BGH Urteil v. - 1 StR 648/18

Deliktsserie im Zusammenhang mit Kapitalanlagebetrug: Bewertung des Konkurrenzverhältnisses bei Beteiligung mehrerer Täter oder Teilnehmer

Gesetze: § 25 StGB, §§ 25ff StGB, § 52 Abs 1 StGB, § 53 StGB, § 263 StGB, § 264a StGB

Instanzenzug: LG München II Az: W 1 KLs 62 Js 17140/13

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten R.            wegen Betruges in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten M.             wegen Betruges in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und jeweils eine Anrechnungsentscheidung im Hinblick auf eine erlittene Auslieferungshaft getroffen. Gegen den Angeklagten L.       hat das Landgericht wegen Betruges in 57 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verhängt. Den Angeklagten W.   hat die Wirtschaftsstrafkammer wegen Betruges in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt.

2Zudem hat das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet, gegen den Angeklagten R.            in Höhe von 43.200 Euro, gegen den Angeklagten M.             in Höhe von 61.500 Euro, gegen den Angeklagten L.       in Höhe von 288.019,47 Euro und gegen den Angeklagten W.   in Höhe von 2.275 Euro. Schließlich hat das Landgericht gegen die Angeklagten R.           , M.             und L.       Adhäsionsentscheidungen getroffen.

3Die Revisionen der Angeklagten R.            und M.             , mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen, haben ebenso wie die - auf Verfahrensbeanstandungen und die Sachrüge gestützte - Revision des Angeklagten L.       den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen sind sie wie die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten W.   unbegründet.

4Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, mit denen diese die Verletzung materiellen Rechts rügt, haben teilweise Erfolg.

A.

5Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

6Der - nicht revidierende - Mitangeklagte P.   gründete im Jahr 2009 die W.       C.                AG (im Folgenden: WC.   ), eine Aktiengesellschaft nach schweizerischem Recht. Der Angeklagte L.       wurde im Jahr 2011 bei der WC.    eingestellt und nahm neben dem Mitangeklagten P.   eine führende Rolle in der Gesellschaft ein. Im Januar 2012 beschlossen die Angeklagten P.   und L.       gemeinsam mit dem früheren Mitangeklagten   G.    , die WC.    als Beteiligungsgesellschaft mit dem Ziel eines Börsengangs an den Markt zu bringen und vorbörslich deren Aktien zu verkaufen. Die Angeklagten P.   und L.       und der frühere Mitangeklagte   G.     beabsichtigten dabei, aus dem Verkauf der Aktien Provisionen in Höhe von 35 % des Veräußerungserlöses zu erzielen. Zu nennenswerten Beteiligungen der WC.    und der Durchführung geplanter Projekte kam es in der Folgezeit jedoch nicht.

7Tätigkeiten, die auf die Durchführung eines Börsengangs zielten, entfalteten die Angeklagten L.       und P.   erst ab Anfang 2013, als Anleger wegen des Börsengangs nachfragten. Im Januar 2013 besprach der Angeklagte L.       mit dem Steuerberater, dass beabsichtigt sei, für die WC.    einen Emissionsprospekt herauszugeben. Bei diesem Treffen kam zur Sprache, dass für die WC.    die - für einen Börsengang erforderlichen - Bilanzen nicht vorlagen. Im Ergebnis war die WC.    nie ernstlich als seriöses Beteiligungsunternehmen geplant.

