Online-Nachricht - Freitag, 09.10.2020

Umsatzsteuer | Behandlung von Gutachtertätigkeiten im Auftrag des MDK (EuGH)

Der EuGH hat über den Vorlageschluss des BFH zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Gutachtertätigkeiten im Auftrag des medizinischen Dienstes einer Krankenversicherung (MDK) geurteilt. Danach ist die durch einen unabhängigen Gutachter im Auftrag des MDK erfolgende Erstellung von Gutachten zur Pflegebedürftigkeit, die von dieser Krankenversicherung zur Ermittlung des Umfangs etwaiger Ansprüche ihrer Versicherten auf Leistungen der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verwendet werden, eine eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistung, soweit sie für die sachgerechte Bewirkung der Umsätze in diesem Bereich unerlässlich ist ().

Hintergrund: Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL sind eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden, steuerfrei.

Sachverhalt und Verfahrensgang: Die Klägerin erstellte für den MDK Gutachten zur Pflegebedürftigkeit von Patienten. Die Leistungen rechnete der MDK monatlich ab, wobei er keine Umsatzsteuer auswies. Die Klägerin erklärte die Umsätze aus der Gutachtertätigkeit als steuerfreie Umsätze mit Vorsteuerabzug. Nach Auffassung des Finanzamts sei diese Tätigkeit jedoch weder nach nationalem noch nach Unionsrecht umsatzsteuerfrei.

Daraufhin hat der BFH, der eine Steuerbefreiung der Leistungen nach § 4 Nr. 14 UStG ablehnt, das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH u.a. die Frage vorgelegt, ob die Gutachtertätigkeit ein „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundener Umsatz“ i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ist, auch wenn sie nicht gegenüber dem Hilfsbedürftigen, sondern an eine Person erbracht wird, die sie benötigt, um seine eigene Leistung an den Patienten oder Hilfsbedürftigen zu erbringen (, s. hierzu Mann, NWB Online, Stand 20.9.2019 sowie unsere Online-Nachricht v. 5.9.2020).

Hierzu führen die Richter des EuGH weiter aus:

Art. 132 Abs. 1 Buchst. g Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie ist dahin auszulegen, dass

  • die durch einen unabhängigen Gutachter im Auftrag des Medizinischen Dienstes einer Pflegekasse erfolgende Erstellung von Gutachten zur Pflegebedürftigkeit, die von dieser Pflegekasse zur Ermittlung des Umfangs etwaiger Ansprüche ihrer Versicherten auf Leistungen der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verwendet werden, eine eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistung darstellt, soweit sie für die sachgerechte Bewirkung der Umsätze in diesem Bereich unerlässlich ist.

  • diese Vorschrift dem nicht entgegensteht, dass diesem Gutachter die Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter verwehrt wird, auch wenn er erstens seine in der Erstellung von Gutachten zur Pflegebedürftigkeit bestehenden Leistungen als Subunternehmer im Auftrag des genannten Medizinischen Dienstes erbringt, der als eine solche Einrichtung anerkannt worden ist, zweitens die Kosten der Erstellung dieser Gutachten indirekt und pauschal von der betreffenden Pflegekasse getragen werden und drittens der genannte Gutachter nach innerstaatlichem Recht die Möglichkeit hat, unmittelbar mit dieser Kasse einen Vertrag über die Erstellung der Gutachten zu schließen, um in den Genuss dieser Anerkennung zu gelangen, von dieser Möglichkeit aber keinen Gebrauch gemacht hat.

Quelle: NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB KAAAH-60378