BGH Urteil v. - XI ZR 247/16

Instanzenzug: Az: I-8 U 44/15 Urteilvorgehend Az: 32 O 70/14

Tatbestand

1Der Kläger macht gegen die Hellenische Republik Zahlungsansprüche aus von dieser emittierten Staatsanleihen geltend, die im März 2012 eingezogen und durch neue Anleihen mit einem niedrigeren Nennwert ersetzt wurden.

2Im November 2011 und im Januar 2012 erwarb der Kläger von der Beklagten im Jahr 2008 emittierte ISIN-GR-Anleihen zu einem Nennbetrag von insgesamt 10.000 €. Die Anleihen sollten mit einem Zinssatz von 4% p.a. verzinst werden und jeweils am 20. August eines Jahres fällig sein; Gesamtfälligkeit sollte am eintreten. In den Anleihebedingungen, die keine Umschuldungsklauseln (sog. Collective Action Clauses) enthielten, war bestimmt, dass die Anleihen griechischem Recht unterfallen. Es handelte sich um dematerialisierte Wertpapiere, die als Wertrechte ausgegeben wurden und im Girosystem der griechischen Zentralbank registriert waren. Das Girosystem der griechischen Zentralbank basiert auf Konten im Namen der jeweiligen Systemteilnehmer (sog. "Träger"), die daran nur mit Zulassung durch die griechische Zentralbank teilnehmen können. Nach Art. 6 Abs. 4 des griechischen Gesetzes 2198/1994 in der durch das Gesetz 2469/1997 geänderten Fassung (nachfolgend: Gesetz 2198/1994 nF) erfolgt die Übertragung des Titels, die gemäß Art. 6 Abs. 2 auch an Dritte ("Investoren") zulässig ist, dann aber nur zwischen den Parteien wirkt und zu keinen Rechtsfolgen zu Gunsten oder zu Lasten des griechischen Staates oder der Bank von Griechenland führt, durch Gutschrift auf dem Konto des Berechtigten. Gemäß Art. 6 Abs. 5 des Gesetzes 2198/1994 nF werden die Konten der Träger im System der Zentralbank und die Konten der Investoren bei den Trägern geführt.

3Der Kläger erwarb die Anleihen über die sein Depot führende S      AG & Co KG mit Sitz in W.       (nachfolgend: Depotbank). Auf den ihm erteilten Abrechnungen zu den getätigten Anleihekäufen findet sich unter "Verwahrart Wertpapierrechnung" der Hinweis "Lagerland Griechenland".

4Im Zuge der Restrukturierung des griechischen Staatshaushaltes wurde durch das griechische Gesetz 4050/2012 vom geregelt, dass durch Mehrheitsentscheidung der Anleihegläubiger Anleihebedingungen geändert und ein Umtausch von Anleihen gegen neue Anleihen vorgesehen werden können und diese Entscheidung sodann durch Beschluss des Ministerrates der Beklagten für allgemeinverbindlich erklärt werden kann. Nach Art. 1 Abs. 9 des Gesetzes 4050/2012 bewirkt zum einen der Ministerratsbeschluss, dass auch die überstimmte Minderheit der Anleihegläubiger an den Mehrheitsbeschluss gebunden ist und dieser Vorrang vor gegenteiligen Gesetzesbestimmungen, Rechtsvorschriften oder Vereinbarungen hat. Zum anderen führt im Fall eines Austausches der betroffenen Titel die Einbuchung der neuen Titel im Girosystem zur Aufhebung aller Rechte und Verpflichtungen aus den alten Titeln. Gemäß Art. 1 Abs. 4 des Gesetzes 4050/2012 erfordert eine Änderung der betroffenen Anleihen, dass die Anleihegläubiger sich an der Abstimmung über die Änderung bzw. den Umtausch mit einem Quorum von mindestens 50% des ausstehenden Nennbetrages beteiligen und eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln des teilnehmenden Kapitals dem Änderungsvorschlag zustimmt.

5Mit Beschluss vom entschied der Ministerrat der Beklagten, das im Gesetz 4050/2012 vorgesehene Verfahren in Gang zu setzen. Den Anleihegläubigern wurde angeboten, die betroffenen Anleihen, darunter auch die streitgegenständlichen Anleihen, gegen andere Anleihen mit einem um 53,5% verringerten Nennwert und anderen Laufzeiten umzutauschen. Mit Schreiben vom informierte die Depotbank den Kläger über das an die Anleihegläubiger gerichtete Angebot der Beklagten mit dem Hinweis, dass dieses Schreiben keine Aussage über die Berechtigung des Klägers, an der Maßnahme teilzunehmen, beinhalte. Der Kläger stimmte dem Angebot nicht zu.