8Gegenstand der Verurteilung sind die Aktienerwerbe von 57 Anlegern, die durch die Anlage bei der WC.    einen Gesamtschaden von 1.334.344 Euro erlitten haben. Die Kontakte zu den Anlegern erfolgten fast ausschließlich telefonisch von der Niederlassung der WC.    in D.      aus. Die Angeklagten spiegelten - in unterschiedlicher Beteiligung - den Anlegern im Rahmen des Aktienverkaufs wahrheitswidrig vor, dass der Börsengang der WC.    zeitnah oder jedenfalls in absehbarer Zeit bevorstehe und sich der Wert der Aktien, die regelmäßig zu einem Stückpreis von zwei Euro verkauft wurden, dann auf vier Euro erhöhen werde. Sie täuschten des Weiteren darüber, dass die WC.    über aussichtsreiche Beteiligungen an Unternehmen aus den Bereichen der erneuerbaren Energien und innovativer Produkte verfüge. Tatsächlich hielt die WC.    lediglich eine verhältnismäßig geringe Beteiligung an der - sich in großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und am Rande der Insolvenz befindlichen - Wi.    GmbH und eine Beteiligung an der operativ nicht tätigen N.    GmbH. Zudem verschwiegen die Angeklagten den Anlegern, dass ein erheblicher Teil der angelegten Beträge - mindestens 35 % - für Vertriebskosten und insbesondere für die eigenen Provisionen der Angeklagten verwendet werden sollte und verwendet wurde.

9Der Mitangeklagte P.   schied im Juli 2013 aus der aktiven Tätigkeit aus. Der Angeklagte L.       übernahm im Laufe der Zeit die Unternehmensleitung von dem Mitangeklagten P.   . Ab Anfang 2012 war er diesem in der Leitung mindestens gleichberechtigt; ab Juli 2013 hatte er die Leitung allein inne. Der Angeklagte W.  war - spätestens ab Sommer 2013 - als einer von mehreren „Openern“ damit befasst, Anleger für die WC.    zu gewinnen. Die Angeklagten R.            - ab Sommer 2013 - und M.             - ab spätestens Ende August 2013 - hatten als sogenannte „Loader“ die Aufgabe, Anleger nach dem Erstgeschäft zu weiteren Aktienkäufen zu bewegen. Der Angeklagte W.   erhielt für seine Tätigkeit eine Provision von 10 % der von ihm eingeworbenen Anlegergelder sowie 5 % vom Folgegeschäft. Der Angeklagte R.            erhielt eine Provision von 20 % der von ihm eingeworbenen Anlegergelder, der Angeklagte M.             10 %.

B. Teileinstellung des Verfahrens bezüglich des Angeklagten R.

10Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Senat das Verfahren im Fall 23 der Urteilsgründe, soweit der Angeklagte R.            betroffen ist, gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Die Teileinstellung des Verfahrens ist vor dem Hintergrund eines möglicherweise bestehenden Vollstreckungshindernisses wegen der Nichtbeachtung des auslieferungsrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes angezeigt. Der Senat vermag anhand der ihm vorliegenden Verfahrensakten nicht abschließend zu entscheiden, ob dem Spezialitätsgrundsatz bezogen auf Fall 23 der Urteilsgründe Rechnung getragen ist.

11I. Der Angeklagte R.            wurde aufgrund Europäischen Haftbefehls vom (Bl. 114 ff. Personenakte R.           ) sowie des vorangehenden Haftbefehls des (Bl. 120 ff. Personenakte R.           ) am im vereinfachten Verfahren, mit dem der Angeklagte R.            einverstanden war (Bl. 54, 161 Personenakte R.           ), von den Niederlanden nach Deutschland ausgeliefert. Diese Haftbefehle hatten 13 Taten im Tatzeitraum vom bis zum zum Gegenstand. Die Fall 23 der Urteilsgründe zugrunde liegende Tat ist vor der Übergabe des Angeklagten am begangen worden und war von dem Europäischen Haftbefehl und dem Haftbefehl des Amtsgerichts München nicht erfasst. Damit greift bezogen auf diese Tat gemäß § 83h Abs. 1 Nr. 1 IRG der Spezialitätsgrundsatz ein und der Angeklagte darf deswegen „weder verfolgt noch verurteilt noch einer freiheitsentziehenden Maßnahme unterworfen werden“.

