BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 1060/20

Nichtannahmebeschluss: Zum Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde - hier: Vorrang der Erbenfeststellungsklage gegenüber einer Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen in einem abgeschlossenen Erbscheinsverfahren

Gesetze: § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, §§ 1922ff BGB, §§ 2353ff BGB, § 1922 BGB, § 2353 BGB, § 256 Abs 1 ZPO

Instanzenzug: Az: 31 Wx 464/19 Beschlussvorgehend Az: 31 Wx 464/19 Beschlussvorgehend AG Miesbach Az: 3 VI 3/19 Beschluss

Gründe

I.

1Der Beschwerdeführer wendet sich gegen gerichtliche Entscheidungen eines abgeschlossenen Erbscheinsverfahrens.

II.

2Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht erfüllt. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg, da sie offensichtlich unzulässig ist.

31. Die Verfassungsbeschwerde wahrt bereits nicht den in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Subsidiarität. Dieser erfordert, dass ein Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle nach der Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um die Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung durch die Fachgerichte zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 73,322 <325>; 81, 22 <27>; 95, 163 <171>).

42. Eine derartige Möglichkeit besteht hier. Der Beschwerdeführer könnte vor den Fachgerichten eine Erbenfeststellungsklage erheben und auf diesem Weg ohne Weiteres noch sein eigentliches Ziel − die Feststellung der Erbenstellung − erreichen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 219/05 -, Rn. 8; Beschluss der 4. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2555/16 -, Rn. 4; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2635/19 -, Rn. 4). Unabhängig von dem entgegenstehenden Inhalt eines Erbscheins kann der wirkliche Erbe jederzeit vor dem Prozessgericht gegen den Erbscheinserben Klage auf Feststellung seines Erbrechts erheben, wobei das Prozessgericht nicht gehindert ist, von den Feststellungen des Nachlassgerichts abzuweichen (vgl. -, ZEV 2010, S. 468 <470 Rn. 13>).

53. Der Vorrang der Erbenfeststellungsklage gilt auch nicht nur in den Fällen, in denen es allein um eine inhaltliche Überprüfung des Ergebnisses des Erbscheinsverfahrens geht (so BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 219/05 -, Rn. 8), sondern auch, wenn − wie hier − Verfahrensfehler im Erbscheinsverfahren gerügt werden (siehe für eine behauptete Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, BVerfG, Beschluss der 4. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2555/16 -, Rn. 4). Der Beschwerdeführer kann im Rahmen der noch zu erhebenden Erbenfeststellungsklage seinen als übergangen gerügten Vortrag erneut vorbringen sowie erneut auf die aus seiner Sicht abweichende Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte hinweisen, um so der gerügten Verletzung von grundrechtsgleichen Rechten Abhilfe zu verschaffen.

6Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

7Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2020:rk20200525.1bvr106020

Fundstelle(n):
SAAAH-50638