OFD Hannover - S 0015/S 0550

Verbraucherinsolvenzverfahren

1 Allgemeines

Ein wesentliches Ziel der Insolvenzrechtsreform ist die Schaffung eines Instruments, das dem redlichen Schuldner Gelegenheit gibt, sich von seinen rechtlichen Verbindlichkeiten zu befreien.

Neben der Möglichkeit der Restschuldbefreiung im Rahmen des durchgeführten Insolvenzplanes (§ 227 InsO) und der gesetzlichen Restschuldbefreiung für natürliche Personen im Anschluss an das Insolvenzverfahren (§§ 286 ff. InsO) hat der Gesetzgeber in den §§ 304 ff. InsO die Möglichkeit der Restschuldbefreiung im Verbraucherinsolvenzverfahren eingeführt.

Dieses Verfahren soll die Schuldenbereinigung einer bestimmten Personengruppe in einem einfachen, flexiblen und die Gerichte wenig belastenden Verfahren erreichen.

2 Persönlicher Anwendungsbereich

Nach § 304 Abs. 1 InsO kommt das Verbraucherinsolvenzverfahren nur für natürliche Personen in Betracht, die keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben.

Nicht selbstständig wirtschaftlich tätig in diesem Sinne sind insbesondere

- Arbeitnehmer,

- Beamte,

- Hausfrauen,

- Rentner,

- Arbeitslose,

- Sozialhilfeempfänger,

- Schüler,

- Auszubildende,

- Studenten.

Personen, die eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt haben, fallen nur dann unter § 304 Abs. 1 InsO, wenn ihre Vermögensverhältnisse überschaubar sind und gegen sie keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen. Überschaubar sind Vermögensverhältnisse, wenn der Schuldner zu dem Zeitpunkt, zu dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wird, weniger als 20 Gläubiger hat. Forderungen aus Arbeitsverhältnissen sind nicht nur die Ansprüche der ehemaligen Arbeitnehmer selbst, sondern auch die Forderungen von Sozialversicherungsträgern und Finanzämtern (z. B. Lohnsteuerforderungen).

Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus, unterfällt er ungeachtet von deren Umfang stets dem Regelinsolvenzverfahren. Dies gilt selbst dann, wenn er die selbständige Tätigkeit nur in geringem Umfang neben einer abhängigen Beschäftigung ausübt.

Auf Verfahren, die vor dem eröffnet worden sind, ist grundsätzlich die bis dahin geltenden Fassung des § 304 InsO (alt) anzuwenden (Art. 103 EGInsO). Es wird insoweit auf diese Karteikarte alter Fassung verwiesen. Hierzu sind allerdings folgende Ausnahmen zu beachten:

Wurde vor dem lediglich das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren abgewickelt, ohne dass bereits mit dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren begonnen wurde, so ist für Personen, die ab dem nicht mehr unter § 304 Abs. 1 InsO fallen, ein Regelinsolvenzverfahren zu eröffnen. Dies gilt auch, wenn bei solchen Personen ein Verfahren gemäß § 311 Abs. 1 InsO nach erfolgloser Durchführung eines gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens nach dem wieder aufgenommen wird.

In Fällen, in denen vor dem ein außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren begonnen wurde, aber noch nicht abgeschlossen ist, kann ein nicht mehr unter § 304 Abs. 1 InsO fallender Schuldner dieses Procedere jederzeit durch einen Insolvenzantrag beenden.

Ist das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren bezüglich eines nicht mehr unter § 304 Abs. 1 InsO fallende Schuldners am noch nicht abgeschlossen, muss es abgebrochen und ein Regelinsolvenzverfahren durchgeführt werden.

