernahmegewinn relevant und nicht anteilig ein am steuerlichen Übertragungsstichtag noch denkbarer anteiliger Gewinn des Erblasers zu berechnen. Diese ertragsteuerliche Situation führt dazu, dass hinsichtlich der GmbH-Anteile des Erben auch die Regelungen des § 5 UmwStG, der u.a. die Einlage der steuerlich relevanten Anteile i. S. des § 17 EStG fingiert, zu beachten sind. Vorliegend bedeutet dies, dass der (zwischenzeitliche) Alleingesellschafter nicht nur seine Anteile, sondern auch die bis zum Erbfall des Vaters unter § 17 EStG fallenden Anteile nach § 5 Abs. 2 Satz 1 UmwStG fiktiv mit den Anschaffungskosten in das Betriebsvermögen des (entstehenden) Einzelunternehmens einlegt, um sie anschließend gegen das Betriebsvermögen der GmbH „zu tauschen“. Die Differenz ist der Übernahmegewinn i. S. des § 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG. An diesem sind weder der Erblasser noch die bis zur Verschmelzung abgefundene Mit-Erben zu beteiligen, weshalb sie auch keine Steuerlasten treffen können. Eine anderslautende Freistellungsvereinbarung zwischen den Erben hat ausschließlich zivilrechtliche Wirkung.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
NWB TAAAH-71751