12II. Der Angeklagte R.            hat nicht wirksam gemäß § 83h Abs. 2 Nr. 5 IRG auf den Grundsatz der Spezialität verzichtet. Für einen derartigen Verzicht reicht die Zustimmung der übergebenen Person mit einer vereinfachten Auslieferung nicht aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 314/12 Rn. 2 und vom - 1 StR 152/11 Rn. 12 ff. zu Art. 14 EuAlÜbk; Urteil vom - 1 StR 296/89 Rn. 2; Ambos/König/Rackow/Meyer, Rechtshilferecht in Strafsachen, § 83h IRG Rn. 1054; Schomburg/Lagodny/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 6. Aufl., § 83h Rn. 2).

13Ob die Voraussetzungen vorliegen, unter denen sich die Niederlande im verkürzten Auslieferungsverfahren nach niederländischem Recht keine Hoheitsbefugnisse vorbehalten haben und demgemäß der Spezialitätsgrundsatz nicht gilt (vgl. Rn. 3 zu Art. 14 EuAlÜbk; siehe auch Art. 45 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 12 des niederländischen Auslieferungsgesetzes), vermag der Senat anhand der vorliegenden Verfahrensakte nicht abschließend zu beurteilen. Dort ist lediglich vermerkt, dass der Angeklagte mit seiner Auslieferung im vereinfachten Verfahren einverstanden war (Bl. 54, 161 Personenakte R.           ), nicht aber, ob er zuvor ausreichend über die Folgen dieses Einverständnisses insbesondere im Hinblick auf den Verlust der Spezialitätsbindung belehrt wurde.

14III. Die Beschränkung der Hoheitsrechte der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des in § 83h IRG vorgesehenen Spezialitätsgrundsatzes ist auch nicht nachträglich wieder weggefallen. Der in § 83h Abs. 2 Nr. 1 IRG geregelte Ausnahmefall, bei dem die Spezialitätsbindung wieder entfällt, liegt nicht vor. Gemäß § 83h Abs. 2 Nr. 1 IRG findet der Spezialitätsgrundsatz keine Anwendung, wenn die übergebene Person den räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes innerhalb von 45 Tagen nach ihrer endgültigen Freilassung nicht verlassen hat, obwohl sie dazu die Möglichkeit hatte, oder nach Verlassen in ihn zurückgekehrt ist. „Endgültig freigelassen“ ist der Ausgelieferte dann, wenn ihm nach seiner Entlassung aus dem Gewahrsam des ersuchenden Staates in dem Verfahren, für das die Auslieferung bewilligt worden war, freisteht, das Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates zu verlassen und er dazu die tatsächliche Möglichkeit hat (vgl. Rn. 26; vgl. dazu auch Walter, NStZ 1993, 393). Dies ist etwa mit der Aufhebung des gegen einen Angeklagten bestehenden Haftbefehls bei der Urteilsverkündung der Fall, da hiermit die (letzte) die Bewegungsfreiheit des Angeklagten beeinträchtigende Maßnahme aufgehoben wird (vgl. Rn. 26). Diese Voraussetzungen liegen hier indes nicht vor.

15Vorliegend ist der Haftbefehl des der inhaltlich mit dem Europäischen Haftbefehl vom übereinstimmte, mit Beschluss vom lediglich gegen Meldeauflagen sowie mit der Auflage, Wohnsitz in D.      zu nehmen und jeden Wohnsitzwechsel mitzuteilen, außer Vollzug gesetzt worden (Bl. 142 f. Personenakte R.           ). Mit wurde lediglich die Frequenz, innerhalb der sich der Angeklagte R.            beim Polizeipräsidium D.      zu melden hatte, geändert (Bl. 178 Personenakte R.           ). Am wurde der Angeklagte aufgrund des Haftbefehls des (ersetzt durch den Haftbefehl des ), der die verfahrensgegenständlichen Taten zum Gegenstand hatte (Bl. 142 f. Personenakte R.           ), erneut festgenommen. Der Haftbefehl vom wurde mit Beschluss vom gegen Auflagen - insbesondere an einem bestimmten Ort Wohnsitz zu nehmen, jeden Wohnsitzwechsel anzuzeigen und sich bei der örtlichen Polizeidienststelle regelmäßig zu melden - außer Vollzug gesetzt (Bd. XV Bl. 737 f.). Die Frequenz der Meldepflicht wurde mit Beschluss vom modifiziert. Der Haftbefehl und der Beschluss, mit dem der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wurde, wurden mit der Urteilsverkündung aufrechterhalten (Protokollband II Bl. 604; UA S. 12). Damit bestehen die die Bewegungsfreiheit des Angeklagten beeinträchtigenden Maßnahmen fort. Die Konstellation der Außervollzugsetzung des Haftbefehls gegen Auflagen, und hierbei insbesondere Meldeauflagen, kann mit der vollständigen Aufhebung des Haftbefehls nicht gleichgesetzt werden. Eine endgültige Freilassung im Sinne des § 83h Abs. 2 Nr. 1 IRG liegt damit nicht vor.