3 Gang des Verfahrens

Das Verfahren zur Erlangung der Restschuldbefreiung im Rahmen der Verbraucherinsolvenz gliedert sich in drei Abschnitte, den außergerichtlichen Einigungsversuch, das Schuldenbereinigungsverfahren und das vereinfachte Insolvenzverfahren

3.1 Außergerichtlicher Einigungsversuch

Der Schuldner hat zwingend einen außergerichtlichen Einigungsversuch mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung zu betreiben. Das wird dadurch deutlich, dass der Schuldner im weiteren förmlichen Verfahren eine Bescheinigung einer geeigneten Person oder Stelle vorlegen muss, aus der sich die Erfolglosigkeit der Bemühungen um eine außergerichtliche Einigung ergibt (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Als geeignete Person oder Stelle i. S. des § 305 InsO sind Rechtsanwälte bzw. Steuerberater anzusehen (vgl. § 3 StBerG). Geeignete Schuldnerberatungsstellen sind in länderspezifischen Regelungen bestimmt.

Um zu verhindern, dass dieser Einigungsversuch zu einer bloßen Formalität verkommt, ist in § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO vorgeschrieben, dass der Einigungsversuch aufgrund eines konkreten Planes versucht werden muss. Wie dieser Plan im Einzelnen ausgestaltet sein muss, ist nicht geregelt. Es wird aber regelmäßig ein Plan sein, der dem im ggf. nachfolgenden Schuldenbereinigungsverfahren vom Schuldner vorzulegenden Plan vergleichbar ist. Dieser Schuldenbereinigungplan enthält zwingende Vorgaben, insbesondere die Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners, die Angabe, ob und inwieweit Bürgschaften, Pfandrecht und andere Sicherheiten der Gläubiger vom Plan berührt werden sowie einen konkreten Vorschlag zur Begleichung der Schulden (vgl. § 305 Abs. 1 Nr. 3 und 4 InsO).

3.1.1 Inhalt

Der außergerichtliche Einigungsversuch unterliegt der vollständigen Gestaltungsfreiheit der Gläubiger und des Schuldners. Alle Beteiligten sind im Rahmen des (zivil-)rechtlich Zulässigen frei in ihren Entscheidungen. Der im Rahmen des außergerichtlichen Einigungsversuchs aufgestellte und verhandelte Plan kann Regelungen vorsehen über Stundungen, Ratenzahlungen, (Teil-)Erlasse und auch Folgen für die Nichterfüllung der im Plan festgelegten Bedingungen. Er kann daher darüber hinaus auch Vereinbarungen für den Fall der Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners (z. B. Arbeitslosigkeit, Vermögenszuwachs, Erbschaft) enthalten.

Für das Finanzamt (FA) stellt sich der außergerichtliche Einigungsversuch als Antrag auf eine Billigkeitsmaßnahme nach der Abgabenordnung dar. Zur Prüfung der persönlichen Billigkeitsgründe in diesem besonderen Verfahren ist das (AO-Handbuch 2002, Anh. 21) - zu berücksichtigen.

Soweit der Schuldner und die Gläubiger Einigung erzielen, ist dieser Plan die Grundlage für die weitere Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen der Beteiligten untereinander, in welche die gem. §§ 222, 227 AO zu treffende Entscheidung des Finanzamts (Erlass, bzw. Stundungszusage) einzubeziehen ist.

3.1.2 Scheitern der außergerichtlichen Schuldenbereinigung

Dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Schuldner die Bescheinigung einer geeigneten Person oder Stelle über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eröffnungsantrag vorzulegen. Der Schuldenbereinigungsplan ist beizufügen und Gründe für sein Scheitern darzulegen.

Soweit ein Gläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt, nachdem die Verhandlungen über die außergerichtliche Schuldenbereinigung aufgenommen wurden, gilt der außergerichtliche Einigungsversuch als gescheitert (§ 305 a InsO).

3.2 Schuldenbereinigungsverfahren

Scheitert der ernsthafte Versuch des Schuldners, eine außergerichtliche Einigung herbeizuführen, so kann er die Eröffnung des vereinfachten Insolvenzverfahrens nach den §§ 311 ff. InsO beantragen. Der Antrag kann auch von einem Gläubiger gestellt werden (Arg. aus § 306 Abs. 3 InsO). Das FA sollte einen solchen Antrag in Ausnahmefällen in Erwägung ziehen, falls sich dadurch zusätzliche Befriedigungsaussichten ergeben. In diesem Fall hat das Insolvenzgericht dem Schuldner nach § 306 Abs. 3 Satz 1 InsO Gelegenheit zu geben, ebenfalls einen Antrag zu stellen.

