Verstoß gegen das Verbot der Doppelverwertung im Rahmen der Strafzumessung bei einer Vergewaltigung
Gesetze: § 46 Abs 3 StGB, § 177 Abs 1 StGB, § 177 Abs 6 StGB
Instanzenzug: LG Rostock Az: 12 KLs 77/19
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zusätzlich hat es den Angeklagten dem Grunde nach verurteilt, der Adhäsionsklägerin ein Schmerzensgeld zu zahlen. Darüber hinaus hat es die Verpflichtung ausgesprochen, der Adhäsionsklägerin alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welche ihr durch den sexuellen Übergriff vom entstehen, soweit diese nicht auf den Sozialversicherungsträger oder sonstige Versicherer übergehen. Schließlich hat es festgestellt, dass die Verpflichtung zur Leistung des Schadensersatzes auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
21. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig.
32. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge deckt im Schuldspruch - Verurteilung wegen Vergewaltigung - keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
43. Hingegen hat der Strafausspruch keinen Bestand.
5a) Zutreffend geht die Strafkammer vom Strafrahmen des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB aus, der Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren vorsieht. Soweit die Revision beanstandet, das Landgericht habe in Folge unzureichender Abwägung rechtsfehlerhaft einen minder schweren Fall nach § 177 Abs. 9 StGB verneint, verfängt dies schon deshalb nicht, weil das Gesetz für eine Vergewaltigung nach § 177 Abs. 6 StGB einen minder schweren Fall nicht vorsieht. Gründe, etwa die Regelwirkung des Abs. 6 entfallen zu lassen, sind nicht ersichtlich.
6b) Zutreffend rügt die Revision jedoch, dass dem Regelbeispiel des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nicht - wie vom Landgericht angenommen - ein sexueller Missbrauch nach § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB, sondern vielmehr ein sexueller Übergriff nach § 177 Abs. 1 StGB zugrunde liegt. Die erheblich alkoholisierte Nebenklägerin hat sexuelle Handlungen unmissverständlich abgelehnt, war aber nicht in der Lage, sich körperlich gegen den Angeklagten zur Wehr zu setzen. Mangelnde Durchsetzungsfähigkeit unterfällt § 177 Abs. 1 StGB (, NStZ-RR 2018, 107 mwN). Der Senat schließt jedoch aus, dass der Strafausspruch auf der fehlerhaften Annahme des Absatzes 2 statt des Absatzes 1 beruht.
7c) Durchgreifend rechtsfehlerhaft wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Doppelverwertung gemäß § 46 Abs. 3 StGB ist es jedoch, dass die Strafkammer im Rahmen ihrer Strafzumessung zu § 177 Abs. 6 StGB straferschwerend gewertet hat, „dass der Angeklagte die Geschädigte für die Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse schamlos ausgenutzt hat“. Diese Erwägungen decken sich mit den Überlegungen, die den Gesetzgeber veranlasst haben, solche Taten überhaupt unter Strafe zu stellen (, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Sexualdelikte 6; vgl. auch Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 703 f.; LK-StGB/Schneider, 13. Aufl., § 46 Rn. 260, 264 mwN). Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass die Verhängung der an sich maßvollen Freiheitsstrafe auf dieser fehlerhaften Erwägung beruht. Da es sich insoweit nur um einen Wertungsfehler handelt, können die getroffenen Feststellungen bestehen bleiben.
84. Auch die Adhäsionsentscheidung unterliegt der Aufhebung und Zurückverweisung. Die Strafkammer hat es versäumt, ihre Entscheidung über den Adhäsionsantrag auch nur im Ansatz zu begründen, so dass dem Senat eine Überprüfung der Entscheidung unmöglich ist (vgl. Senatsbeschluss vom - 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 337). Da das Urteil auch im Übrigen teilweise aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen ist, ist dem Tatgericht Gelegenheit zu geben, auch über den zivilrechtlichen Teil der Sache neu zu entscheiden (). Dazu weist der Senat auf Folgendes hin:
9a) Der Antrag der Adhäsionsklägerin, bei dem es sich um eine besondere, von dem Gericht von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung handelt (, NStZ-RR 2017, 255), lautet auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nicht unter 8.000 Euro. Warum die Strafkammer der Adhäsionsklägerin lediglich dem Grunde nach Schmerzensgeld zugesprochen hat, ist ebensowenig nachvollziehbar wie der Umstand, dass sie dann nicht im Übrigen von einer Entscheidung im Adhäsionsverfahren abgesehen hat (§ 406 Abs. 1 Sätze 3 bis 6 StPO).
10b) Was den Ausspruch über die Verpflichtung des Angeklagten zur Zahlung von Schadensersatz für alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden anbelangt, verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts und auf seine dazu ergangenen Entscheidungen (Beschlüsse vom - 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344; vom - 2 StR 79/19 und vom - 2 StR 397/19, NStZ-RR 2020, 53).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:120220B2STR5.20.0
Fundstelle(n):
JAAAH-49297