Online-Nachricht - Donnerstag, 28.05.2020

Umsatzsteuer | Steuerfreiheit von Post-Universaldienstleistungen (BFH)

Die förmliche Zustellung von Schriftstücken nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften ist eine Post-Universaldienstleistung nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 97/67/EG (Post-Richtlinie), die als von "öffentlichen Posteinrichtungen" erbrachte Dienstleistung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL von der Umsatzsteuer befreit ist. Auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL kann sich der Steuerpflichtige unmittelbar berufen. (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL befreien die Mitgliedsstaaten die von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachten Dienstleistungen und dazugehörige Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen von der Umsatzsteuer.

Sachverhalt: Geklagt hatte der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin (B). Diese ist Unternehmerin und Organträgerin einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft. B hatte durch verschiedene Organgesellschaften Postzustellungsaufträge im gesamten Bundesgebiet ausgeführt und sich dafür eines bundesweit strukturierten Zustellnetzes bedient. Das Unternehmen hatte die Durchführung dieser förmlichen Zustellungen – die im Auftrag von Behörden und Gerichten erfolgt waren und zum Nachweis des Zugangs der von ihnen versandten Schriftstücke bestimmt waren – als umsatzsteuerfrei angesehen.

Das Finanzamt hatte dies anders gesehen und die Umsatzsteuer im Anschluss an eine Außenprüfung nachgefordert. Die hiergegen gerichteten Einsprüche blieben ohne Erfolg. Das FG wies die Klage ab. (; s. hierzu auch unsere Online Nachricht v. 3.3.2016)

Per Vorabentscheidungsersuchen hat der BFH dem EuGH mehrere Fragen zur Steuerbefreiung der Postuniversalleistungen vorgelegt. Im Kern geht es darum, ob die betreffenden Leistungen eines Postdienstleisters nach europäischem Recht umsatzsteuerfrei sein können. (). Dabei betrifft das Verfahren V R 30/15 noch die alte nationale Rechtslage. (s. hierzu auch unsere Online-Nachricht v. 3.1.2018)

Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass Postdienstleister, die aufgrund ihrer nationalen Lizenz verpflichtet sind, förmliche Zustellungen von Schriftstücken von Gerichten oder Verwaltungsbehörden nach Vorschriften des nationalen Rechts durchzuführen, als "Universaldiensteanbieter" anzusehen sind, so dass solche förmlichen Zustellungen als von "öffentlichen Posteinrichtungen" erbrachte Dienstleistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL von der Umsatzsteuer zu befreien sind (; s. hierzu auch unsere Online Nachricht v. 21.10.2019).

Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben:

  • Die streitbefangenen Leistungen der B sind steuerfrei.

  • Die von B erbrachten Leistungen sind nicht schon nach § 4 Nr. 11b UStG i. d. F. der Streitjahre befreit. Befreit diese Vorschrift nur Umsätze der Deutschen Post AG, so erfüllt B ersichtlich nicht diese personenbezogene Voraussetzung des Steuerbefreiungstatbestandes.

  • Der Kläger kann sich als Insolvenzverwalter über das Vermögen von B aber unmittelbar auf die Steuerbefreiung in Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL berufen.

  • Nach dem Urteil des EuGH ist B "Universaldiensteanbieter" i.S. der Art. 2 Nr. 13 und Art. 3 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität in der durch die Richtlinie 2008/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom geänderten Fassung mit der Folge, dass die von B ausgeführten förmlichen Zustellungen als von "öffentlichen Posteinrichtungen" erbrachte Dienstleistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL von der Umsatzsteuer zu befreien sind. Dem schließt sich der BFH an.

  • Da die von B ausgeführten Postzustellungsaufträge steuerfrei sind, ist die Umsatzsteuer der Streitjahre antragsgemäß herabzusetzen.

Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner, Richter im V. Senat des BFH:

Das Urteil ist eines der beiden Folgeurteile des EuGH-Urteils Winterhoff u.a. vom - C 4/18 und C 5/18. Der EuGH hatte auf Anfrage des BFH darin entschieden, dass Anbieter förmlicher Zustellungen von Schriftstücken von Gerichten oder Verwaltungsbehörden nach Vorschriften des jeweiligen nationalen Rechts als 'Universaldiensteanbieter' i. S. von Art. 2 Nr. 13 und Art. 3 der Richtlinie 97/67/EG anzusehen sind, mit der Folge, dass solche förmlichen Zustellungen als von 'öffentlichen Posteinrichtungen' erbrachte Dienstleistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL von der Umsatzsteuer zu befreien sind. Die waren nicht nach § 4 Nr. 11b UStG in der bis geltenden Fassung (Streitjahre waren die Jahre 2008 und 2009) befreit, denn diese Vorschrift befreite nur Umsätze der Deutschen Post AG. Der Kläger kann sich aber unmittelbar auf die Steuerbefreiung in Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL berufen. Danach befreien die Mitgliedstaaten von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienstleistungen und dazugehörende Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
NWB HAAAH-49613