BGH Urteil v. - 1 StR 344/19

Einziehung von Taterträgen bei Verbrauch- und Warensteuern: Erlangtes Etwas

Gesetze: § 370 Abs 1 Nr 2 AO, § 370 Abs 1 Nr 3 AO, § 23 Abs 1 S 3 TabStG, § 130 Abs 1 S 3 BranntwMonG, § 1 Abs 1 S 3 AlkStG, § 28 Abs 1 StGB, § 73 Abs 1 StGB, § 73c S 1 StGB

Instanzenzug: LG Bielefeld Az: 9 KLs 15/18

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten V.           wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in zehn Fällen und wegen Steuerhinterziehung in 26 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten verurteilt. Den Angeklagten W.           hat das Landgericht wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in zwei Fällen und wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus einer Entscheidung des Amtsgerichts D.     vom zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten sowie wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in acht Fällen und wegen Steuerhinterziehung in elf Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und die in dem amtsgerichtlichen Urteil ausgesprochene Sperre für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis aufrecht erhalten. Gegen den Angeklagten J.         hat das Landgericht wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in 14 Fällen und Beihilfe zur Steuerhinterziehung eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verhängt. Zudem hat das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen als Gesamtschuldner angeordnet, bezüglich der Angeklagten V.           und W.           jeweils in Höhe von 3.383.656,08 € sowie hinsichtlich des Angeklagten J.         in Höhe von 35.155,59 €.

2Gegen das Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Sachrüge, die Angeklagten V.           und W.           zudem auf Verfahrensrügen gestützten Revisionen. Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

I.

3Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

4Die Angeklagten waren seit Beginn des Jahres 2016 in ein Netz zum „Schmuggel“ von Zigaretten, Dieselkraftstoff und alkoholischen Getränken zur Hinterziehung von Branntwein- bzw. Alkoholsteuer, Energiesteuer sowie Tabaksteuer in Millionenhöhe eingebunden. Die Beförderung der verschiedenen unversteuerten Waren führten die Angeklagten dabei im Rahmen ihrer jeweiligen Tätigkeit in dem Transportunternehmen der S.           GmbH & Co. KG (im Folgenden: S.          ) aus. Der Angeklagte W.           war als Disponent bei der S.           tätig, der Angeklagte V.           war der eingetragene Geschäftsführer der die Geschäfte der Spedition führenden S.      V.                  GmbH und der Angeklagte J.          als Lkw-Fahrer bei der S.           beschäftigt.

51. Nach den Feststellungen des Landgerichts zu dem „Schmuggel“ von Alkohol ließ der ehemalige Mitangeklagte B.      unter Verwendung der Räumlichkeiten und der Logistik der Firma M.                         GmbH (im Folgenden: M.     ) in P.     und eingebunden in deren legalen Geschäftsbetrieb große Mengen unversteuerten Trinkbranntweins, etwa Wodka, Grappa und Limoncello, von verschiedenen Lieferanten - unter anderem der S.           - aus Bulgarien und Italien in die Bundesrepublik Deutschland verbringen und unversteuert unter anderem nach England sowie zu einem geringeren Teil auch im Inland absetzen.

6Beim Transport des unversteuerten Trinkalkohols aus dem Ausland nach Deutschland kamen auf Anweisung des ehemaligen Mitangeklagten B.      unter anderem folgende Methoden zur Anwendung: Bei zwei Methoden wurden insbesondere die Möglichkeiten des elektronischen Steueraussetzungsverfahrens EMCS (Excise Movement und Control System) ausgenutzt: Zum einen wurde nicht nur eine angemeldete Ladung Trinkalkohol versandt, sondern während der Geltungsdauer der Genehmigung möglichst viele ‒ bis zu zehn weitere illegale - Ladungen. Zum anderen wurde ein Ausfall des EMCS-Systems vorgespiegelt und der in den Transport eingeweihte Versender stellte unberechtigterweise ein Ersatzdokument aus, das für eine weitere illegale Lieferung genutzt wurde. Daneben kam eine als klassisch bezeichnete Methode zur Anwendung, bei der neben einer Tarnladung, zum Beispiel Wein, weitere illegale Alkoholika auf einen Lkw geladen und nach Deutschland transportiert wurden.

