BMF - III C 2 - S 7286-a/19/10001 :001 BStBl 2020 I S. 976

Umsatzsteuer; Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Ausstellung und Vorsteuerabzug ohne Besitz einer ordnungsmäßigen Rechnung;

und ;
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, BStBl 2020 II S. 593;
BStBl 2020 II S. 596;
BStBl 2020 II S. 601;
BStBl 2020 II S. 604

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Bezug: BStBl 2020 II S. 593

Bezug: BStBl 2020 II S. 596

Bezug: BStBl 2020 II S. 601

Bezug: BStBl 2020 II S. 604

I.

1Mit Urteil vom , Rechtssache C-516/14, Barlis 06, hat der EuGH entschieden, dass das Recht auf Vorsteuerabzug nicht allein deshalb verweigert werden kann, weil die Rechnung, die der Steuerpflichtige besitzt, nicht alle formellen Voraussetzungen erfüllt, obwohl die Finanzbehörde über alle notwendigen Informationen verfügt, um zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts vorliegen.

Ebenfalls mit Urteil vom 15. September 2016, Rechtssache C-518/14, Senatex, hat der EuGH entschieden, dass der Berichtigung einer Rechnung in Bezug auf eine zwingende Angabe Rückwirkung zukommen kann, so dass das Recht auf Vorsteuerabzug in Bezug auf die berichtigte Rechnung für das Jahr ausgeübt werden kann, in dem diese Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde. Der BFH setzte dieses EuGH-Urteil mit Urteil vom , V R 26/15, um. Dabei hat der BFH unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass eine Rechnungsberichtigung nach § 31 Abs. 5 UStDV beim Rechnungsempfänger hinsichtlich seines Rechts auf Ausübung des Vorsteuerabzugs auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zurückwirken kann. Dies setzt nach dem BFH-Urteil allerdings voraus, dass das zu beurteilende Dokument bestimmte Mindestangaben enthält.

Dem , Biosafe, lässt sich entnehmen, dass im Fall eines in der ursprünglichen Rechnung zu niedrig ausgewiesenen Steuerbetrags erst nach einer entsprechenden Rechnungsberichtigung die materiellen und formellen Voraussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug vorliegen.

Ferner urteilte der EuGH am 21. November 2018 in der Rechtssache C-664/16, Vadan, dass ein Steuerpflichtiger, der nicht in der Lage ist, durch Vorlage von Rechnungen oder anderen Unterlagen den Betrag der von ihm gezahlten Vorsteuer nachzuweisen, nicht allein auf der Grundlage einer Schätzung in einem gerichtlich angeordneten Sachverständigengutachten ein Recht auf Vorsteuerabzug geltend machen kann.

Weiterhin führte der , BStBl 2020 II S. 596, aus, dass auch unter Berücksichtigung der vorgenannten jüngeren Rechtsprechung des EuGHs an den sich aus dem Urteil vom , Rechtssache C-152/02, Terra Baubedarf-Handel, ergebenden Erfordernissen festzuhalten ist. Die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug setzt demzufolge neben dem Vorliegen der materiellen Voraussetzungen auch weiterhin den Besitz einer Rechnung voraus. Insbesondere kann die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht durch bloßen Zeugenbeweis nachgewiesen werden oder eine Rechnung als formelle Anforderung für den Vorsteuerabzug komplett entfallen. Vielmehr ist der Fall der fehlenden Rechnung von dem Fall der Berichtigung einer zuvor fehlerhaft erteilten Rechnung abzugrenzen.

Zudem hat der , BStBl 2020 II S. 601, entschieden, dass die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung beim Vorsteuerabzug unabhängig davon gilt, ob sie zum Vorteil oder Nachteil des Leistungsempfängers wirkt. Weiterhin kann danach auch der Stornierung und Neuausstellung einer sie ersetzenden Rechnung eine Rückwirkung zukommen. Eine Rechnung ist danach auch dann „unzutreffend“ im Sinne des § 31 Abs. 5 Satz 1 Buchst. b UStDV, wenn sie im Einvernehmen aller Beteiligten vollständig rückabgewickelt und die gezahlte Umsatzsteuer zurückgezahlt wurde.