Der Antragsteller hat - wie bei jedem Insolvenzverfahren - das Vorliegen eines Insolvenzgrundes darzutun. Da das Verfahren über das Vermögen einer natürlichen Person eröffnet werden soll, kommen als Insolvenzgründe die Zahlungsunfähigkeit und - bei Anträgen des Schuldners - auch die drohende Zahlungsunfähigkeit in Betracht.

3.2.1 Antrag des Schuldners

3.2.1.1 Hat der Schuldner den Antrag auf Eröffnung des vereinfachten Insolvenzverfahrens nach § 311 ff. InsO gestellt, so hat er mit dem Antrag oder unverzüglich danach die in § 305 Abs. 1 InsO genannten Unterlagen und Erklärungen vorzulegen:

- Eine Bescheinigung einer geeigneten Person oder Stelle über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs (s. Tz. 3.1).

- Den Plan, aufgrund dessen der außergerichtliche Einigungsversuch gescheitert ist.

- Eine Übersicht mit den Gründen für das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs.

- Einen Antrag auf Erteilung von Restschuldbefreiung (§ 287 InsO) oder die Erklärung, dass Restschuldbefreiung nicht beantragt wird.

- Ein Verzeichnis über das vorhandene Vermögen und Einkommen (Vermögensverzeichnis), eine Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts dieses Verzeichnisses (Vermögensübersicht), ein Verzeichnis der Gläubiger und ein Verzeichnis der gegen den Schuldner gerichteten Forderungen; den Verzeichnissen und der Vermögensübersicht ist eine Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind.

- Einen Schuldenbereinigungsplan.

3.2.1.2 Die Vorlage einer Bescheinigung einer geeigneten Person oder Stelle über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs ist entbehrlich, wenn ein Gläubiger nach Aufnahme der Verhandlungen über die außergerichtliche Einigung Zwangsvollsteckungsmaßnahmen einleitet (vgl. § 305 a InsO). Dies gilt entsprechend, wenn ein Gläubiger eindeutig und unmissverständlich gegenüber dem Insolvenzgericht erklärt, zu einer außergerichtlichen Einigung keinesfalls bereit zu sein. Ein Festhalten an dem Versuch einer gütlichen Einigung wäre dann reie Förmelei.

3.2.1.2 Der Schuldenbereinigungsplan wird regelmäßig eine aktualisierte Fassung des im außergerichtlichen Verfahren vorgelegten Plans sein. Der Plan hat in jedem Fall den oben (Tz. 1.1) dargelegten Anforderungen zu entsprechen.

Hat der Schuldner einen inhaltlich ordnungsgemäßen Antrag gestellt, erklärt das Insolvenzgericht das Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan für ruhend (§ 306 Abs. 1 Satz 1 InsO). Der Zeitraum des Ruhens soll drei Monate nicht überschreiten (§ 306 Abs. 1 Satz 2 InsO).

Das Gericht kann jedoch auch nach Anhörung des Schuldners die Fortsetzung des Verfahrens über den Eröffnungsantrag anordnen, wenn nach seiner freien Überzeugung der Schuldenbereinigungslan voraussichtlich nicht angenommen wird (§ 306 Abs. 1 Satz 3 InsO).

3.2.1.3 Das Insolvenzgericht stellt den vom Schuldner benannten Gläubigern gemäß § 307 Abs. 1 InsO den Schuldenbereinigungsplan sowie die Vermögensübersicht zu. Die in § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO genannten Verzeichnisse sind beim Insolvenzgericht zur Einsicht niedergelegt. Diese Zustellung wird verbunden mit

- der Aufforderung, binnen einer Notfrist von einem Monat zu den Verzeichnissen und dem Schuldenbereinigungsplan Stellung zu nehmen,

- dem ausdrücklichen Hinweis auf die Rechtsfolge einer nicht rechtzeitigen Ergänzung des Forderungsverzeichnisses bei vor Ablauf der Frist entstandener Forderung (§§ 307 Abs. 1 Satz 2, 308 Abs. 3 Satz 2 InsO) und dem ausdrücklichen Hinweis darauf, dass bei nicht rechtzeitiger Erklärung das Einverständnis mit dem Schuldenbereinigungsplan als erteilt gilt (§ 307 Abs. 2 InsO).