7Die Angeklagten führten im Zeitraum von Januar 2017 bis Juni 2018 auf Veranlassung des früheren Mitangeklagten B.      in 25 Fällen den Transport der Alkoholerzeugnisse mit Fahrzeugen der S.           aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nach Deutschland durch oder transportierten unversteuerte Waren aus einem Lager der M.     entweder zur Zwischenlagerung nach Mi.   zur S.           oder in ein anderes Lager zum Weiterverkauf des Alkohols. Der Angeklagte J.         fuhr davon in zwei Fällen den Transport-Lkw; in acht weiteren Fällen lieferte er unversteuerten Wodka an Abnehmer in England.

82. Zu der Hinterziehung von Energiesteuer hat das Landgericht festgestellt, dass die Angeklagten V.           und W.           unversteuerten Diesel aus Belgien und den Niederlanden bezogen. Der Dieselkraftstoff wurde dabei teils von V.           in den Benelux-Staaten abgeholt und teils von Dritten bei der S.           in Mi.   angeliefert und dort hauptsächlich zum Betanken der Lkw der Spedition verwandt. Durch das Verfrachten von insgesamt 141.000 Litern unversteuerten Diesels in sechs Fällen verursachten die Angeklagten V.           und W.           im Zeitraum von März 2016 bis Mai 2017 insgesamt eine Steuerverkürzung in Höhe von 66.326,40 €.

93. Im Februar und März 2016 verbrachten die Angeklagten V.           und W.           in fünf Fällen insgesamt 83.700 Stangen unversteuerter Zigaretten durch den bei der S.           als Kraftfahrer beschäftigten Angeklagten J.         nach England, wobei bezogen auf diesen nur vier Fälle verfahrensgegenständlich sind. Die Zigaretten waren dabei in sogenannten Bigbags mit Holzpellets versteckt. Die Angeklagten V.           und W.           transportierten die Zigaretten für nicht näher feststellbare Personen, vermutlich aus Osteuropa, und erhielten für den Transport eine Vergütung von 2,50 € je Stange Zigaretten. Dabei konnte das Landgericht in allen Fällen nicht feststellen, ob die Konterbande aus einem Drittstaat direkt nach Deutschland eingeführt oder ob diese aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nach Deutschland verbracht worden war.

10II. Revisionen der Angeklagten V.           und W.

111. Die Verfahrensrügen haben aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.

122. Die Verurteilungen der Angeklagten V.           und W.           wegen Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in den Fällen II. A. 1, 3, 7, 11, 13, 14, 15 der Urteilsgründe halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

13Für die Fälle II. A. 1, 3, 7, 11, 13, 14, 15 der Urteilsgründe hat das Landgericht Beförderungen der Branntwein- bzw. Alkoholerzeugnisse unter Steueraussetzung nicht festgestellt, so dass die Vorschriften des § 143 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 6 Satz 1 Nr. 5, § 144 Abs. 2 Satz 1, § 142 BranntwMonG sowie - für die nach dem begangene Tat II. A. 15 der Urteilsgründe - § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 6 Satz 1 Nr. 5, § 19 Abs. 2 Satz 1 AlkStG nicht erfüllt sind. Angesichts der von dem Landgericht festgestellten verschiedenen Methoden des Transports der Branntwein- bzw. Alkoholerzeugnisse nach Deutschland, darunter auch die als klassisch bezeichnete Methode, dass neben einer Tarnladung weitere illegale Alkoholika befördert wurden, kann auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht darauf geschlossen werden, dass auch in den genannten Fällen die Branntwein- bzw. Alkoholerzeugnisse unter Steueraussetzung transportiert wurden.

14Auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts wäre daher lediglich eine Beihilfe der Angeklagten zu den Haupttaten des früheren Mitangeklagten B.      gegeben, der die Branntwein- bzw. Alkoholerzeugnisse aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaates zu gewerblichen Zwecken im Sinne von § 149 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BranntwMonG bzw. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 AlkStG bezog und daher gemäß § 149 Abs. 1 Satz 2 BranntwMonG bzw. § 24 Abs. 1 Satz 2 AlkStG Steuerschuldner ist. Die Angeklagten V.           und W.           hingegen, die die Branntwein- und Alkoholerzeugnisse im Auftrag des früheren Mitangeklagten B.      - gegen Entgelt - lediglich transportierten, sind nicht Bezieher der Waren im Sinne von § 149 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG bzw. § 24 Abs. 1 Satz 1 AlkStG und damit nicht Steuerschuldner und nicht verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben, somit auch kein tauglicher Täter im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Der Tatbestand in § 149 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG, § 24 Abs. 1 Satz 1 AlkStG stellt grundsätzlich auf ein Zwei-Personen-Verhältnis ab und verlangt, dass mit Beginn der Beförderung der Empfänger der Waren aufgrund eines bestehenden Rechtsverhältnisses feststeht (vgl. Bongartz/Schröer-Schallenberg/Bongartz, Verbrauchsteuerrecht, 3. Aufl., E 34; Rn. 68). Demnach ist lediglich der frühere Mitangeklagte B.      als Käufer der Branntwein- bzw. Alkoholerzeugnisse Bezieher im Sinne dieser Vorschriften.

15Die Angeklagten V.           und W.           sind auch nicht gemäß § 149 Abs. 2 Satz 3 BranntwMonG bzw. § 24 Abs. 2 Satz 3 AlkStG Steuerschuldner, da § 149 Abs. 2 BranntwMonG bzw. § 24 Abs. 2 AlkStG voraussetzt, dass die verbrauchsteuerpflichtigen Waren anders als in den in Absatz 1 genannten Fällen in das Steuergebiet gelangen. Diese Voraussetzung ist jedoch mit Blick darauf, dass der frühere Mitangeklagte B.      Bezieher der Waren und damit der Tatbestand des Absatz 1 einschlägig ist, nicht erfüllt (vgl. Bongartz/Schröer-Schallenberg/Bongartz, Verbrauchsteuerrecht, 3. Aufl., E 38).

16Selbst wenn die Regelungen in der neuen Systemrichtlinie (vgl. Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG, Abl. L 9 vom , S. 12) insoweit weiter sein sollten, ist für die strafrechtliche Beurteilung der Wortlaut der nationalen Regelungen in § 149 Abs. 1 und 2 BranntwMonG bzw. § 24 Abs. 1 und 2 AlkStG maßgeblich (vgl. Rn. 32 sowie Rn. 51 f., 59). Die nationalen Vorschriften im Branntweinmonopolgesetz und im Alkoholsteuergesetz haben - anders als in § 23 TabStG - die Richtlinienregelung nicht nachgebildet, die bestehende Differenzierung in Absatz 1 und Absatz 2 vielmehr beibehalten (vgl. Bongartz/Schröer-Schallenberg/Bongartz, Verbrauchsteuerrecht, 3. Aufl., E 35).

173. Daher haben die Einzelstrafen in den Fällen II. A. 1, 3, 7, 11, 13, 14 und 15 der Urteilsgründe und die Gesamtstrafe keinen Bestand.

184. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Schuld- und Strafausspruchs keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

195. Die Einziehungsentscheidung gegen die Angeklagten V.           und W.           hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat der Einziehungsentscheidung die verkürzte Steuer - Branntwein- bzw. Alkoholsteuer, Energiesteuer sowie Tabaksteuer - von insgesamt 3.383.656,08 € zugrunde gelegt. Diese Einziehungsentscheidung begegnet hinsichtlich aller Steuerarten durchgreifenden Bedenken.

20a) Für die Fälle II. A. 1, 3, 7, 11, 13, 14 und 15 der Urteilsgründe folgt dies bereits aus der Aufhebung der Verurteilungen vor dem Hintergrund, dass auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts beide Angeklagten nicht Steuerschuldner und erklärungspflichtig sind. Im Übrigen tragen die Feststellungen die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen die Angeklagten V.           und W.           wegen verkürzter Branntwein- bzw. Alkoholsteuer und Tabaksteuer nicht.

21aa) Dies ergibt sich zunächst daraus, dass die Angeklagten durch die pflichtwidrig unterlassene Abgabe einer Steuererklärung über die unversteuerten Branntwein- bzw. Alkoholerzeugnisse sowie Zigaretten nicht „etwas“ erlangt haben, was der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB unterläge.