6Die griechische Regierung teilte am mit, dass nach der durchgeführten Abstimmung der Anleihegläubiger die nach dem Gesetz 4050/2012 vorgesehenen Voraussetzungen für die Annahme des Änderungsvorschlags erfüllt seien. Mit ihrer Billigung durch Beschluss des Ministerrats der Beklagten vom gleichen Tag wurde diese Mehrheitsentscheidung gemäß den Bestimmungen des Gesetzes 4050/2012 allgemeinverbindlich. Aufgrund dessen wurden am die alten Anleihen aus dem bei der griechischen Zentralbank geführten System ausgebucht und gleichzeitig die neuen Anleihen eingebucht. Daraufhin nahm die Depotbank am im Depot des Klägers die entsprechenden Umbuchungen vor.

7Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen Zahlung des Nennwerts der ursprünglichen Anleihen zuzüglich Zinsen sowie abzüglich vereinnahmter Zahlungen, Zug um Zug gegen Gestattung der Rückbuchung der neuen Anleihen. Er stützt seine Klage in erster Linie auf von ihm behauptete vertragliche Rückzahlungsansprüche aus den ursprünglich erworbenen Staatsanleihen und hilfsweise auf deliktische Schadensersatzansprüche wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung.

8Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da der Klage der Grundsatz der Staatenimmunität entgegenstehe und im Übrigen ein Gerichtsstand in Deutschland nicht gegeben sei. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

9Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

10Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in WM 2016, 1590 veröffentlichten Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

11Das Landgericht habe die Klage im Ergebnis mit Recht als unzulässig abgewiesen. Soweit der Kläger hilfsweise deliktische Schadensersatzansprüche geltend mache, stehe der Klage der vorrangig und von Amts wegen zu berücksichtigende Grundsatz der Staatenimmunität entgegen.

12Dies gelte jedoch nicht für die von dem Kläger in erster Linie geltend gemachten vertraglichen Rückzahlungsansprüche aus den Staatsanleihen. Insoweit sei die Beklagte nicht in ihrem hoheitlichen Aufgabenbereich betroffen. Denn die Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen stelle ein nicht-hoheitliches Handeln dar. Diese Einordnung werde nicht dadurch berührt, dass der Kläger einen Verstoß gegen den deutschen ordre public durch das Gesetz 4050/2012 anführe. Denn die hierdurch suggerierte Überprüfung fremdstaatlicher hoheitlicher Maßnahmen, die der Grundsatz der Staatenimmunität verhindern wolle, finde bei der Anwendung der Vorbehaltsklausel des Art. 6 EGBGB nicht statt. Die Emission von Staatsanleihen verliere ihren fiskalischen Charakter auch nicht durch die späteren, zum Zweck des Zwangsumtauschs der Anleihen durchgeführten Maßnahmen des griechischen Gesetzgebers und der griechischen Regierung, auch wenn diese hoheitlicher Natur seien.

13Allerdings sei, soweit die Klage auf vertragliche Rückzahlungsansprüche aus den alten Staatsanleihen gestützt werde, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht eröffnet. Zwar handele es sich insoweit um eine Zivil- und Handelssache im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: EuGVVO aF). Jedoch seien weder die Voraussetzungen des Verbrauchergerichtsstands gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 EuGVVO aF gegeben noch liege der gemäß Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO aF maßgebliche Erfüllungsort in Deutschland, so dass auch der in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellte Antrag auf Verweisung des Rechtsstreits an das LG Frankfurt am Main keinen Erfolg habe.

II.

14Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

151. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass die deutsche Gerichtsbarkeit eröffnet ist, soweit die Klage auf vertragliche Rückzahlungsansprüche aus den ursprünglich erworbenen Staatsanleihen gestützt ist. Der Grundsatz der Staatenimmunität steht der Klage insgesamt entgegen.

16a) Die Frage, ob die deutsche Gerichtsbarkeit nach den Grundsätzen der Staatenimmunität eröffnet ist, ist von Amts wegen (BVerfGE 46, 342, 359; , BGHZ 182, 10 Rn. 20 mwN, vom - VI ZR 516/14, BGHZ 209, 191 Rn. 11 und vom - VII ZR 150/15, BGHZ 209, 290 Rn. 16) und vor Ermittlung der internationalen Zuständigkeit ( aaO, und Beschluss vom - III ZR 26/15, juris Rn. 3; Stürner, IPRax 2008, 197, 203 mwN; Wagner, RIW 2014, 260, 261) zu prüfen.

