Steuern mobil Nr. 11 vom

Track 22 | Verfahrensrecht: Beweislast bei Berichtigung wegen ähnlicher offenbarer Unrichtigkeit

Track 22 | Offenbare Unrichtigkeit

Wenn sich das Finanzamt auf eine Berichtigungsvorschrift beruft, muss es das Vorliegen der Voraussetzungen darlegen und im Zweifel auch beweisen können. Lässt sich nicht abschließend klären, wie es zu der Unrichtigkeit in einem Bescheid gekommen ist und stehen sich zwei nicht nur theoretisch denkbare hypothetische Geschehensabläufe gegenüber, von denen einer eine Berichtigung ausschließt, dann darf – so aktuell der Bundesfinanzhof – nicht berichtigt werden.

Auf ein durchaus steuerzahlerfreundliches Urteil des Bundesfinanzhofs [1] zur Berichtigung von bestandskräftigen Steuerbescheiden nach §  129 AO bei einer offenbaren Unrichtigkeit möchten wir auch noch eingehen.

Der IX. Senat des BFH hat der Finanzverwaltung einmal mehr ins Stammbuch geschrieben: Wenn sich das Finanzamt auf eine Berichtigungsvorschrift beruft, gelten die allgemeinen Regeln für die Beweislast. Das heißt: Das Finanzamt muss das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Berichtigung nach den Grundsätzen der objektiven Feststellungslast darlegen und im Zweifel auch beweisen können. Lässt sich nicht abschließend klären, wie es zu der Unrichtigkeit in einem Bescheid gekommen ist und stehen sich zwei nicht nur theoretisch denkbare hypothetische Geschehensabläufe gegenüber, von denen einer eine Berichtigung ausschließt, dann darf – so aktuell die höchsten deutschen Steuerrichter – nicht berichtigt werden.

Mit § 129 AO will die Finanzverwaltung sehr häufig Bearbeitungsfehler im Nachhinein korrigieren, die im Rahmen der Veranlagung passiert sind. Wie der Bundesfinanzhof deutlich gemacht hat, gehen jedoch Fehler bei der Aufklärung des Sachverhalts zu Lasten des Finanzamts. Das gilt auch dann, wenn es sich um Flüchtigkeitsfehler handelt.

Keine offenbare Unrichtigkeit liegt demnach vor, wenn das Finanzamt – wie im Streitfall [2] Inhalt der Akten übersieht. Das können auch die Angaben zu einzelnen Kennziffern sein oder zu Freitextfeldern. Eine Berichtigung nach § 129 AO ist zudem nicht möglich, wenn Prüfhinweise nicht bearbeitet werden, Akteninhalt falsch zugeordnet wird oder dem Bearbeiter vorliegende Belege nicht beachtet werden. [3]

Zum wiederholten Male hat der Bundesfinanzhof damit den Finanzämtern bei § 129 AO die Grenzen aufgezeigt. Hoffentlich nutzen viele Kollegen diese Vorlagen – auch wenn es teilweise mühsam ist, insbesondere auch im Hinblick auf die erforderliche Akteneinsicht.

Das waren doch auch dieses Mal wieder eine ganze Reihe interessanter Entscheidungen. Wir kommen damit nun zu unserem Thema des Monats.

Fundstelle(n):
Steuern mobil 11/2020
NWB CAAAH-60453