Schließlich hat der , BStBl 2020 II S. 604, entschieden, dass ein Abrechnungsdokument keine Rechnung ist und deshalb auch nicht mit der Folge einer Ausübungsvoraussetzung für den Vorsteuerabzug rückwirkend berichtigt werden kann, wenn es wegen ganz allgemein gehaltener Angaben nicht möglich ist, die abgerechnete Leistung eindeutig und leicht nachprüfbar festzustellen.

Bezugnehmend auf die Erörterungen des Bundes mit den obersten Finanzbehörden der Länder ergibt sich für den Vorsteuerabzug Folgendes:

1. Ordnungsmäßige Rechnung als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug

a) Unionsrechtliche Regelungen

2Unionsrechtlich wird zwischen der Entstehung und der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug unterschieden.

3Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht nach Artikel 167 MwStSystRL, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Materielle Voraussetzung für die Entstehung des Vorsteuerabzugsrechts nach Artikel 168 Buchstabe a) MwStSystRL ist, dass der Leistungsempfänger Steuerpflichtiger (Unternehmer) im Sinne der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie ist, die von ihm bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen in der nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden und sie auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen (Unternehmer) geliefert oder erbracht wurden.

4Formelle Voraussetzung, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, ist nach Artikel 178 Buchstabe a) MwStSystRL, dass der Steuerpflichtige (Unternehmer) eine nach Artikel 219 ff. MwStSystRL ausgestellte Rechnung besitzt.

5Der Besitz einer Rechnung, die eine Steuerbelastung offen ausweist, ist dabei jedoch nicht lediglich eine formelle Voraussetzung. Sie ist zugleich materielle Voraussetzung (, Rn. 17), weil die Angabe der Steuerbelastung essenziell für den Gleichlauf der Steuerbelastung des Leistenden mit dem Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers ist (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin vom , Rechtssache C-8/17, Biosafe, Rn. 61).

6Das Erfordernis des Besitzes einer Rechnung besteht auch nach den o. g. Urteilen des EuGHs fort (Rechtssache C-8/17, Biosafe, Rn. 32 und Rechtssache C-664/16, Vadan, Rn. 40). Aus der jüngeren Rechtsprechung des EuGHs folgt insbesondere nicht, dass ein Vorsteuerabzug gänzlich ohne Rechnung geltend gemacht werden kann (vgl. , Rn. 31 ff. und , V R 48/17, Rn. 37 und 38).

b) Nationale Umsetzung

7Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Der Besitz einer Rechnung nach §§ 14, 14a UStG ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG Voraussetzung für die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts.

8Der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 und 2 UStG ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem erstmalig diese Voraussetzungen erfüllt sind (, BStBl 2004 II S. 861; Abschnitt 15.2 Abs. 2 Satz 7 UStAE).

2. Ausnahme von dem Erfordernis des Besitzes einer ordnungsmäßigen Rechnung (objektiver Nachweis einzelner materieller Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug)

9Auch nach Ergehen der EuGH-Rechtsprechung in der Rechtssache C-516/14, Barlis 06 (Rn. 46), der Rechtssache C-8/17, Biosafe (Rn. 32) und der Rechtssache C-664/16, Vadan (Rn. 43) ist das Recht auf Vorsteuerabzug im Regelfall durch eine ordnungsmäßige Rechnung nachzuweisen. Deren Funktion ist die Kontrolle sowohl des Leistenden als auch des Leistungsempfängers durch die Finanzverwaltung (Rechtssache C-516/14, Barlis 06, Rn. 27 unter Bezugnahme auf den Schlussantrag der Generalanwältin vom 18. Februar 2016 sowie Rechtssachen C-374/16 und C-375/16, Geissel und Butin, Rn. 41).

10Ein Vorsteuerabzug gänzlich ohne Rechnung ist nicht möglich (Rn. 6). Das Recht auf Vorsteuerabzug kann jedoch ausnahmsweise auch geltend gemacht werden, wenn der Unternehmer eine Rechnung besitzt, die nicht alle formellen Voraussetzungen erfüllt und die auch nicht berichtigt wurde (Rn 14 bis 27). Der Vorsteuerabzug ist unter Anwendung eines strengen Maßstabes auch zu gewähren, wenn die Finanzverwaltung über sämtliche Angaben verfügt, um die materiellen Voraussetzungen zu überprüfen.