17b) Soweit im Völkerrecht in einem allgemeinen Sinne von Staatenimmunität die Rede ist, bezieht sich diese auf den völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsatz, dass ein Staat nicht fremdstaatlicher nationaler Gerichtsbarkeit unterworfen ist. Allerdings hat das Recht der allgemeinen Staatenimmunität, nicht zuletzt wegen des zunehmend kommerziellen grenzüberschreitenden Tätigwerdens staatlicher Stellen, einen Wandel von einem absoluten zu einem nur mehr relativen Recht durchlaufen. Es ist keine allgemeine Regel des Völkerrechts mehr, dass ein Staat Immunität auch für nicht-hoheitliches Handeln ("acta iure gestionis") genießt (vgl. BVerfGE 16, 27, 33 ff.; 117, 141, 152 f.; BVerfG, NJW 2014, 1723 Rn. 19; , BGHZ 209, 191 Rn. 12). Staatenimmunität besteht aber nach dem als Bundesrecht im Sinne von Art. 25 GG geltenden allgemeinen Völkergewohnheitsrecht auch heute noch weitgehend uneingeschränkt für solche Akte, die hoheitliches Handeln eines Staates darstellen ("acta iure imperii"), soweit der ausländische Staat auf sie nicht verzichtet. Andernfalls könnte die rechtliche Prüfung durch die Gerichte eine Beurteilung des hoheitlichen Handelns erfordern, was mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus folgenden Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht vereinbar wäre (vgl. BVerfGE 117, 141, 152 f.; BVerfG, NJW 2014, 1723 Rn. 19 f.; , WM 1979, 586 und vom , aaO).

18Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nicht nach deren Motiv oder Zweck. Sie kann auch nicht danach vorgenommen werden, ob die Betätigung in erkennbarem Zusammenhang mit hoheitlichen Aufgaben des Staates steht. Dies folgt daraus, dass die Tätigkeit eines Staates, wenn auch nicht insgesamt, aber doch zum weitaus größten Teil hoheitlichen Zwecken und Aufgaben dient und mit ihnen in einem erkennbaren Zusammenhang steht. Maßgebend für die Unterscheidung ist vielmehr die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt und damit öffentlich-rechtlich oder wie eine Privatperson, also privatrechtlich, tätig geworden ist (BVerfGE 16, 27, 61 f.; , BGHZ 209, 191 Rn. 14 und Beschluss vom - III ZB 40/12, WM 2013, 1903 Rn. 11).

19Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist die Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht des entscheidenden Gerichts zu beurteilen (BVerfGE 16, 27, 62; BVerfG, NJW 2014, 1723 Rn. 21; , BGHZ 209, 191 Rn. 15), hier also nach deutschem Recht. Die Heranziehung nationaler Regelungen zur Unterscheidung hoheitlichen staatlichen Handelns von nicht-hoheitlichem staatlichem Handeln findet erst dort ihre Grenze, wo der unter den Staaten allgemein anerkannte Bereich hoheitlicher Tätigkeit berührt ist. Das betrifft etwa die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege (vgl. BVerfGE 16, 27, 63; BVerfG, NJW 2014, 1723 Rn. 21; aaO). Insoweit kann es ausnahmsweise geboten sein, eine nach nationalem Recht als privatrechtlich einzuordnende Tätigkeit eines ausländischen Staates gleichwohl als der Staatenimmunität unterfallenden Akt iure imperii zu qualifizieren, wenn dieser zum Kernbereich völkerrechtlich anerkannter Staatsgewalt zu rechnen ist (vgl.BVerfGE 16, 27, 63 f.; BVerfG, NJW 2014, 1723 Rn. 21; aaO).