22(1) Die verkürzte Steuer ist dann als ersparte Aufwendung erlangtes Etwas im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB, wenn sich ein Vorteil im Vermögen des Täters widerspiegelt. Dies ergibt sich daraus, dass die Einziehung an einen durch die Tat tatsächlich beim Täter eingetretenen Vermögensvorteil anknüpft (vgl. Rn. 20). Nur dann hat der Täter durch die ersparten (steuerlichen) Aufwendungen auch wirtschaftlich etwas erlangt.

23Für die Hinterziehung von Tabaksteuern hat der Senat in seiner neueren Rechtsprechung darauf abgestellt, dass ein unmittelbar messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur dann gegeben ist, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren einen Vermögenszuwachs erzielt (vgl. Rn. 20; Beschluss vom - 1 StR 225/19 Rn. 25). Diese Grundsätze gelten für alle Verbrauch- und Warensteuern, mithin auch für die Branntweinsteuer und - ab dem - für die Alkoholsteuer (vgl. § 130 Abs. 1 Satz 3 BranntwMonG, § 1 Abs. 1 Satz 3 AlkStG). Hintergrund dafür ist die bei Verbrauchsteuern bestehende Korrelation zwischen dem Besitz und Inverkehrbringen der Ware sowie der Steuer. Denn Verbrauchsteuern werden auf (verbrauchsteuerpflichtige) Waren erhoben, die im Steuergebiet in den Wirtschaftskreislauf treten und ver- oder gebraucht werden (vgl. Faber in Beck'sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, 50. Ed. 2020, Verbrauchsteuern Rn. 2).

24(2) Die Angeklagten V.           und W.           haben durch die Taten aber keine Steuerersparnis im vorgenannten Sinne erlangt. Denn sie haben lediglich gegen Entgelt für den Transport der unversteuerten Branntwein- bzw. Alkoholerzeugnisse und Zigaretten gesorgt, ohne dass sie einen wirtschaftlichen Vorteil in Form einer wegen der hinterzogenen Verbrauchsteuer einträglicheren Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich der Branntwein- bzw. Alkoholerzeugnisse und Zigaretten aus der Tat gezogen hätten.

25Dementsprechend unterläge lediglich das Entgelt, das die Angeklagten V.           und W.           für die Taten erhalten haben, der Einziehung nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB.

26bb) Allerdings ist bisher nicht festgestellt, dass die Angeklagten V.           und W.           das Entgelt tatsächlich selbst erhielten. Vorliegend kommt auch in Betracht, dass das Entgelt der S.           zugeflossen ist, da das Landgericht festgestellt hat, dass die Angeklagten die Beförderung der unversteuerten Waren im Rahmen ihrer jeweiligen Tätigkeit in dem Transportunternehmen ausführten. Denn es ist regelmäßig davon auszugehen, dass eine GmbH & Co. KG als rechtsfähige Personengesellschaft über eine eigene Vermögensmasse verfügt, die vom Privatvermögen des Täters zu unterscheiden ist. Grundsätzlich erlangt ein Tatbeteiligter daher nicht ohne weiteres die Gesellschaft durch die rechtswidrige Tat zugeflossenen Vermögenswerte, auch wenn er legale Zugriffsmöglichkeiten auf das Vermögen der Gesellschaft hat (vgl. Rn. 21 mwN; vgl. auch ‒ 3 StR 294/19 Rn. 18-43).

27b) Hinsichtlich der ersparten Energiesteuer in Höhe von 66.326,40 € muss die Einziehung entfallen, da die Angeklagten V.           und W.           nach den zuvor genannten Grundsätzen nichts erlangt haben. Der Vermögensvorteil ist allein der S.           zugeflossen. Etwas anderes gälte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann, wenn der Täter die Gesellschaft nur als formalen Mantel vorschiebt, tatsächlich aber selbst der Unternehmer ist. In diesen Fällen hat der Täter die Steuerersparnis nach § 73 Abs. 1 StGB erlangt (vgl. insgesamt ‒ 1 StR 529/19 Rn. 10 ff., 16). Eine solche Ausnahme ist nach den Feststellungen des Landgerichts jedoch nicht gegeben.

286. Wegen Zeitablaufs muss bezogen auf den Angeklagten W.           die Einbeziehung der Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis bis zum aus dem Urteil des Amtsgerichts D.     vom entfallen.

297. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nur im Hinblick auf die Einziehungsentscheidung hinsichtlich des Entgelts für die Beförderung der unversteuerten Branntwein- bzw. Alkoholerzeugnisse und Tabakwaren. Im Übrigen sind die Feststellungen von dem Rechtsfehler nicht betroffen (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann insoweit ergänzende Feststellungen - auch zu einer Beförderung der Branntwein- bzw. Alkoholerzeugnisse unter Steueraussetzung - treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

30III. Revision des Angeklagten J.

311. Der Schuldspruch des Angeklagten J.         wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in 14 Fällen und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

322. Auch der Strafausspruch ist nur in dem Fall II. A. 15 der Urteilsgründe und lediglich insoweit rechtsfehlerhaft, als das Landgericht bei der Strafrahmenbestimmung zwar den vertypten Strafmilderungsgrund des § 28 Abs. 1 StGB in den Blick genommen, auf der Grundlage der Feststellungen allerdings mit unzutreffenden Erwägungen abgelehnt hat. Denn - entsprechend den Ausführungen unter II. 2. - ist auch der Angeklagte J.         , der in diesem Fall den unversteuerten Alkohol als Lkw-Fahrer von Italien nach Mi.   im Januar 2018 befördert hat, nicht Bezieher der Waren und daher nicht gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 AlkStG Steuerschuldner und verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben.

33a) Da es sich nach der neueren Rechtsprechung des Senats bei der von dem Straftatbestand der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) vorausgesetzten steuerlichen Erklärungspflicht um ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB handelt (vgl. Rn. 18 ff., BGHSt 63, 282, 285 f.), der als vertypter Strafmilderungsgrund eine Strafrahmenverschiebung eröffnet, wäre auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts eine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben der des § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen. Eine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1 StGB scheidet lediglich dann aus, wenn die Tat allein wegen des Fehlens des strafbegründenden besonderen persönlichen Merkmals als Beihilfe statt als Täterschaft zu werten ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 310/16 Rn. 23 und vom - 4 StR 476/14 jeweils mwN). Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Das Landgericht hat die Unterstützungshandlungen des Angeklagten vielmehr ohne Anknüpfung an den Umstand, ob den Angeklagten J.         eine steuerliche Erklärungspflicht traf, als Gehilfenbeiträge qualifiziert.

34Der Senat setzt die neue Einzelstrafe in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ausnahmsweise selbst fest und bemisst sie mit der gesetzlichen Mindestfreiheitsstrafe von einem Monat. Der Angeklagte J.         ist dadurch unter keinem denkbaren Gesichtspunkt beschwert, zumal für die Strafkammer eine Geldstrafe angesichts der Schadenshöhen bei keiner der Einzeltaten in Betracht kam. Dass das Landgericht für den Fall einer weiteren Strafrahmenverschiebung eine noch niedrigere Einzelstrafe verhängt hätte, ist danach auszuschließen.

35b) Die Gesamtstrafe kann bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht angesichts der Höhe der für die verbleibenden 14 Einzeltaten verhängten Einzelstrafen und vier Einsatzstrafen von zwei Jahren Freiheitsstrafe bei Verhängung einer um sechs Monate niedrigeren Einzelstrafe für Fall II. A. 15 der Urteilsgründe eine niedrigere Gesamtstrafe verhängt hätte.

363. Die Einziehungsentscheidung hat auch hinsichtlich des Angeklagten J.         keinen Bestand. Dies folgt jedenfalls daraus, dass er durch die Tat II. A. 15 der Urteilsgründe keine Steuerersparnis in dem unter II. 5. ausgeführten Sinne erlangt hat. Vor dem Hintergrund, dass das Landgericht festgestellt hat, dass dem Angeklagten J.         ein Entgelt für die Taten in Form der Aufrundung seiner Spesenabrechnungen und der kostenlosen Überlassung von Benzin gewährt wurde, erscheint eine Bezifferung dieses Entgelts und eine Zuordnung zu Fall II. A. 15 der Urteilsgründe möglich. Die Einziehungsentscheidung ist daher aufzuheben.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:120220U1STR344.19.0

Fundstelle(n):
BFH/NV 2020 S. 1038 Nr. 10
wistra 2020 S. 423 Nr. 10
FAAAH-55573