Hinweis: Das Forderungsverzeichnis wird dem FA nicht übersandt! Es ist beim AG einzusehen.

Die Notfrist des § 307 InsO beginnt nach rechtswirksamer Zustellung der genannten Unterlagen bei dem gem. § 17 Abs. 2 FVG zuständigen FA. Wird einem unzuständigen FA zugestellt, ist das zuständige FA unverzüglich zu unterrichten. Das gilt auch bezüglich der im Gläubigerverzeichnis ggf. nicht genannten FÄ. Alle betroffenen FÄ haben für die von ihnen verwalteten Abgabenansprüche eine entsprechende Stellungsnahme gegenüber dem Insolvenzgericht abzugeben.

Die Vollstreckungsstelle hat die Verzeichnisse hinsichtlich der Steuerrückstände und des aufgeführten Vermögens unter Beteiligung der Festsetzungsstelle zu überprüfen und z. B. bezüglich der entstandenen, aber noch nicht festgesetzten Abgabenforderungen oder bei Unvollständigkeit zu ergänzen. Im Falle einer Ergänzung ist das Verzeichnis dem Insolvenzgericht mit dem Hinweis zuzuleiten, den Schuldner aufzufordern, den Schuldenbereinigungsplan entsprechend zu ändern.

Die unterlassene Ergänzung der Steuerforderung hat für das Finanzamt - falls keine Wiedereinsetzungsgründe vorliegen - die Folge, das nicht geltend gemachte Forderungen nach § 308 Abs. 3 Satz 2 InsO erlöschen, wenn der Schuldenbereinigungsplan angenommen wird.

Soweit eine Ergänzung nicht erforderlich ist, nimmt die Vollstreckungsstelle schriftlich gegenüber dem Insolvenzgericht zum Schuldenbereinigungsplan Stellung.

Gibt das FA innerhalb der Frist von einem Monat keine Stellungnahme ab, greift nach § 307 Abs. 2 Satz 2 InsO die Fiktion des Einverständnisses.

Werden Stellungsnahmen bzw. Ergänzungen der Gläubiger eingereicht, gibt das Insolvenzgericht dem Schuldner gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 InsO Gelegenheit, den Schuldenbereinigungsplan binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies erforderlich oder zur Förderung einer einverständlichen Schuldenbereinigung sinnvoll erscheint. Macht der Schuldner von dieser Gelegenheit Gebrauch, wird der modifizierte Schuldenbereinigungsplan wiederum allen Gläubigern in entsprechender Anwendung des § 307 Abs. 1 InsO zugestellt.

3.2.1.4 Der Schuldenbereinigungsplan gilt als angenommen, wenn

- alle Gläubiger zugestimmt haben,

- kein Gläubiger Einwendungen erhoben hat oder

- die Zustimmung eines oder mehrerer Gläubiger nach § 309 InsO ersetzt wird.

Durch die Möglichkeit der Zustimmungsersetzung soll sichergestellt werden, dass ein Schuldenbereinigungsplan nicht an der missbräuchlichen Verweigerung einzelner Gläubiger scheitert (s. dazu auch § 245 InsO zum Obstruktionsverbot beim Insolvenzplan; Karte 11).

