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Die Doppelbesteuerung von Renten ist Fakt!
Alle Rentner ab dem Jahr 2005 betroffen
[i]Geißler, Alterseinkünftegesetz, infoCenter, NWB RAAAB-54644 Die Besteuerung der gesetzlichen Altersrenten ist seit Jahrzehnten Gegenstand der wissenschaftlichen und politischen Diskussion. Durch das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) hat der Gesetzgeber zum eine Neuregelung geschaffen, welche die vorgelagerte Besteuerung der Arbeitnehmer der nachgelagerten Besteuerung der Beamten angleichen soll. Im nachfolgenden Beitrag wird gezeigt, dass diese Angleichung indes nicht gelungen ist, sondern die Rentner – insbesondere auch durch eine langfristige Doppelbesteuerung – benachteiligt. Abschließend werden die notwendigen Rechtsmittel aufgezeigt, um von laufenden Musterverfahren zu profitieren.
Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .
I. Methodologische Fehler der Rentenbesteuerung
[i]Schuchardt, Gesetzliche Rentenversicherung, Grundlagen, NWB XAAAE-99093 Das gesetzliche Rentensystem basiert in Deutschland (seit dem Jahr 1957) auf einer Umlagefinanzierung. Durch dieses Umlageverfahren (sog. Generationenvertrag) besteht im Gegensatz zum (früheren) Kapitaldeckungsverfahren somit keine individuelle Absicht der Beitragszahler, Erträge zu erzielen. Dieses „Zwangsverfahren“ sowie sehr niedrige Renditen führen zu der Frage, ob hier überhaupt eine Einkunftsart i. S. des § 2 EStG vorliegt. Dem Umlageverfahren immanent sind die Möglichkeiten, dass das Steuersubjekt (der Beitragszahler) individuell mehr einzahlt, als später von anderen Beitragszahlern finanziert ausgezahlt wird und umgekehrt.
Nach § 22 EStG stellen Renten eine Einkunftsquelle dar. Altersvorsorgeaufwendungen – und damit auch Einzahlungen in die Rentenkassen – sind somit ihrer Rechtsnatur nach in erster Linie vorweggenommene Werbungskosten nach § 9 EStG (vgl. , BStBl 2017 II S. 684, Rz. 26). [i]Fehlerhafte Zuordnung der Rentenbeiträge zu den Sonderausgaben Um die Besteuerungsgrundlage zugunsten der Staatskasse zu verbreitern, wurden die Einzahlungen (Rentenbeiträge) jedoch den Sonderausgaben in § 10 EStG zugeordnet und zugleich deren S. 785Abzugsfähigkeit der Höhe nach eingeschränkt. Damit wird aber auch ein Verlustabzug nach § 10d EStG verhindert, sowie die zumutbare Belastung nach § 33 EStG zum Nachteil der Steuerpflichtigen eingeschränkt.
[i]Keine Normenklarheit des Begriffs ErtragsanteilObwohl der Gesetzgeber in § 22 EStG (und an vielen anderen Stellen im Steuerrecht) mit Zinssätzen arbeitet, um dem Zeitelement wirtschaftlich Rechnung zu tragen, etwa bei der Ermittlung des Ertragsanteils, hält das BVerfG die Anwendung des Nominalwertprinzips im Rahmen von Vergleichsberechnungen bezüglich der Rentenbesteuerung für nicht verfassungswidrig (vgl. , BStBl 2016 II S. 310). Das BVerfG führt in Rz. 51 hierzu aus:
„Es ist mit dem Gleichheitsgebot einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vereinbar, dass bei der Berechnung einer Doppelbesteuerung die zwischenzeitliche Geldentwertung unberücksichtigt bleibt.“
Auch die radikale Umstellung im Jahre 2005 mit einer Anhebung des Besteuerungsanteils von einer Ertragsanteilsbesteuerung in Höhe von 27 % auf 50 % sämtlicher Rückflüsse in der Auszahlungsphase soll nicht den Vertrauensschutz verletzen, keine Übermaßbesteuerung darstellen und nicht gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen, also nicht verfassungswidrig sein (Rz. 55 ff.).
Diese Systemfehler führen zu einer Benachteiligung der Rentner. BFH und BVerfG haben diese Fragestellungen stückweise abgearbeitet und isoliert betrachtet für – u. E. zu Unrecht – zulässig befunden. Allein die Frage der Doppelbesteuerung soll noch offen sein (vgl. Kulosa, DStR 2018 S. 1413). Daher widmet sich diese Untersuchung nachfolgend nur dieser Frage.
II. Feststellungslast und Mathematik
[i]Einfache Sachverhaltsermittlung über gesetzlichen RentenbescheidDie Ermittlung der Doppelbesteuerung erfolgt auf Basis einer Rentenauskunft oder des Rentenbescheids, der die gezahlten Beiträge (Sonderausgaben) für alle Jahre eines Berufslebens auflistet und die erdienten Entgeltpunkte darstellt.
Es besteht eine eineindeutige Korrespondenz zwischen den Entgeltpunkten und den gezahlten Rentenbeiträgen. Alle relevanten Größen können also aus dem Rentenbescheid entnommen werden.
Zur Berechnung der Höhe der Doppelbesteuerung s. unten IV.
III. Definition der Doppelbesteuerung von Renten
[i]Vorgabe des BVerfG: Doppelbesteuerung ist in jedem Fall zu vermeidenMit dem AltEinkG hat der Gesetzgeber den vom BVerfG geforderten Übergang auf eine nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften ab dem Jahr 2005 eingeleitet. In seinem Urteil v. - 2 BvL 17/99 (BStBl 2002 II S. 618) hat das BVerfG gefordert, dass der Gesetzgeber im Rahmen der gebotenen Neuregelung die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen hat, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird (3. Leitsatz).
Um eine Doppelbesteuerung auszuschließen, wäre es angebracht gewesen, gleichzeitig eine vollständige Abzugsfähigkeit der steuerpflichtigen Altersvorsorgeaufwendungen zu gewähren. Um jedoch die daraus resultierenden Steuerausfälle zu vermeiden, wurde stattdessen der Anteil der abzugsfähigen Rentenbeiträge – beginnend mit 60 % im Jahr 2005 – schrittweise auf 100 % im Jahr 2025 angehoben (s. unten IV). Parallel dazu wird der steuerpflichtige Anteil des Renteneinkommens – beginnend mit 50 % im Jahr S. 7862005 – schrittweise auf 100 % im Jahr 2040 angehoben (in 2 %-Schritten bis 2020 und dann bis 2040 in 1 %-Schritten).
Damit verstößt der Gesetzgeber jedoch offensichtlich gegen die Vorgabe, dass eine doppelte Besteuerung „in jedem Fall“ zu vermeiden ist. Dies wird z. B. dadurch deutlich, dass bei einem Renteneintritt im Jahr 2040 das Renteneinkommen zu 100 % steuerpflichtig ist, obwohl die zugrunde liegenden Altersvorsorgeaufwendungen in der Beitragsphase vor 2025 nur teilweise als steuerlich abzugsfähig behandelt worden sind.
Nachfolgend wird aufgezeigt, dass z. B. für einen Eckrentner (Standardrentner) mit 35 Jahren Beitragszahlungen, der 2040 in Rente geht und folglich 2005 mit den Vorsorgeaufwendungen beginnt, 12 % der Beitragszahlungen aus versteuertem Einkommen geleistet sind, also doppelt versteuert werden.