C. Revision des Angeklagten R.

16I. Die Revision des Angeklagten R.            zu dem nach der Teileinstellung des Verfahrens verbleibenden Schuldspruch und zum Ausspruch über die weiteren Einzelstrafen ist aus den Erwägungen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.

17II. Nach der Teileinstellung des Verfahrens ist der Schuldspruch abzuändern. Der Wegfall der für Fall 23 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe, die die Einsatzstrafe bildet, hat die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe ausgesprochen hätte, wenn es diese Strafe nicht einbezogen hätte.

18III. Der Wegfall der Verurteilung im Fall 23 der Urteilsgründe hat zudem zur Folge, dass bei der Einziehungsentscheidung ein Betrag von 800 Euro in Abzug zu bringen ist.

19Im Übrigen ist die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen hinsichtlich der errechneten Höhe rechtsfehlerhaft. Der Angeklagte R.            hat als Provision 20 % der eingeworbenen Anlagegelder erhalten. Die in den Fällen 23 und 40 der Urteilsgründe hinzugerechneten 10 % von 40.000 Euro (Fall 23) und 30.000 Euro (Fall 40) betreffen Folgegeschäfte des Mitangeklagten M.             und haben bei der Höhe des bei dem Angeklagten R.            einzuziehenden Betrages außer Betracht zu bleiben.

20Im Ergebnis unterliegt daher lediglich ein Betrag von 35.400 Euro der Einziehung des Wertes von Taterträgen.

D. Revisionen der Angeklagten M.             und W.

21I. Die von dem Angeklagten W.   erhobenen Verfahrensrügen haben aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.

22II. Die Revisionen der Angeklagten M.             und W.   sind zum Schuld- und Strafausspruch, die Revision des Angeklagten W.   darüber hinaus auch zum Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen aus den Erwägungen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts unbegründet.

23III. Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen den Angeklagten M.             ist - wie das Landgericht bereits in den Urteilsgründen ausgeführt hat (UA S. 145) - lediglich in Höhe von 60.500 Euro gerechtfertigt.

24Der Adhäsionsausspruch gegen den Angeklagten M.             hat in Ziffer VI. 3. keinen Bestand. Der Angeklagte M.             veranlasste den Adhäsionskläger S.     am zum Kauf von 10.000 Aktien zum Preis von 20.000 Euro. Der Kauf erfolgte am . Soweit das Landgericht den Angeklagten M.             zur Zahlung von 30.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von vier Prozent p.a. ab dem und in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem verurteilt hat, betrifft dies die vorhergehende Tat des Mitangeklagten R.           , die dem Angeklagten M.             nicht zugerechnet wurde.

25Die Einziehungsanordnung und die Adhäsionsentscheidung gegen den Angeklagten M.             sind daher auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen entsprechend § 354 Abs. 1 StPO abzuändern.

26Der lediglich geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten M.             teilweise von den durch sein Rechtsmittel veranlassten Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).

E. Revision des Angeklagten L.

27I. Die von dem Angeklagten L.       erhobene Verfahrensrüge hat aus den Erwägungen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.

28II. Auf die Sachrüge ist das Urteil im Schuldspruch zu ändern.