Das Insolvenzgericht kann die Zustimmung eines Gläubigers ersetzen, wenn

- dem Schuldenbereinigungsplan mehr als die Hälfte der benannten Gläubiger zugestimmt haben (Kopfmehrheit),

- die Summe der Forderungen der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Forderungen der benannten Gläubiger beträgt (Summenmehrheit),

- Ein Antrag des Schuldners oder eines Gläubigers vorliegt,

- der Gläubiger, der Einwendungen erhoben hat, im Vergleich zu den übrigen Gläubigern angemessen beteiligt wird,

- dieser Gläubiger durch den Schuldenbereinigungsplan nicht schlechter gestellt wird, als er bei Durchführung des Verfahrens über die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung stünde und dieser Gläubiger vor der Entscheidung über die Zustimmungsersetzung gehört worden ist.

Dem einzelnen Gläubiger - und damit ggf. dem FA - obliegt die Last der Glaubhaftmachung dafür, nicht angemessen beteiligt oder wirtschaftlich schlechter gestellt worden zu sein, als er bei Durchführung des Insolvenzeröffnungsverfahrens stünde (§ 309 Abs. 2 Satz 2 InsO). Gelingt es dem Gläubiger, Tatsachen glaubhaft zu machen, aus denen sich ernsthafte Zweifel ergeben, ob eine vom Schuldner angegebene Forderung besteht oder in der Höhe besteht, so ist die Ersetzung nach § 309 Abs. 3 InsO ausgeschlossen, wenn von dieser Ungewissheit die Frage der angemessenen Beteiligung des Gläubigers abhängt.

Wenn das Insolvenzgericht das FA wegen der vorgesehenen Zustimmungsersetzung anhört, hat die Vollstreckungsstelle zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Zustimmungsersetzung vorliegen. Entgegenstehende Gründe sind ggf. vorzutragen und glaubhaft zu machen.

Das Insolvenzgericht entscheidet über die Ersetzung durch Beschluss. Dagegen stehen dem Antragsteller und dem Gläubiger, dessen Zustimmung ersetzt wird, die sofortige Beschwerde zu (§ 309 Abs. 3 Satz 2 InsO).

3.2.1.5 Der angenommene Schuldenbereinigungsplan hat nach § 308 Abs. 1 Satz 2 InsO die Wirkung eines (Prozess-)Vergleichs i. S. des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Die Vollstreckungsstelle hat die buchungstechnische Verarbeitung der durch den Schuldenbereinigungsplan getroffene Regelungen (Stundung, Erlass) zu veranlassen (Karte 11, Tz. 4). Ein Wiederaufleben der durch den Plan erloschenen Ansprüche (vgl. § 255 InsO) ist im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zur Verbraucherinsolvenz auch nicht für den Fall vorgesehen, dass der Schuldner die ihm auferlegten Pflichten nicht einhält. Die FÄ sollten daher darauf achten, dass eine Wiederauflebensklausel für den Fall der Nichteinhaltung in den Schuldenbereinigungsplan aufgenommen wird.

Den Gläubigern und dem Schuldner ist eine Ausfertigung des Plans und des die Annahme des Plans feststellenden Beschlusses des Insolvenzgerichts zuzustellen (§ 308 Abs. 1 Satz 3 InsO).

Soweit das FA aus dem Schuldenbereinigungsplan Zahlungsansprüche oder sonstige Rechte zustehen, überwacht die Vollstreckungsstelle die im Plan festgelegte Befriedigung.

Werden die Zahlungen nicht in der vereinbarten Höhe oder zu den vereinbarten Terminen geleistet, kann die Vollstreckung nach den Vorschriften der Abgabenordnung durchgeführt werden (§ 251 Abs. 2 AO). Die Steuerforderungen verlieren ihre öffentlich-rechtliche Eigenschaft nicht durch ihre Beteiligung am Schuldenbereinigungsverfahren.

Wegen der (Teil-)Ansprüche, die durch die Wirksamkeit des Schuldenbereinigungsplans nicht betroffen sind und für die bereits vor der Verbraucherinsolvenz die Vollstreckungsvoraussetzungen gem. § 254 AO vorlagen, kann die Verwaltungsvollstreckung nach der Abgabenordnung durchgeführt werden.

Die durch Beschluss festgestellte Annahme des Schuldenbereinigungsplanes bewirkt, dass die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und auf Erteilung der Restschuldbefreiung als zurückgenommen gelten (§ 308 Abs. 2 InsO).

