Online-Nachricht - Donnerstag, 27.02.2020

Umsatzsteuer | Beendigung der Organschaft im vorläufigen Insolvenzverfahren (BFH)

Weder die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung beim Organträger noch die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung bei der Organgesellschaft beenden eine Organschaft, wenn das Insolvenzgericht lediglich bestimmt, dass ein vorläufiger Sachwalter bestellt wird, sowie eine Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO erlässt (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten darüber, ob nach einem Insolvenzantrag bei Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung im Zeitpunkt der Bestellung eines vorläufigen Sachwalters (§ 270a InsO) eine bis dahin bestehende umsatzsteuerrechtliche Organschaft beendet wird. Das FG der ersten Instanz () ging davon aus, dass bereits durch die Anordnung der Eigenverwaltung mit der Bestellung eines vorläufigen Sachwalters die Organschaft beendet werde (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 16.10.2017 sowie Gehm, ).

Dem folgten die Richter des BFH nicht:

  • Weder die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung beim Organträger noch die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung bei der Organgesellschaft beenden eine Organschaft, wenn das Insolvenzgericht lediglich bestimmt, dass ein vorläufiger Sachwalter bestellt wird, sowie eine Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO erlässt.

  • Zwar endet die Organschaft nach nationalem Recht durch den Wegfall der organisatorischen Eingliederung teilweise bereits im vorläufigen Insolvenzverfahren, und zwar einerseits, wenn ein "starker" vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird (vgl. u.a. , BStBl II 2012, 256, Rz 28), sowie neuerdings andererseits, wenn ein schwacher Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt für die Organgesellschaft bestellt wird (vgl. , BStBl II 2017, 595, Rz 15 sowie v. - XI R 23/14, Rz 26 f.).

  • Allerdings führt nicht bereits ein Insolvenzantrag, jedwede Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (vgl. , BStBl II 2009, 1029, unter II.3.b, Rz 23; , BStBl II 2011, 988, Rz 35), eine Zahlungsunfähigkeit oder eine Überschuldung eines Mitglieds des Organkreises (vgl. , Rz 41) oder die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (vgl. ) zum Ende der Organschaft.

  • Zur Frage, ob im Falle der vorläufigen Eigenverwaltung bei Organträger und Organgesellschaft eine Organschaft fortbesteht, sind die Vorschriften der §§ 270a ff. InsO mit in den Blick zu nehmen.

  • Danach bestehen grundlegende Unterschiede der vorläufigen Eigenverwaltung zum eröffneten Verfahren der Eigenverwaltung (vgl. , Rz 11 ff.) und zum vorläufigen Insolvenzverfahren (vgl. BT-Drucks 17/5712, S. 67 f.; , Rz 20 ff.).

  • Die Rechtsprechung zur Beendigung der Organschaft bei vorläufiger Insolvenzverwaltung kann - entgegen der Ansicht des FG - im Streitfall nicht auf die vorläufige Eigenverwaltung übertragen werden; denn im eigenverwalteten Eröffnungsverfahren handelt der Schuldner regelmäßig weiterhin autonom und unterliegt nur der Überwachung durch einen vorläufigen Sachwalter (vgl. , Rz 11). Damit fehlt es an einer Ähnlichkeit der Tatbestände des vorläufigen Eigenverfahrens und des vorläufigen Insolvenzverfahrens (vgl. , Rz 20 ff.).

  • Ob in einem Fall, in dem das Insolvenzgericht eine Anordnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO erlassen hat, sowohl zur Organschaft als auch zu § 55 Abs. 4 InsO anders zu entscheiden wäre, bedarf vorliegend keiner Entscheidung durch den Senat, da eine solche im Streitfall vom Insolvenzgericht nicht erlassen wurde.

Anmerkung von Prof. Dr. Alois Th. Nacke, Richter im XI. Senat des BFH:

Die Entscheidung des BFH berücksichtigt die besondere Situation der Bestellung des vorläufigen Sachwalters durch das Insolvenzgericht. Das FG hat fehlerhaft angenommen, dass die Organschaft zwischen der Beigeladenen und der Klägerin durch die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung mit Vollstreckungsschutz geendet habe.

Die für das Bestehen einer Organschaft nach nationalem Recht erforderlichen Eingliederungsmerkmale lagen auch nach der Bestellung eines vorläufigen Sachwalters weiterhin vor. Zwar endet mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Organgesellschaft die Organschaft. Gleiches gilt für den Organträger. Im Rahmen der vorläufigen Insolvenz gilt dies auch für den Fall der Bestellung eines starken Insolvenzverwalters und auch für den Fall, wenn ein schwacher Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt für die Organgesellschaft bestellt wird.

Der BFH weist nun in dieser Entscheidung darauf hin, dass sich die vorläufige Eigenverwaltung und das vorläufige Insolvenzverfahren grundlegend unterscheiden, so dass von einer Beendigung der Organschaft nicht ausgegangen werden kann. Dies gilt für die Organgesellschaft wie auch für den Organträger, wenn das Insolvenzgericht lediglich bestimmt, dass ein vorläufiger Sachwalter bestellt wird, sowie eine Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO erlässt.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB EAAAH-43224