291. Die Urteilsfeststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen 57 im Konkurrenzverhältnis der Tatmehrheit zueinander stehenden Fällen des Betruges nicht. Diesbezüglich hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom ausgeführt:

„Sind mehrere Personen an einer Deliktsserie beteiligt, so ist bei der Bewertung des Konkurrenzverhältnisses für jeden Täter oder Teilnehmer gesondert zu prüfen und zu entscheiden, ob die einzelnen Straftaten der Serie in seiner Person tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen. Maßgeblich ist hierbei der Umfang des Tatbeitrages bzw. der Tatbeiträge des Beteiligten. Erfüllt er hinsichtlich aller oder einzelner Taten der Serie sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person oder leistet er für alle oder einige Einzeltaten zumindest einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten, soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt, als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Erbringt er dagegen im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder je mehrere Einzeldelikte der Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm die je gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den jeweiligen einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die anderen Beteiligten die einzelnen Delikte nach obigen Grundsätzen gegebenenfalls tatmehrheitlich begangen haben, ist demgegenüber ohne Bedeutung. Erschöpfen sich die Tatbeiträge im Aufbau und der Aufrechterhaltung des auf die Straftaten ausgerichteten ‚Geschäftsbetriebes‘, sind diese Tathandlungen als - uneigentliches - Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen. Für die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Taten des Täters oder Teilnehmers kommt es dabei nicht darauf an, ob die anderen Beteiligten, die die tatbestandlichen Ausführungshandlungen vornehmen, (Mit-)Täter oder Gehilfen sind oder ob es sich um gutgläubige Werkzeuge handelt. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder je mehrere Einzelakte seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch einen einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne von § 52 StGB verknüpft werden (vgl. hierzu insgesamt: Senat, Beschluss vom - 1 StR 186/18, Rn. 5 ff. mwN).

In den Fällen 5, 31, 32, 34, 40, 45, 54 und 57 ist der Angeklagte L.       - entgegen dem Beschwerdevorbringen (RB S. 6 ff.) - selbst gegenüber den Angeklagten [richtig: Anlegern] mit unwahren Behauptungen über die Anlage aufgetreten und hat damit einen eigenen, die Betrugsserie fördernden Tatbeitrag geleistet (UA S. 40, 58 ff., 64, 67, 74, 76). Die Taten stehen in Tatmehrheit zueinander.

In den übrigen 49 Fällen belegen die Urteilsgründe keine individuellen, die einzelnen Taten der Betrugsserie fördernden Tatbeiträge des Angeklagten (RB S. 7 ff.). Vielmehr beschränkte sich der Tatbeitrag des Angeklagten auf die Mitwirkung an der Entwicklung des gemeinsamen Tatplans, der Fassung des Tatentschlusses, sowie darauf, dass er die aufgrund dieses Tatplans durch den Mitangeklagten bzw. die Mitarbeiter im Einzelnen bei den Anlegern geweckten oder aufrechterhaltenen Vorstellungen mittrug. Die Kontrolle über den Vertriebsvorgang (UA S. 136), die Unternehmungsleitung der WC.    (UA S. 25) und die Festlegung des Geschäftszwecks der WC.   , Provisionen in erheblichem Umfang aus dem Verkauf von wertlosen Aktien zu generieren (UA S. 103 f.) dienten als organisatorischer Tatbeitrag (nur) der Realisierung eines einheitlichen Tatplans. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Angeklagte die Inhalte der Telefonate mit den Anlegern mitbekommen hat (UA S. 106), da dies allein den Vorsatz belegt. Da sich der Tatbeitrag des Angeklagten in den vorgenannten 49 Fällen auf seine allgemeine Mitwirkung beschränkte, sind diese Einzeltaten zu einer selbstständigen Betrugstat in 49 rechtlich zusammentreffenden Fällen zusammenzufassen.“

30Dem tritt der Senat bei. Da auszuschließen ist, dass ein neues Tatgericht weitere Feststellungen treffen könnte, die eine tatmehrheitliche Begehung der Betrugstaten durch den Angeklagten L.       belegen, ändert der Senat den Schuldspruch selbst in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte L.       nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

312. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der für die 49 Betrugstaten verhängten Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. Davon unberührt bleiben die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen und der Adhäsionsausspruch.