11Der Unternehmer kann durch objektive Nachweise belegen, dass ihm andere Unternehmer auf einer vorausgehenden Umsatzstufe tatsächlich Gegenstände oder Dienstleistungen geliefert bzw. erbracht haben, die seinen der Mehrwertsteuer unterliegenden Umsätzen dienten und für die er die Umsatzsteuer tatsächlich entrichtet hat (vgl. Rechtssache C-664/16, Vadan, Rn. 44).

12Der Nachweis der Steuerbelastung des Unternehmers auf der vorausgegangenen Umsatzstufe (tatsächliche Entrichtung der Steuer im Sinne der Rn. 11) kann nur über eine Rechnung oder deren Kopie (vgl. Abschnitt 15.11. Abs. 1 UStAE) mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer erfolgen (Rn. 5 und 6). Ohne diesen Ausweis verbleiben Zweifel, ob und in welcher Höhe die Steuer in dem Zahlbetrag enthalten ist und damit, ob die materiellen Voraussetzungen für der Vorsteuerabzug vorliegen.

13Die anderen materiellen Voraussetzungen kann der Unternehmer auch durch andere Beweismittel nachweisen. Entscheidend ist, dass sie eine leichte und zweifelsfreie Feststellung der Voraussetzungen durch die Finanzbehörden ermöglichen, anderenfalls ist die Kontrollfunktion nicht erfüllt. Ist etwa auch unter Berücksichtigung der zusätzlichen Informationen unklar, über welche Leistung abgerechnet worden ist, verfügt das Finanzamt nicht über alle notwendigen Informationen um zu prüfen, inwieweit der als Vorsteuer geltend gemachte Betrag gesetzlich geschuldet war (vgl. , Rn. 39). Es besteht keine Pflicht der Finanzbehörden, fehlende Informationen von Amts wegen zu ermitteln. Zweifel und Unklarheiten wirken zu Lasten des Unternehmers (vgl. Abschnitt 15.11. Abs. 3 Satz 1 UStAE).

3. Rechnungsberichtigung oder Stornierung und Neuerteilung

14Gelingt dem Unternehmer kein objektiver Nachweis im Sinne der Rn. 9 bis 13, kann er auch eine nach § 31 Abs. 5 UStDV berichtigte Rechnung vorlegen. Eine Berichtigung kann auch dadurch erfolgen, dass der Rechnungsaussteller die ursprüngliche Rechnung storniert und eine Neuausstellung der Rechnung vornimmt (, Rn. 18 und , Pannon Gep Centrum). Der Fall einer fehlenden Rechnung (dann kein Vorsteuerabzug möglich, Rn. 6) ist von dem Fall einer fehlerhaft erteilten Rechnung abzugrenzen (, Rn. 33). Auf eine Rechnungsberichtigung kann für Zwecke des Vorsteuerabzugs jedenfalls alleine aus Vereinfachungsgesichtspunkten nicht verzichtet werden. Die Rechnung kann bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht berichtigt und vorgelegt werden.

15Eine Rechnungsberichtigung erfordert eine spezifische und eindeutige Bezugnahme auf die ursprüngliche Rechnung (§ 31 Abs. 5 Satz 2 UStDV und Abschnitt 14.11. UStAE, so auch ). Diese kann durch den Hinweis auf eine Berichtigung, Änderung oder Ergänzung der bisherigen Rechnung erfolgen. Eine Rechnung ist auch dann „unzutreffend“ im Sinne des § 31 Abs. 5 Satz 1 Buchst. b UStDV, wenn sie im Einvernehmen aller Beteiligten vollständig rückabgewickelt und die gezahlte Umsatzsteuer zurückgezahlt wurde (vgl. ).

16Ein Dokument ist dann eine rückwirkend berichtigungsfähige Rechnung, wenn es Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält (vgl. ). Hierfür reicht es aus, dass die Rechnung diesbezügliche Angaben enthält und die Angaben nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sind, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen. Sind diese Anforderungen erfüllt, entfaltet die Rechnungsberichtigung immer Rückwirkung. Kleinbetragsrechnungen nach § 33 UStDV müssen nur berichtigt werden, soweit diese Vorschrift die in Rede stehenden Angaben erfordert. Auf eine rückwirkende Korrektur von Voranmeldungen innerhalb eines Besteuerungszeitraumes kann verzichtet werden. Die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung beim Vorsteuerabzug gilt unabhängig davon, ob die Berichtigung zum Vorteil oder zum Nachteil des Leistungsempfängers wirkt (vgl. ).