20c) Nach diesen Grundsätzen steht - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - der Klage der Grundsatz der Staatenimmunität entgegen, soweit sie hilfsweise auf einen deliktischen Schadensersatzanspruch wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gestützt ist. Entgegen der Ansicht der Revision wird dieser Anspruch nicht aus den ursprünglichen Anleihebedingungen hergeleitet. Vielmehr besteht insoweit das maßgebliche, potentiell haftungsbegründende Verhalten der Beklagten im Erlass des Gesetzes 4050/2012 vom sowie dem Beschluss des Ministerrats vom , aufgrund derer die Mehrheitsentscheidung der Gläubiger über das Umtauschangebot allgemeinverbindlich wurde und bei denen es sich um hoheitliche Maßnahmen handelt, deren Rechtmäßigkeitskontrolle der Grundsatz der Staatenimmunität verhindern will (, BGH 209, 191 Rn. 19 ff.).

21Das Berufungsgericht hat ebenfalls zutreffend entschieden, dass der Einordnung der hier für die Beurteilung der Immunität maßgeblichen Maßnahmen als hoheitlich - entgegen der Ansicht der Revision - das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (nachfolgend: EuGH) vom (C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, Fahnenbrock u.a., ZIP 2015, 1250) nicht entgegensteht. Dieses Urteil ist zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (EuZustVO, ABl. L 324, S. 79) ergangen und befasst sich nur mit der Zustellung von Klagen, also mit der Möglichkeit, einen Sachverhalt überhaupt zur gerichtlichen Überprüfung zu bringen und die Gelegenheit zur Klärung komplexer juristischer Fragen zu schaffen. Demgemäß hat der EuGH auf die Besonderheiten des unionsrechtlichen Zustellungsrechts abgestellt, insbesondere auf das mit der EuZustVO verfolgte Ziel der Schnelligkeit bei der Zustellung gerichtlicher Schriftstücke und die damit verbundene Beschränkung auf eine erste Prüfung der vorliegenden Informationen (vgl. EuGH, aaO Rn. 46). Immunitätsfragen stellen sich auf dieser Stufe noch nicht, sondern erst auf der Stufe der Gerichtsbarkeit, die der Zustellung nachgelagert ist (, BGHZ 209, 191 Rn. 24; OLG Schleswig, WM 2017, 285, 288; Knöfel, RIW 2015, 503, 504; Mankowski, EWiR 2015, 495, 496).

22d) Allerdings ist die deutsche Gerichtsbarkeit - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nach den Grundsätzen der Staatenimmunität auch insoweit nicht eröffnet, als die Klage auf vertragliche Rückzahlungsansprüche aus den ursprünglich erworbenen Staatsanleihen gestützt ist (ebenso OLG Schleswig, WM 2017, 285, 289 ff.; , juris Rn. 145 ff.; OLG Oldenburg, Urteil vom - 6 U 1/17, n.v. Umdruck S. 11 ff.; OLG Dresden, Urteil vom - 5 U 1533/16, n.v. Umdruck S. 7; , n.v. Umdruck S. 21 ff.; , n.v. Umdruck S. 12 ff.; , n.v. Umdruck S. 8 ff.; , n.v. Umdruck S. 6 ff.; LG Konstanz, Urteil vom - 2 O 132/13, IPRspr. 2013 Nr. 172 S. 370, 372; LG Osnabrück, RIW 2016, 76, 77 ff.; LG Kempten, Urteil vom - 21 O 1342/14, BeckRS 2015, 116949 Rn. 16; , juris Rn. 130 ff. und vom - 1 O 317/13, juris Rn. 52 ff.; Freitag in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl., Rn. 6.657).

23aa) Zwar stellt die Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen nach ganz überwiegender Ansicht ein nicht-hoheitliches Handeln dar (vgl. nur BVerfGE 117, 141, 153; , BGHZ 209, 191 Rn. 17; OLG Oldenburg, WM 2016, 1878, 1880; OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253, 1255 und WM 2017, 285, 287; vgl. auch , C-245/13, C-247/13, C-578/13, Fahnenbrock u.a., ZIP 2015, 1250 Rn. 53).

24Nach der oben dargestellten Rechtsprechung kommt es für die Frage der Immunität aber nicht auf die Rechtsnatur des Grundverhältnisses an, sondern auf die Natur der staatlichen Handlung, also die Rechtsnatur der Maßnahme, über deren Berechtigung die Parteien streiten (, BGHZ 209, 191 Rn. 17). Demgemäß hat das Bundesverfassungsgericht in einem Fall, dem eine Lohnzahlungsklage gegen den griechischen Staat zugrunde lag (vgl. BAGE 144, 244 Rn. 6), der den Nettolohn eines bei ihm in Deutschland beschäftigten Staatsbürgers wegen der Einführung einer Quellensteuer in Höhe von 5% des Bruttolohnes gekürzt hatte, die Immunität mit der Begründung bejaht, Gegenstand des Rechtsstreits sei die hoheitlich zu beurteilende Besteuerung mit der ausländischen Quellensteuer durch den beklagten Staat, nicht die unterbliebene vollständige Auszahlung eines im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis vom beklagten Staat als Arbeitgeber geschuldeten (Brutto-)Gehalts (BVerfG, NJW 2014, 1723 Rn. 22). Damit hat das Bundesverfassungsgericht nicht auf die teilweise Nichtzahlung des Arbeitsentgelts abgestellt, sondern auf den Grund für diese Nichtzahlung, nämlich die Steuererhebung (OLG Schleswig, WM 2017, 285, 289).

