Online-Nachricht - Donnerstag, 02.07.2020

Verfahrensrecht | Keine Fristwahrung beim nicht örtlich zuständigen FA (BFH)

Die Veranlagung gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG kann bis zum Ablauf des letzten Tages der Festsetzungsfrist, mithin bis 24:00 Uhr, beantragt werden (Abweichung v. ). Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird gem. § 171 Abs. 3 AO nur dann gehemmt, wenn die für die Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG erforderliche Steuererklärung bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist beim örtlich zuständigen Finanzamt eingeht (Abgrenzung zum ) (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Der Kläger warf seine Steuererklärung für 2009 am bei einem unzuständigen FA ein. Das zuständige FA lehnte eine Veranlagung mit der Begründung ab, dass die Erklärung erst 2014 weitergeleitet worden sei. Der Antrag auf Durchführung einer Veranlagung sei damit erst nach Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist und damit verspätet gestellt worden.

Das FG () führte aus, dass es gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, dass ein Veranlagungsantrag beim zuständigen FA eingehen muss. Auch kann die Finanzverwaltung einem steuerlich unberatenen Bürger nicht die Unzuständigkeit eines FA vorhalten, wenn sie selbst nach außen als einheitliche Verwaltung auftritt. Der Einwurf einer Steuererklärung (hier eines Antrags auf Veranlagung zur ESt nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG) am letzten Tag der Antragsfrist sei auch dann fristwahrend und führe zur Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3 AO, wenn die Erklärung bei einem unzuständigen Finanzamt abgegeben werde.

Die Revision des FA ist begründet. Der BFH führte hierzu aus:

  • Das FA hat die Durchführung einer Antragsveranlagung des Klägers für das Streitjahr wegen Festsetzungsverjährung zu Recht abgelehnt. Die Festsetzungsfrist endet grundsätzlich mit Ablauf des letzten Tages der Frist, also um 24:00 Uhr. Nicht erforderlich ist, dass der Antrag innerhalb der Dienstzeiten des FA am letzten Tag der Frist gestellt wird. Erforderlich ist nach § 130 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 BGB, dass der Antrag in den Machtbereich des zuständigen FA gelangt.

  • Die Antragstellung bei einem anderen FA führt nicht zu einer Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 3 AO.

  • Zwar ist in § 171 Abs. 3 AO nicht ausdrücklich geregelt, dass der Antrag auf Steuerfestsetzung an das zuständige FA zu richten ist. Einer solchen Regelung bedurfte es aber auch nicht, weil dies bereits aus den Regelungen in §§ 17, 19 AO folgt. Danach ist für die Besteuerung natürlicher Personen nach dem Einkommen und Vermögen und damit auch für die Bearbeitung der Steuererklärungen ausschließlich das Wohnsitzfinanzamt des Steuerpflichtigen örtlich zuständig.

  • Angesichts der eindeutigen Regelung der örtlichen Zuständigkeit in § 19 AO kommt es, anders als das FG meint, auch nicht darauf an, ob und inwieweit der Steuerpflichtige das örtlich zuständige Wohnsitzfinanzamt kannte oder kennen musste. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es dem Steuerpflichtigen nicht verwehrt ist, die Steuererklärung beim unzuständigen FA einzureichen. Tut er dies, trägt er jedoch grundsätzlich das Risiko, dass die Steuererklärung rechtzeitig innerhalb der Festsetzungsfrist vom örtlich unzuständigen an das örtlich zuständige FA weitergeleitet wird.

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:

Mit Ablauf der Festsetzungsfrist, die für die Einkommensteuer nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre beträgt, wenn der Steuerpflichtige nicht zur Abgabe einer Einkommensteuer u.U. nach Aufforderung durch das FA verpflichtet ist (dann nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO sieben Jahre; siehe auch ), tritt Festsetzungsverjährung ein. Der Steueranspruch erlischt (§ 47 AO). Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung zugunsten (wie zulasten) des Steuerpflichtigen sind dann nicht mehr zulässig (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Dem lässt sich nicht mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung begegnen. Denn die (gesetzliche) Festsetzungsfrist gehört nicht zu den wiedereinsetzungsfähigen Fristen gem. § 110 AO (z.B. , , die Verfassungsbeschwerde wurde gem. §§ 93a, 93b nicht zur Entscheidung angenommen, und v. - VII R 5/08, BFH/NV 2009, 1602). Gleiches gilt für die (gesetzliche) Feststellungsfrist. Auch sie ist nicht wiedereinsetzungsfähig (, BFH/NV 2011, 1295). Allerdings hat der Steuerpflichtigen nach der Besprechungsentscheidung für die Wahrung der Festsetzungsfrist nunmehr bis zum Ablauf des letzten Tages und damit bis zum 31.12. um 24:00 Uhr Zeit. Von seiner anderslautende Auffassung, nach der die die Festsetzungsfrist nur gewahrt ist, wenn das FA zu den behördenüblichen Zeiten die Möglichkeit erhält, noch am letzten Tag vom Inhalt des Antrags auf Veranlagung Kenntnis zu nehmen, hat sich der Lohnsteuersenat verabschiedet. Dieser in § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Ausdruck kommende Gedanke betreffend empfangsbedürftige Willenserklärungen hat im Hinblick auf den Ablauf der Festsetzungsfrist ohnehin nicht getragen, sondern gründete auf anderen Fallgruppen (Rücknahme des Einspruchs/Widerruf der Einspruchsrücknahme). Ebenfalls verabschiedet hat sich der BFH allerdings von der arbeitnehmerfreundlichen Rechtsprechung, wonach die Frist zur Abgabe des Antrags auf Lohnsteuer-Jahresausgleich (§42c Abs. 2 Satz 1 EStG a.F.) auch durch die Abgabe des Antrags bei einem für die Durchführung des Jahresausgleichs örtlich unzuständigen FA gewahrt wird. Diese Rechtsprechung war der zweijährigen Ausschlussfrist des § 42 Abs.2 Satz 3 EStG a.F. geschuldet. Nach deren Abschaffung folgt die Antragsveranlagung den allgemeinen Festsetzungsregeln, so dass kein Raum mehr bestand, die alte Rechtsprechung zu übertragen und (erneut) ein Arbeitnehmersonderrechts zu schaffen.

Quelle: , NWB Datenbank (JT)

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Fundstelle(n):
NWB TAAAH-52463