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Rentenbesteuerung erneut vor Gericht
Zweiter saarländischer Musterfall anhängig
[i]Schindler/Braun, NWB 11/2020 S. 784Mit dem Alterseinkünftegesetz hat der Gesetzgeber den vom BVerfG geforderten Übergang auf eine nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften ab dem Jahr 2005 eingeleitet. Seit dem steht die Besteuerung der Renten in der Kritik, auch wenn der BFH in einigen Verfahren Teile des Systems für verfassungsgemäß erkannt haben will. Diese Urteile sind Ergebnis isolierter Betrachtungen von Einzelnormen, denen es an Überblick und sachlicher Überzeugungskraft mangelt. Aktuell sind drei anhängige Verfahren von Beachtung – das BFH-Verfahren X R 20/19, in dem es um private Rentenversicherungen eines Zahnarztes geht, das BFH-Verfahren X R 33/19, in dem es um einen Steuerberater geht, der auch Einzahlungen in ein Versorgungswerk erbracht hat, und das als Musterverfahren geeignete Verfahren 3 K 1072/20 vor dem FG Saarland, in welchem ein Angestellter stets steuerfreie Zuschüsse zur Rentenversicherung bekam. Im letztgenannten Verfahren lieferte der Kläger erstmals eine Berechnungsmethode (s. dazu ausführlich Schindler/Braun, NWB 11/2020 S. 784). Nun ist ein weiteres Verfahren vor dem FG Saarland hinzugekommen.
Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .
I. Neues Verfahren im Saarland
1. Klägerin begehrt Aussetzung der Vollziehung
[i]FG Saarland, Az.: 3 V 1023/21Am reichte eine Rentnerin einen Aussetzungsantrag nach § 69 FGO beim Finanzgericht ein. Die Managerin zahlte in 49 Jahren die Summe von 390.177 € in die Rentenkasse ein, wovon mindestens 154.190 € bereits versteuert waren. Dabei wird unterstellt, dass der Gesetzgeber rückwirkend den Solidarpakt kündigen durfte und die steuerfreien Arbeitgeberbeiträge bis 2005 nachträglich der Besteuerung unterworfen werden. Im vorliegenden Fall sind dies 106.064 €, die zu Unrecht als weitere Bemessungsgrundlage herangezogen werden.
Auf Basis der Entgeltpunkte (EP) aus der Deutschen Rentenversicherung hat die Rentnerin einen besteuerten Anteil der Rente von 43,17 %, wovon nach § 22 EStG jedoch nur 24 % steuerfrei belassen werden. Daher liegt eine Doppelbesteuerung von 19,17 % vor.
Die Rentnerin begehrt in ihrem Einspruchsverfahren, dass 1.500 € pro Jahr vom Vollzug ausgesetzt werden. Vorauszahlungen hatte sie keine geleistet. Die Behörde lehnte unverzüglich und ohne jede Begründung die Aussetzung der Vollziehung (AdV) ab. Das Verfahren ist nun unter dem Aktenzeichen 3 V 1023/21 vor dem FG Saarland anhängig.S. 477
2. Achtung Falle: Falsche Rechtsbehelfsbelehrung
[i]Einspruch keinesfalls zurücknehmenMit einer irreführenden Rechtsbehelfsbelehrung versuchte die Behörde, die Rentnerin zur Rücknahme des Einspruchs zu bewegen. In der Rechtsbehelfsbelehrung der AdV-Ablehnung heißt es wörtlich: „Es kann aber auch aufgrund dieses Bescheides unter Verzicht auf das Einspruchsverfahren ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht gestellt werden.“ Der unbedarfte Bürger wird womöglich den Einspruch gegen die Rentenbesteuerung zurücknehmen und damit freilich alle Rechte verlieren, insbesondere auch die Möglichkeit zur Aussetzung der Vollziehung.
Aber auch der Weg zum Finanzgericht nach § 69 FGO setzt keinen Einspruchsverzicht voraus. Eine solche Belehrung ist in jeder Hinsicht falsch und u. E. auch arglistig.