Im Einzelnen gilt Folgendes:

a) Leistender Unternehmer

17Aussteller einer Rechnung im Sinne der §§ 14, 14a UStG kann der leistende Unternehmer, der Leistungsempfänger (Gutschrift) oder ein Dritter in deren Namen und für deren Rechnung sein. Unabhängig von der Person des Rechnungsausstellers ist es zwingend erforderlich, dass aus der Rechnung hervorgeht, wer die Leistung erbracht hat.

18Eine Rechnung ist für Zwecke des Vorsteuerabzugs berichtigungsbedürftig, wenn und soweit sie hinsichtlich des leistenden Unternehmers Fehler enthält, die dessen eindeutige Identifizierung auch unter Berücksichtigung des § 31 Abs. 2 UStDV nicht zulassen. Sie ist mit Rückwirkung berichtigungsfähig, wenn die vorliegenden Angaben zwar ungenau, aber grundsätzlich zutreffend sind und nicht fehlenden Angaben gleichstehen (vgl. Rn. 16). Es ist ausreichend und die Rechnung deshalb nicht berichtigungsbedürftig, wenn der leistende Unternehmer durch die Gesamtheit der vorliegenden Angaben in der Rechnung eindeutig identifizierbar und eine Verwechslungsgefahr mit anderen Unternehmern ausgeschlossen ist. Dieses gilt zum Beispiel für fehlende oder falsche Rechtsformzusätze nur dann, wenn jeglicher Zweifel an der Identität des Leistenden ausgeschlossen ist. Bei Fehlern und Unklarheiten, die über die Regelungen in Abschnitt 15.2a Abs. 2 und Abs. 6 UStAE hinausgehen, sind die Voraussetzungen für eine rückwirkend berichtigungsfähige Mindestangabe nicht erfüllt. Die Angabe eines Unternehmers, der nicht der tatsächlich leistende Unternehmer ist, ist eine offensichtlich unzutreffende Angabe, die nicht rückwirkend berichtigt werden kann.

b) Leistungsempfänger

19Die Ausführungen unter Rn. 18 gelten sinngemäß auch für den Leistungsempfänger. Wurden Name und Anschrift des Leistungsempfängers nur ungenau bezeichnet, kann zum Beispiel eine unzutreffende Bezeichnung der Rechtsform mit Rückwirkung für die Vergangenheit berichtigt werden. Es ist ausreichend, wenn der Leistungsempfänger durch die Gesamtheit der vorliegenden Angaben in der Rechnung identifizierbar ist (vgl. , BFH/NV 2017 S. 488). Bei Fehlern und Unklarheiten, die über die Regelungen in Abschnitt 15.2a Abs. 3 und Abs. 6 UStAE hinausgehen, sind die Voraussetzungen für eine rückwirkend berichtigungsfähige Mindestangabe nicht erfüllt. Die Angabe eines Unternehmers, der nicht der tatsächliche Leistungsempfänger ist, ist eine offensichtlich unzutreffende Angabe, die nicht rückwirkend berichtigt werden kann.

c) Leistungsbeschreibung

20Die Leistungsbeschreibung muss, um rückwirkend berichtigungsfähig zu sein, jedenfalls so konkret sein, dass die erbrachte Leistung und ein Bezug zum Unternehmen des Leistungsempfängers erkennbar sind, vgl. Abschnitt 15.2a Abs. 4 UStAE. Eine unrichtige Leistungsbezeichnung, für die der leistende Unternehmer die gesondert ausgewiesene Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG schuldet (vgl. Abschnitt 14c.2 Abs. 2 Nr. 3 UStAE), ist nicht mit Rückwirkung berichtigungsfähig. Dagegen kann eine nur ungenaue Angabe der Leistungsbezeichnung (vgl. Abschnitt 15.2a Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 UStAE) die Voraussetzungen für eine rückwirkend berichtigungsfähige Mindestangabe erfüllen.