F. Revisionen der Staatsanwaltschaft

32Die auf die Sachrüge gestützten, vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwalt haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

33I. Die Teileinstellung des Verfahrens gegen den Angeklagten R.            nach § 154 Abs. 2 StPO hat den Wegfall der Verurteilung in Fall 23 der Urteilsgründe und der darauf bezogenen Einziehungsentscheidung zur Folge.

34II. Der Schuldspruch der Angeklagten R.             , M.              , L.       und W.   lediglich wegen Betrugs (jeweils in mehreren Fällen) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da die Strafkammer eine Verurteilung wegen der Qualifikation des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges (§ 263 Abs. 5 StGB) rechtsfehlerhaft abgelehnt hat.

351. Das Landgericht hat das Vorliegen einer Bande mit der Begründung abgelehnt, dass die Angeklagten jeweils zu unterschiedlichen Zeiten für die WC.    tätig waren und keine gegenseitigen Verpflichtungen vorlagen, sondern lediglich Verpflichtungen der Mitarbeiter gegenüber der von dem Angeklagten L.       repräsentierten WC.   .

362. Damit ist das Landgericht von einem zu engen Verständnis des Begriffs der Bande und folglich von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen. Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom Folgendes ausgeführt:

„1. Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich aufgrund einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Abrede verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige Taten des Betruges zu begehen. Dabei ist es unschädlich, wenn diese Taten für einzelne Tatbeteiligte auf Grund eines einheitlichen Organisationsbeitrags in Tateinheit zueinander stehen (, Rn. 10 mwN).

2. Zum Zusammenwirken der Angeklagten sowie des Verurteilten P.   ist Folgendes festgestellt:

Die WC.    wurde von dem Verurteilten P.   im Jahr 2009 in Zusammenarbeit mit dem früheren Mitangeklagten   G.     gegründet (UA S. 17, 24). Im Jahr 2011 stieg der Angeklagte L.        in das Geschäft ein und war zunächst administrativ tätig, bis er im Jahr 2012 die Unternehmensleitung gleichberechtigt mit dem Verurteilten P.   übernahm. Im Juli 2013 schied der Verurteilte P.   aus der WC.    aus und der Angeklagte L.       übernahm die alleinige Unternehmensleitung (UA S. 25). Im Sommer 2013 stellte der Angeklagte L.        den Angeklagten R.                als sogenannter Loader für den Verurteilten P.   ein (UA S. 25). Ende August 2013 stieg der Angeklagte M.               - auf Betreiben seines Bruders R.       - in das Unternehmen ein und wurde alsbald ebenfalls als Loader eingestellt (UA S. 25). Der Angeklagte W.   war seit Anfang 2013 in der WC.    mit Aushilfsjobs betraut, bis er im Sommer 2013 als sogenannter Opener eingestellt wurde und ab 2014 auch versicherungspflichtig beschäftigt war (UA S. 26, 15). Neben dem Angeklagten W.   waren noch weitere Opener bei der WC.    angestellt (UA S. 26). Zu deren Beschäftigungsverhältnissen trifft das Urteil in zeitlicher Hinsicht keine weiteren Feststellungen. Aus den Feststellungen zu den einzelnen Taten ergibt sich jedoch, dass der frühere Mitangeklagte Z.   ab Mai 2012 Aktien verkaufte (Fall Nr. 56, UA S. 75). Der generelle Verkauf der Aktien begann schon Anfang März 2012 (UA S. 26).

Seit dem Einstieg des Angeklagten L.       in die WC.    bis zur Durchsuchung der Geschäftsräume der AG wurden in 57 Fällen Anleger geworben, wobei ein Gesamtschaden von rund 1,3 Millionen Euro entstand. Den Anlegern wurden unzutreffende Angaben über die Beteiligungen der WC.    an angeblich erfolgversprechenden Unternehmungen sowie über den vermeintlich bevorstehenden Börsengang gemacht, um durch den Kauf Einnahmen für die WC.    sowie Provisionen für die Telefonverkäufer zu generieren. Jeder der Angeklagten unter Einschluss des Verurteilten P.   und des früheren Mitangeklagten Z.   war an mehr als einer der Taten beteiligt.