Forderungen, die vom Schuldner nicht im Schuldenbereinigungsplan aufgeführt worden sind, sind nicht Gegenstand der Zustellung nach § 307 Abs. 1 InsO geworden. Sie müssen daher weiter erfüllt werden.

Das gilt aber nicht, wenn das Insolvenzgericht einem Gläubiger Angaben über seine Forderungen in einem Forderungsverzeichnis übersandt und dieser die Angaben nicht innerhalb der gesetzten Frist ergänzt oder berichtigt hat. In diesem Fall erlischt die Forderung (§ 308 Abs. 3 Satz 2 InsO).

Wenn die FA Forderungen gegen den Vollstreckungsschuldner zustehen, die im Schuldenbereinigungsplan nicht enthalten sind (z. B. nicht in den Plan aufgenommene oder neu entstandene Abgabenansprüche), betreibt die Vollstreckungsstelle die Vollstreckung nach der AO gegen den Schuldner wegen dieser Forderungen weiter.

Scheitert der Schuldenbereinigungsplan aufgrund von Einwendungen der Gläubiger, die nicht nach § 309 InsO ersetzt werden können (z. B. bei nicht angemessener Beteiligung des FA im Rahmen der Schuldenbereinigung oder wirtschaftlicher Benachteiligung), wird das bisher ruhende Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 311 InsO wieder aufgenommen.

Ein erneuter Antrag des Schuldners ist nicht erforderlich.

3.3 Antrag des Gläubigers

Soweit ein Gläubiger einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt und der Schuldner keinen Eigenantrag nachreicht (§ 306 Abs. 3 InsO), findet ein Schuldenbereinigungsverfahren nicht statt. In diesem Fall ist - wie im Falle des Scheiterns des Schuldenbereinigungsverfahrens - ein vereinfachtes Insolvenzverfahren durchzuführen.

Stellt der Schuldner einen Antrag, hat er zunächst eine außergerichtliche Einigung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu versuchen.

4 Vereinfachtes Insolvenzverfahren

Grundsätzlich finden die Regelungen der Insolvenzverordnung auch für das vereinfachte Verfahren Anwendung. Die §§ 311 ff. InsO beeinhalten aber Sonderregelungen, die allgemeine Vorschriften verdrängen. Zweck dieser Abweichungen ist es, für die hier betroffenen Kleinverfahren eine einfachere Abwicklung zu erreichen und damit die Insolvenzgerichte deutlich zu entlasten (Braun/Uhlenbruck, a. a. O., S. 718).

4.1 Insolvenzgrund

Das Gericht prüft, wie im regulären Insolvenzverfahren - zunächst ob ein Insolvenzgrund vorliegt. In diesem Stadium hat das Gericht aber auch zu prüfen, ob und ggf. welche Sicherungsmaßnahmen nach den §§ 21 ff. InsO anzuordnen sind.

4.2 Treuhänder

Liegt ein Eröffnungsgrund vor, bestellt das Insolvenzgericht einen Treuhänder, der im vereinfachten Insolvenzverfahren die Aufgaben des Insolvenzverwalters wahrnimmt (§ 313 Abs. 1 Satz 2 InsO). Der Treuhänder ist während der Dauer des Insolvenzverfahrens als Vertreter des Schuldners nach § 34 Abs. 3 AO anzusehen (vgl. § 313 Abs. 1 InsO). Ihm sind daher auch alle Verwaltungsakte bekannt zu geben.

4.3 Termine

Abweichend von § 29 InsO bestimmt das Insolvenzgericht im vereinfachten Verfahren nur einen Prüfungstermin (§ 312 Abs. 1 InsO). Soweit die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und die Zahl der Gläubiger und die Höhe der Verbindlichkeiten gering sind, kann das Insolvenzgericht auf die Bestimmung eines Prüfungstermins verzichten und stattdessen ein schriftliches Verfahren durchführen (§ 312 Abs. 2 Satz 1 InsO).