Eine bloße Angabe wie z. B. „Beratung“ in der Rechnung eines Rechtsanwalts oder „Bauarbeiten“ in der Rechnung eines Bauunternehmer, die nicht weiter individualisiert ist, erfüllt zwar nicht die Voraussetzungen nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG, eine entsprechende Rechnung ist unter den übrigen Voraussetzungen aber mit Rückwirkung berichtigungsfähig (vgl. ). Dagegen reicht eine allgemein gehaltene Angabe wie z. B. „Produktverkäufe“, die es nicht ermöglicht, die abgerechnete Leistung eindeutig und leicht nachprüfbar festzustellen, nicht aus (vgl. , Rn. 24). Abschnitt 15.2a Abs. 6 UStAE und Abschnitt 15.11 Abs. 3 Satz 6 UStAE bleiben unberührt.

d) Entgelt

21Die Voraussetzung für eine rückwirkend berichtigungsfähige Mindestangabe ist bereits erfüllt, wenn durch die Angabe des Bruttorechnungsbetrags und des gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrags das Entgelt als Bemessungsgrundlage ohne weiteres errechnet werden kann.

e) Gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer

22Ein gesondert ausgewiesener Umsatzsteuerbetrag kann nicht dadurch ersetzt werden, dass neben dem Entgelt ein Bruttorechnungsbetrag angegeben wird.

23Wird fälschlicherweise von einem Wechsel der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 2 und 5 UStG ausgegangen und deswegen in der Rechnung ein Hinweis nach § 14a Abs. 5 UStG erteilt, sind derartige Rechnungen gleichwohl unter den übrigen Voraussetzungen mit Rückwirkung berichtigungsfähig.

24Weist der Rechnungsaussteller in einer Rechnung die Umsatzsteuer nicht oder zu niedrig aus, kann die Rechnung nach § 31 Abs. 5 UStDV berichtigt werden. Dabei sind die folgenden Fälle zu unterscheiden:

aa) Bisher kein Steuerausweis

25Ein bisher in einem Dokument fälschlicherweise nicht ausgewiesener Steuerbetrag (z. B. weil die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen oder einer Steuerbefreiung nicht vorliegen) kann nicht mit Rückwirkung berichtigt werden. Der erstmalige Steuerausweis in einer berichtigten Rechnung ist insoweit mit dem erstmaligen Erstellen einer Rechnung gleichzusetzen und entfaltet daher keine Rückwirkung (vgl. , Terra Baubedarf-Handel, und Rechtssache C-8/17, Biosafe, sowie , BStBl 2004 II S. 861).

26Die gleichen Grundsätze gelten, wenn sich nachträglich herausstellt, dass zwischen bestimmten Personen keine Organschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vorlag und über die vermeintlichen Innenumsätze Belege ausgetauscht worden sind. Diese Belege sind Rechnungen im Sinne des § 14 Abs. 1 UStG, wenn sie einen Steuerausweis enthalten, weil mit ihnen tatsächlich über Leistungen abgerechnet worden ist. Sind diese Rechnungen nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellt, berechtigen sie zum Vorsteuerabzug. Belege ohne gesonderten Steuerausweis hingegen sind keine Rechnungen und daher einer Berichtigung mit Rückwirkung nicht zugänglich.

bb) Bisher zu niedriger Steuerausweis

27Ein unzutreffend in einer Rechnung zu niedrig ausgewiesener Steuerbetrag kann nicht mit Rückwirkung berichtigt werden. Der erstmalige zutreffende Steuerausweis in einer berichtigten Rechnung ist vielmehr insoweit mit dem erstmaligen Erstellen einer Rechnung gleichzusetzen. Das Recht zum Vorsteuerabzug in Höhe des Mehrbetrags kann somit erst in dem Besteuerungszeitraum ausgeübt werden, in dem der Leistungsempfänger im Besitz der Rechnung ist, die den Steuerbetrag in zutreffender Höhe ausweist (vgl. Rechtssache C-8/17, Biosafe). Der Vorsteuerabzug des ursprünglich zu niedrigen Steuerbetrags bleibt bestehen.

4. Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs

Zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs gilt nach den Grundsätzen dieses Schreibens Folgendes:

a) Bei objektivem Nachweis (keine ordnungsmäßige Rechnung)

28Der Vorsteuerabzug nach den unter den Randnummern 9 bis 13 genannten Voraussetzungen ist in dem Zeitpunkt zu gewähren, in dem die Leistung bezogen wurde und eine Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer vorlag.

b) Bei einer berichtigten Rechnung mit Rückwirkung

29Wird eine Rechnung nach § 31 Abs. 5 UStDV mit Rückwirkung berichtigt, ist das Recht auf Vorsteuerabzug grundsätzlich für den Besteuerungszeitraum auszuüben, in dem die Leistung bezogen wurde und die ursprüngliche Rechnung vorlag.

Abweichend hiervon kann bei einem zu niedrigen Steuerausweis in der ursprünglichen Rechnung das Recht auf Vorsteuerabzug in einer bestimmten Höhe erst dann ausgeübt werden, wenn der Leistungsempfänger im Besitz einer Rechnung ist, die einen Steuerbetrag in dieser Höhe ausweist (vgl. Rn. 25 bis 27).

c) Bei Storno und Neuerteilung einer Rechnung

30Die Stornierung einer Rechnung und ihre Neuerteilung kann Rückwirkung entfalten (Rn. 14). Dann gelten die Ausführungen zu Rn. 29. Ansonsten kann das Recht auf Vorsteuerabzug erst für den Besteuerungszeitraum der Neuerteilung ausgeübt werden. Der Unternehmer ist dann nachweispflichtig dafür, dass aus der ursprünglichen Rechnung kein Vorsteuerabzug geltend bzw. ein solcher aufgrund des Stornos rückgängig gemacht worden ist.

d) Bei Rechnungen im Sinne von § 14c UStG

31Die Berichtigung einer nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldeten Umsatzsteuer entfaltet keine Rückwirkung, sondern unterliegt den Vorgaben des Abschnitts 17.1 Abs. 10 UStAE.

5. Kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO

32Bei der Korrektur eines Steuerbescheids zur nachträglichen Berücksichtigung einer nach den vorgenannten Grundsätzen rückwirkend berichtigten Rechnung nach § 31 Abs. 5 UStDV ist die Änderungsvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht anwendbar. Denn die Berichtigung einer Rechnung mit Rückwirkung ist kein Ereignis, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit entfaltet (rückwirkendes Ereignis). Die Änderung eines Steuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist nur zulässig, wenn das rückwirkende Ereignis nachträglich, d. h. nach Entstehen des Steueranspruchs eingetreten ist. Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht jedoch gleichzeitig mit dem Steueranspruch nach Artikel 167 MwStSystRL. Lediglich dessen Ausübung setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus (vgl. Artikel 178 MwStSystRL), dass der Leistungsempfänger eine Rechnung besitzt (vgl. Rechtssache Senatex, C-518/14, Rn. 28 f). Da der materielle Anspruch auf Vorsteuerabzug unabhängig vom Vorliegen einer Rechnung entsteht, hat die Erteilung einer berichtigten Rechnung keine Auswirkung auf die Entstehung des Steueranspruchs.

II.

Daher wird unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) vom , BStBl 2010 I S. 846, der zuletzt durch das (2020/0879281), BStBl 2020 I S. 940, geändert worden ist, wie folgt geändert:

  1. In Abschnitt 14.5 Abs. 15 Satz 1 wird der Klammerzusatz wie folgt gefasst:

    „(vgl. , BStBl 1995 II S. 395, vom 8. 10. 2008, V R 59/07, BStBl 2009 II S. 218, vom 16. 1. 2014, V R 28/13, BStBl 2014 II S. 867 , und vom , V R 48/17, BStBl 2020 II S. 604).“

  2. In Abschnitt 14.11 Abs. 1 Satz 3 wird folgender Klammerzusatz angefügt:

    „(vgl. , BStBl 2020 II S. 601) “

  3. Abschnitt 15.2 Abs. 2 wird wie folgt geändert:

    a)

    In Satz 1 Nummer 4 wird der bisherige Inhalt zu Satz 1 und folgender Satz 2 angefügt:

    2Wegen der Ausnahmen hiervon vgl. Abschnitt 15.2a Abs. 1a.“

    b)