3. Diese Feststellungen legen einen Zusammenschluss von drei Personen im Sinne einer Bande bereits im Jahr 2012 nahe:

Ab März 2012 wurden Aktien der WC.    verkauft. Zu diesem Zeitpunkt waren die Angeklagten P.   und L.       im Verkauf tätig (Fälle aus 2012: Nr. 32, 33, 40, 45, 48, 56 und 57, Übersicht UA S. 34 ff.). Jedenfalls seit Mai 2012 warb auch der frühere Mitangeklagte Z.   unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Anleger für die WC.   . Schon die ersten Verkäufe im Jahr 2012 geschahen in Umsetzung des Tatplans.

Jedenfalls ab August 2013 waren sodann die Angeklagten L.      , R.       und M.             sowie der Angeklagte W.  (Fall Nr. 11, UA S. 44 f.) mit dem Verkauf der Aktien im Rahmen des Tatplans befasst. Dies spricht für einen sukzessiven Beitritt der weiteren Angeklagten zu der Bande. Ein erst zu diesem Zeitpunkt gesondert gefasster Plan, nunmehr als Bande die - weiterhin gleichstrukturierten - Betrugstaten zu begehen (RB S. 2), liegt indes fern, da die WC.    nie ernstlich als ein seriöses Beteiligungsunternehmen geplant (UA S. 102) und von Beginn an auf das Erzielen von Provisionen ausgelegt war (UA S. 21).

4. Die Feststellungen stehen auch der Annahme einer - stillschweigenden - Bandenabrede nicht entgegen. Dagegen spricht insbesondere nicht, dass die Loader und Opener, also die beiden Angeklagten [R.       und M.       ]      und W.   sowie der frühere Mitangeklagte Z.   , gegenüber der durch den Angeklagten L.       repräsentierten WC.    arbeitsvertragliche Verpflichtungen erfüllen (UA S. 140). Auch ein Bandenmitglied kann bei einer betrügerischen Zwecken dienenden Firma angestellt sein (vgl. , NStZ-RR 2006, 106). Für einen stillschweigenden Zusammenschluss spricht indes, dass die Angeklagten an einem auf Betrug ausgelegten Geschäftsmodell dauerhaft teilnahmen und dabei einen Vermögensvorteil in Millionenhöhe für die WC.    einbrachten, der ihnen durch Provisionszahlungen ebenfalls zugute kam.“

37Dem schließt sich der Senat an.

38III. Da nicht ausgeschlossen erscheint, dass noch weitergehende Feststellungen zum Bestehen einer Bande - insbesondere zu dem Beginn des Zusammenschlusses zwischen den Angeklagten und weiteren Mitarbeitern - getroffen werden können, sieht sich der Senat gehindert, die Schuldsprüche selbst entsprechend § 354 Abs. 1 StPO zu ändern. Es kommt hinzu, dass das Landgericht - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - bezüglich der Angeklagten R.            und M.             hinsichtlich Fall 45 keine Entscheidung getroffen hat.

39IV. Mit der Aufhebung der Schuldsprüche ist die Grundlage für die jeweiligen Strafaussprüche und für die Anordnungen der Einziehung des Wertes von Taterträgen entfallen. Die - rechtsfehlerfrei getroffenen - Feststellungen sind von dem Wertungsfehler nicht betroffen (§ 353 Abs. 2 StPO) und können bestehen bleiben; das neue Tatgericht kann weitere Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen dürfen. Die (teilweise) Aufhebung des Urteils erfasst hingegen nicht die gegen die Angeklagten R.           , M.             und L.       ergangenen Adhäsionsentscheidungen (vgl. Rn. 7 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 406a Rn. 8).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:130820U1STR648.18.0

Fundstelle(n):
wistra 2020 S. 507 Nr. 12
VAAAH-67395