Die Vollstreckungsstelle meldet ihre Forderungen beim Treuhänder (vgl. §§ 313, 174 InsO) zur Insolvenztabelle an (wie im Regelinsolvenzverfahren, Karte 7).

4.4 Anfechtung

Anders als der Insolvenzverwalter ist der Treuhänder nicht kraft Gesetzes zur Anfechtung von Rechtshandlungen (§§ 129 - 147 InsO) berechtigt. Dies steht im vereinfachten Verfahren jedem Insolvenzgläubiger zu (§ 313 Abs. 2 Satz 1 InsO). Die Gläubigerversammlung kann gem. § 313 Abs. 2 Satz 3 InsO den Treuhänder oder einen Gläubiger mit der Anfechtung beauftragen. Das im Rahmen der Anfechtung Erlangte fällt in die Masse.

Die Vollstreckungsstelle hat - bei Vorliegen entsprechender Erkenntnisse - die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung nach den §§ 129 - 147 InsO zu prüfen und ggf. gegenüber dem Anfechtungsgegner geltend zu machen.

Zur Vermeidung von Kostenrisiken kann sich das FA von der Gläubigerversammlung zur Anfechtung beauftragen lassen (§ 313 Abs. 2 Satz 3 InsO).

4.5 Ausgeschlossene Regelungen

Im vereinfachten Verfahren ausdrücklich ausgeschlossen sind die Regelungen über den Insolvenzplan und die Eigenverwaltung (§ 312 Abs. 3 InsO).

Der Gesetzgeber ist hierbei davon ausgegangen, dass diese Verfahren sehr stark an Unternehmensinsolvenzen ausgerichtet sind und eine Anwendung im Bereich der Verbraucherinsolvenzverfahren zu einer - nicht gewollten - Belastung der Insolvenzgerichte führen würde (Braun/Uhlenbruck, a. a. O. S. 720 f).

4.6 Bedingt anwendbare Regelungen

Die Regelungen über die Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse (§§ 148 ff. InsO) sind auch im vereinfachten Verfahren grundsätzlich anwendbar. Auf Antrag des Treuhänders kann das Insolvenzgericht aber anordnen, dass von einer Verwertung der Insolvenzmasse ganz oder teilweise abgesehen wird (§ 314 Abs. 1 Satz 1 InsO). In diesem Fall gibt das Insolvenzgericht dem Schuldner auf, binnen einer festgesetzten Frist einen dem Wert der Teilungsmasse entsprechenden Betrag an den Treuhänder zu zahlen.

4.7 Verwertung von Gegenständen

Nach § 313 Abs. 3 Satz 1 InsO ist der Treuhänder nicht zur Verwertung von Gegenständen berechtigt, an denen Pfandrechte oder andere Absonderungsrechte bestehen. Die Gläubiger haben das Recht, die Verwertung dieser Gegenstände selbst durchzuführen (§ 313 Abs. 3 Satz 2 InsO; Hinweis auf Karte 8, Tz. 1.1).

Die entsprechende Anwendung des § 173 Abs. 2 InsO (§ 313 Abs. 3 InsO) ermöglicht jedoch dem Treuhänder die Verwertung, wenn eine Verwertung durch den gesicherten Gläubiger nicht innerhalb vom Insolvenzgericht gesetzten Verwertungsfrist erfolgt.

Soweit dem FA ein Recht zur abgesonderten Befriedigung an einem Gegenstand der Insolvenzmasse zusteht, betreibt die Vollstreckungsstelle die Verwertung. Die entsprechende Anwendung des § 173 Abs. 2 InsO lässt dem FA wie im Regelinsolvenzverfahren ein Wahlrecht (Karte 8 Tz. 2).

4.8 Restschuldbefreiung

Wie im Anschluss an das reguläre Insolvenzverfahren besteht auch im vereinfachten Verfahren - auf Antrag des Schuldners - die Möglichkeit der Restschuldbefreiung nach Maßgabe der §§ 286 ff. InsO (Karte 25).

OFD Hannover v. - S 0015/S 0550

Fundstelle(n):
NWB EN 1075/2002
KAAAA-77562