    Nach Satz 8 werden folgende Sätze 9 und 10 eingefügt:

    9Im Falle eines objektiven Nachweises einzelner materieller Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug ohne ordnungsmäßige (berichtigte) Rechnung (vgl. Abschnitt 15.2a Abs. 1a) ist der Vorsteuerabzug in dem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem die Leistung bezogen wurde und eine Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer vorlag. 10Zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzuges aus einer berichtigten Rechnung siehe Abschnitt 15.2a Abs. 7.“

    c)

    Die bisherigen Sätze 9 bis 11 werden die neuen Sätze 11 bis 13.

  4. Abschnitt 15.2a wird wie folgt geändert:

    a)

    Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 1a eingefügt:

    (1a) 1Das Recht auf Vorsteuerabzug kann ausnahmsweise auch geltend gemacht werden, wenn der Unternehmer im Besitz einer Rechnung ist, die nicht alle formellen Voraussetzungen erfüllt und die auch nicht berichtigt wurde (vgl. Absatz 7). 2Der Vorsteuerabzug ist unter Anwendung eines strengen Maßstabes auch zu gewähren, wenn die Finanzverwaltung über sämtliche Angaben verfügt, um die materiellen Voraussetzungen zu überprüfen (vgl. , Barlis 06). 3Der Unternehmer kann daher durch objektive Nachweise belegen, dass ihm andere Unternehmer auf einer vorausgehenden Umsatzstufe tatsächlich Gegenstände oder Dienstleistungen geliefert bzw. erbracht haben, die seinen der Mehrwertsteuer unterliegenden Umsätzen dienten und für die er die Umsatzsteuer tatsächlich entrichtet hat. 4Aus dieser Rechtsprechung folgt aber insbesondere nicht, dass ein Vorsteuerabzug gänzlich ohne Rechnung geltend gemacht werden kann (vgl. Rz. 39 ff des , BStBl 2020 II S. 596). 5Der Nachweis über die tatsächliche Entrichtung der Steuer kann nämlich nur über eine Rechnung oder deren Kopie (vgl. Abschnitt 15.11. Abs. 1 Satz 4) mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer erfolgen. 6Ohne diesen Ausweis verbleiben Zweifel, ob und in welcher Höhe die Steuer in dem Zahlbetrag enthalten ist und damit, ob die Steuer tatsächlich entrichtet worden ist. 7Entscheidend ist, dass die vorgelegten Beweismittel eine leichte und zweifelsfreie Feststellung der Voraussetzungen durch die Finanzbehörden ermöglichen (vgl. , BStBl 2020 II S. 604), anderenfalls ist die Kontrollfunktion nicht erfüllt. 8Es besteht keine Pflicht der Finanzbehörden, fehlende Informationen selbst von Amts wegen zu ermitteln. 9Zweifel und Unklarheiten wirken zu Lasten des Unternehmers (vgl. Abschnitt 15.11. Abs. 3 Satz 1).

    b)

    Absatz 7 wird wie folgt gefasst:

    „(7) 1Ist eine Rechnung nicht ordnungsmäßig und kann auch kein Nachweis im Sinne von Absatz 1a geführt werden, ist sie für das Recht auf einen Vorsteuerabzug zu berichtigen (vgl. Abschnitt 14.11.). 2Eine Rechnungsberichtigung kann auf den Zeitpunkt zurückwirken, in dem die Rechnung erstmals ausgestellt wurde (vgl. , BStBl 2020 II S. 593)?Auch der Stornierung einer Rechnung nebst Neuausstellung einer sie ersetzenden Rechnung kann eine Rückwirkung beim Vorsteuerabzug zukommen (vgl. , BStBl 2020 II S. 601). 4Die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung beim Vorsteuerabzug gilt unabhängig davon, ob die Berichtigung zum Vorteil oder zum Nachteil des Leistungsempfängers wirkt. 5Eine Rechnung ist auch dann „unzutreffend“ im Sinne des § 31 Abs. 5 Satz 1 Buchst. b UStDV, wenn sie im Einvernehmen aller Beteiligten vollständig rückabgewickelt und die gezahlte Umsatzsteuer zurückgezahlt wurde (vgl. , BStBl 2020 II S. 601). 6Ein Dokument ist dann eine rückwirkend berichtigungsfähige Rechnung, wenn es Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält. 7Hierfür reicht es aus, dass die Rechnung diesbezügliche Angaben enthält und die Angaben nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sind, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen. 8Sind diese Anforderungen erfüllt, entfaltet die Rechnungsberichtigung immer Rückwirkung. 9Die Rechnung kann bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht berichtigt und vorgelegt werden. 10Kleinbetragsrechnungen nach § 33 UStDV müssen nur berichtigt werden, soweit diese Vorschrift die in Rede stehenden Angaben erfordert. “Zu den Einzelheiten vgl. BStBl 2020 I S. 976. 12Das Recht auf Vorsteuerabzug aus einer mit Rückwirkung berichtigten Rechnung ist grundsätzlich in dem Zeitpunkt auszuüben, in dem die Leistung bezogen wurde und die ursprüngliche Rechnung vorlag. 13Abweichend hiervon kann bei einem zu niedrigen Steuerausweis in der ursprünglichen Rechnung das Recht auf Vorsteuerabzug in Höhe der Differenz zwischen dem zu niedrigen Steuerbetrag, für den ein Vorsteuerabzug bereits vorgenommen wurde, und dem zutreffenden Steuerbetrag erst dann ausgeübt werden, wenn der Leistungsempfänger im Besitz einer Rechnung ist, die den Steuerbetrag in zutreffender Höhe ausweist. 14Wird eine Rechnung berichtigt, die nach den vorstehenden Ausführungen nicht rückwirkend berichtigungsfähig ist, kann der Vorsteuerabzug erst zu dem Zeitpunkt in Anspruch genommen werden, in dem der Rechnungsaussteller die Rechnung berichtigt und die zu berichtigenden Angaben an den Rechnungsempfänger übermittelt hat.

  5. Abschnitt 15.11 wird wie folgt geändert:

    a)

    In Absatz 3 werden nach Satz 7 folgende Sätze 8 und 9 angefügt:

    8Zum Vorsteuerabzug aus einer berichtigten Rechnung siehe Abschnitt 15.2a Abs. 7. 9Zum Vorsteuerabzug ohne Rechnung, die jedenfalls alle formellen Voraussetzungen erfüllt, siehe Abschnitt 15.2a Abs. 1a und BStBl 2020 I S. 976.

    b)

    Absatz 5 Satz 2 wird wie folgt gefasst:

    2Sind die Unterlagen für den Vorsteuerabzug (Rechnungen, EUSt-Belege) unvollständig oder nicht vorhanden, kann zwar der Unternehmer den Vorsteuerabzug regelmäßig nicht vornehmen (zu den Ausnahmen siehe Abschnitt 15.2a Abs. 1a). ‘

    c)

    Absatz 7 Satz 1 wird wie folgt gefasst:

    1Soweit Unterlagen für den Vorsteuerabzug nicht vorhanden sind und auch nicht vorhanden waren oder soweit die Unterlagen unvollständig sind, kommt eine Anerkennung des Vorsteuerabzugs regelmäßig nur aus Billigkeitsgründen in Betracht (§ 163 AO; vgl. , BStBl 2009 II S. 744).“

III.

Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.

Es wird nicht beanstandet, wenn bei bis zum übermittelten Rechnungsberichtigungen nach § 31 Abs. 5 UStDV, die nach dem , Rückwirkung besitzen, der Vorsteuerabzug gleichwohl erst in dem Besteuerungszeitraum geltend gemacht wird, in dem die berichtigte Rechnung ausgestellt wird. Eine Berufung hierauf scheidet aus, wenn der Vorsteuerabzug bereits aus der ursprünglichen Rechnung gewährt wurde.

BMF v. - III C 2 - S 7286-a/19/10001 :001


Fundstelle(n):
BStBl 2020 I Seite 976
DB 2020 S. 2099 Nr. 40
DStR 2020 S. 2131 Nr. 39
DStR 2021 S. 977 Nr. 17
GStB 2021 S. 23 Nr. 1
UR 2020 S. 814 Nr. 20
UStB 2020 S. 351 Nr. 11
UVR 2020 S. 327 Nr. 11
UAAAH-58776