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WP Praxis Nr. 2 vom Seite 45

Kommunikation der Wesentlichkeit im Rahmen der Abschlussprüfung

Ein Vergleich der regulatorischen Anforderungen in Deutschland und Großbritannien

WP Dominik Claßen, M.Sc., WP/StB Dipl.-Wi.Jur. (FH) Sebastian Hargarten und
Prof. Dr. Reiner Quick

Die Erwartungen der Abschlussadressaten von Jahres- und Konzernabschlüssen hinsichtlich der Leistungen des Abschlussprüfers weichen häufig von dessen tatsächlichen Leistungen ab. Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Strategie, die Erwartungslücke durch die Veröffentlichung von Wesentlichkeitsangaben zu reduzieren. In diesem Zusammenhang werden das aktuelle Konzept der Wesentlichkeit in Deutschland vorgestellt und im Vergleich dazu die regulatorischen Anforderungen an die Wesentlichkeitsberichterstattung in Großbritannien dargelegt. Anhand einer empirischen Erhebung wird abschließend ein Einblick in die praktische Umsetzung der umfangreicheren Anforderungen an die Veröffentlichung von Wesentlichkeitsangaben in Großbritannien gegeben.

Zülch, Risikoorientierter Prüfungsansatz, infoCenter NWB UAAAE-25224

Kernaussagen
  • Hinsichtlich der Abschlussprüfung besteht eine Erwartungslücke dahingehend, dass die Erwartungen der Öffentlichkeit in Bezug auf die Leistungen des Abschlussprüfers von dessen tatsächlichen Leistungen abweichen. Eine mögliche Option diese Erwartungslücke zu vermindern besteht darin, die durch den Abschlussprüfer festzulegenden Wesentlichkeitsgrenzen auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

  • In Deutschland haben die Abschlussprüfer von Unternehmen von öffentlichem Interesse die Wesentlichkeit für den Abschluss als Ganzes im Prüfungsbericht zu quantifizieren. Dieser Bericht ist für die Öffentlichkeit jedoch nicht zugänglich. In Großbritannien verlangt ISA (UK) 700 Revised von den Abschlussprüfern dagegen, eine Definition bzw. eine Beschreibung der Wesentlichkeit im Bestätigungsvermerk aufzunehmen. Im Gegensatz zum Prüfungsbericht ist dieser öffentlich verfügbar. Der Umfang der Wesentlichkeitsangaben in Großbritannien weicht insgesamt stark voneinander ab. Im Fokus stehen i. W. die quantitativen Angaben zur Wesentlichkeit für den Abschluss als Ganzes sowie die durch den Abschlussprüfer angewandte Nichtaufgriffsgrenze.

  • Durch die Veröffentlichung von Wesentlichkeitsangaben besteht u. E. die Gefahr, dass die betragsmäßige Höhe der Wesentlichkeitsgrenzen fälschlicherweise als ein Indikator für die Qualität der Abschlussprüfung angesehen wird.

I. Hintergrund

Abschlussprüfer erfüllen eine wichtige gesellschaftliche Funktion, indem sie ein Urteil über die Normenkonformität geprüfter Jahresabschlüsse abgeben. Im Zuge der letzten Finanzkrise kam die Frage auf, wieso Abschlussprüfer Banken, die in eine wirtschaftliche Schieflage gerieten, noch kurz zuvor einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilen konnten. In diesem Zusammenhang ist auf die sog. Erwartungslücke hinzuweisen, die das Phänomen bezeichnet, dass die Erwartungen der Öffentlichkeit bezüglich der Leistungen des Abschlussprüfers von dessen tatsächlichen Leistungen abweichen. Elemente der Erwartungslücke sind das auf unberechtigten Erwartungen basierende Öffentlichkeitsversagen, das Normenversagen, sofern berechtigte Erwartungen der Öffentlichkeit sich nicht in den Prüfungsnormen widerspiegeln, und das Prüferversagen, wenn sich dieser nicht an die Prüfungsnormen hält. Eine Strategie zur Bekämpfung des Öffentlichkeitsversagens besteht darin, die Herausbildung einer realistischen Erwartungshaltung durch Aufklärung der Öffentlichkeit hinsichtlich der grundsätzlichen Möglichkeiten und Grenzen einer Abschlussprüfung zu fördern. Hierzu bietet sich der Bestätigungsvermerk als Informationsmedium an. S. 46

Besonders häufig lassen sich Erwartungslücken hinsichtlich der Verantwortung des Prüfers identifizieren, die das Erkennen von Bilanzbetrug, Unterschlagung und sonstigen Gesetzesverstößen betreffen. Außerdem ist den Adressaten der Jahresabschlussprüfung häufig nicht bewusst, dass ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk nicht mit einer „Vollprüfung“ gleichzusetzen ist und mit absoluter Sicherheit zum Ausdruck bringt, dass der Jahresabschluss völlig frei von Falschdarstellungen ist. Das Prüfungsurteil basiert auf einer hinreichenden Urteilssicherheit, d. h. der Abschlussprüfer hat das Risiko für wesentlich falsche Darstellungen auf ein Minimum zu begrenzen. Mitunter wird der Bestätigungsvermerk auch als eine Garantie für die künftige wirtschaftliche Prosperität des geprüften Unternehmens oder zumindest für dessen Überlebensfähigkeit (Going Concern), also eine Art „Gesundheitstestat“, missverstanden. Des Weiteren gehen Interessengruppen oft davon aus, dass die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung ebenfalls Prüfungsgegenstand ist. Teilweise weisen die Stakeholder dem Abschlussprüfer sogar die Hauptverantwortung für die Bereitstellung solider Finanzinformationen zu. In Zusammenhang mit dem Bestätigungsvermerk wird häufig mit der Informationslücke argumentiert, also der Lücke zwischen den Informationen, die Adressaten geprüfter Jahresabschlüsse als Entscheidungsgrundlage für notwendig erachten und den durch geprüfte Jahresabschlüsse und den Bestätigungsvermerk vermittelten Informationen. Zu deren Schließung sei es unerlässlich, dass der Bestätigungsvermerk mehr Transparenz über wichtige Aspekte des Jahresabschlusses und detailliertere Informationen über die Durchführung der Jahresabschlussprüfung vermittelt. Eine Strategie zum Abbau der Erwartungslücke ist es daher, durch die Ausweitung der Kommunikation der vom Abschlussprüfer angewandten Wesentlichkeit den Erwartungen der Öffentlichkeit zu entsprechen.

Im vorliegenden Beitrag werden zunächst aktuelle regulatorische Aktivitäten der Europäischen Union (EU) in Bezug auf den Abbau der Erwartungslücke dargelegt. Dabei steht insbesondere die Reduzierung dieser Lücke durch die Veröffentlichung von Wesentlichkeitsangaben im Vordergrund. Im Anschluss werden die aktuellen regulatorischen Aktivitäten in Deutschland und Großbritannien gegenübergestellt. Weiterhin wird das Konzept der Wesentlichkeit in der Abschlussprüfung in Deutschland dargestellt, bevor dem Leser abschließend, anhand einer empirischen Erhebung bezüglich der Unternehmen im Financial Times Stock Exchange (FTSE) 350 Index, ein Überblick über den Umfang der öffentlichen Berichterstattung über Wesentlichkeitsangaben durch den Abschlussprüfer in Großbritannien gegeben wird.

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Seiten: 6
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