25bb) Nach diesen Maßgaben ist für die Beurteilung der Immunität im vorliegenden Fall unabhängig von der rechtlichen Einkleidung der geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht die Rechtsnatur der Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen, sondern die Rechtsnatur der hoheitlichen Maßnahmen der Beklagten, die letztlich zur Ausbuchung der Anleihen aus dem Wertpapierdepot des Klägers führten, maßgeblich (OLG Schleswig, WM 2017, 285, 289 ff.; , juris Rn. 146 ff.; LG Konstanz, Urteil vom - 2 O 132/13, IPRspr. 2013 Nr. 172 S. 372; LG Osnabrück, RIW 2016, 76, 77; , juris Rn. 131 und vom - 1 O 317/13, juris Rn. 53).

26(1) Auch wenn sich der Kläger darauf beruft, vertragliche Erfüllungsansprüche aus den ursprünglich von ihm erworbenen Staatsanleihen geltend zu machen, ist zu berücksichtigen, dass Gegenstand des Rechtsstreits nicht einfach die im Zeitpunkt der Fälligkeit verweigerte Erfüllung eines im Rahmen eines privatrechtlichen Vertrages von der Beklagten als Vertragspartnerin geschuldeten Zahlungsanspruchs ist (ebenso OLG Schleswig, WM 2017, 285, 289; , juris Rn. 147; , juris Rn. 132; , n.v. Umdruck S. 7). Denn bei den streitgegenständlichen Anleihen handelt es sich um (dematerialisierte) Wertpapiere, die griechischem Recht unterlagen, im System der griechischen Zentralbank geführt wurden und unstreitig vor Eintritt ihrer Fälligkeit auf der Grundlage des Gesetzes 4050/2012 und des Ministerratsbeschlusses vom zunächst aus diesem System und in der Folge auch aus dem Wertpapierdepot des Klägers ausgebucht wurden. Ferner ist in Art. 1 Nr. 9 des Gesetzes 4050/2012 vorgesehen, dass die Einbuchung der neuen Anleihen im Girosystem zur Aufhebung aller Rechte und Verpflichtungen aus den alten Titeln führt.

27Angesichts dieser Umstände würde die Zuerkennung eines vertraglichen Erfüllungsanspruchs denknotwendig voraussetzen, dass das angerufene Gericht die Rechtswidrigkeit und eine daraus ggf. resultierende Nichtigkeit oder Unbeachtlichkeit des Gesetzes 4050/2012 und des Ministerratsbeschlusses vom feststellt (vgl. OLG Schleswig, WM 2017, 285, 289; , juris Rn. 149; LG Osnabrück, RIW 2016, 76, 78 f.; LG Wuppertal, Urteil vom - 5 O 218/14, n.v. Umdruck S. 20).

28Damit ist aber gerade eine Beurteilung des hoheitlichen Handelns der Beklagten erforderlich, die mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus folgenden Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht vereinbar wäre (vgl. Nodoushani, WuB 2016, 481, 485). Denn es geht - ebenso wie im Rahmen außervertraglicher Ansprüche - maßgeblich um die Frage, ob der griechische Gesetzgeber berechtigt war, mit Wirkung gegenüber ausländischen Gläubigern, die beim Erwerb der Anleihen in die Geltung seiner Zivilrechtsordnung eingewilligt hatten, gegen deren Willen neue Vorschriften in seine Rechtsordnung einzufügen, welche früher geltende Normen ersetzen oder ergänzen. Gerade dadurch ist aber der Grundsatz der Staatenimmunität unmittelbar berührt (vgl. , BGHZ 209, 191 Rn. 25; OLG Schleswig, WM 2017, 285, 290 f.; Paulus EWiR 2016, 577, 578).

29(2) Die Beklagte kann - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts (ebenso OLG Oldenburg, WM 2016, 1878, 1880; Mankowski WuB 2017, 290, 293; M. J. Müller RIW 2016, 80, 81) - auch nicht mit einem sonstigen Schuldner einer privaten Forderung gleichgesetzt werden, der sich darauf beruft, seine Verbindlichkeit sei durch ein Gesetz oder eine andere hoheitliche Maßnahme erloschen, und dessen Einwendung nach dem anwendbaren materiellen Recht zu prüfen ist (, n.v. Umdruck S. 14 f.). Denn die Beklagte hat hier die zum Erlöschen ihrer Verbindlichkeit führenden Maßnahmen selbst in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger durch Parlamentsgesetz und Ministerratsbeschluss erlassen, während einem privaten Schuldner ein gesetzlicher Eingriff in vertragliche Verpflichtungen unmöglich ist ( aaO; , juris Rn. 132; Thole, WM 2012, 1793, 1794).

30cc) Wie bereits oben unter II.1.c) ausgeführt, steht der Einordnung der hier für die Beurteilung der Immunität maßgeblichen Maßnahmen als hoheitlich das , C-245/13, C-247/13, C-578/13, Fahnenbrock u.a., ZIP 2015, 1250) nicht entgegen.

31dd) Der Verneinung der deutschen Gerichtsbarkeit im vorliegenden Fall steht auch nicht das , WM 2016, 1586) entgegen (ebenso , n.v. Umdruck S. 16). In diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine Klage auf Rückzahlung griechischer Staatsanleihen, die von der Hellenischen Republik wegen des Zwangsumtausches der Anleihen aufgrund des Gesetzes 4050/2012 verweigert wird, vom Deckungsschutz in der Rechtschutzversicherung nicht durch eine Klausel ausgeschlossen ist, nach der Rechtsschutz nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Enteignungs-, Planfeststellungs-, Flurbereinigungs- sowie im Baugesetzbuch geregelten Angelegenheiten besteht (BGH, aaO Rn. 20 ff.). Die Frage der - möglicherweise fehlenden - Erfolgsaussichten einer Klage gegen die Hellenische Republik ist offen gelassen worden, weil dieser Einwand nicht in der gebotenen Form und Frist erhoben worden war (BGH, aaO Rn. 32 ff.).

32ee) Das Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit ergibt sich auch nicht aus Art. 10 Abs. 1 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit vom (ILM 44 (2005), 801, 807), da dieses Übereinkommen bisher nicht in Kraft getreten und weder von Griechenland noch von Deutschland gezeichnet oder ratifiziert worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass die in diesem Artikel enthaltene Regelung, die überdies die Feststellung einer internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts voraussetzt (vgl. YILC 1991 II (2) S. 34), die Immunität über die oben dargestellte Rechtsprechung hinaus einschränken würde und insoweit als Völkergewohnheitsrecht gälte (so zu der Regelung für Arbeitsverträge in Art. 11 des Übereinkommens EGMR, Urteile vom - 15869/02, Cudak/Litauen, Slg. 2010 - III, 153 Rn. 66 f. und vom - 34869/05, Sabeh El Leil/Frankreich, NJOZ 2012, 1333 Rn. 54; in Bezug auf Art. 10 offengelassen von , BGHZ 209, 290 Rn. 21 und 24), sind nicht ersichtlich (vgl. , n.v. Umdruck S. 18).

33ff) Schließlich steht der Verneinung der deutschen Gerichtsbarkeit im vorliegenden Fall auch nicht das , RIW 2017, 611 Rn. 15 ff.) entgegen. Die diesem Urteil zugrundeliegende Fallkonstellation ist nicht mit der hier in Rede stehenden vergleichbar, da die streitgegenständlichen Anleihen griechischem Recht unterlagen, im System der griechischen Zentralbank geführt wurden und aufgrund der streitgegenständlichen hoheitlichen Maßnahmen aus diesem System ausgebucht und durch neue Anleihen ersetzt wurden.

342. Da die Klage somit schon deshalb unzulässig ist, weil die deutsche Gerichtsbarkeit nicht eröffnet ist, bedarf es keiner Entscheidung, ob die Auffassung des Berufungsgerichts, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich weder aus Art. 15 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1 EuGVVO aF noch aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO aF, rechtlicher Überprüfung standhält.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:191217UXIZR247.16.0

Fundstelle(n):
ZAAAH-38526