Online-Nachricht - Donnerstag, 12.12.2019

Umsatzsteuer | Steuerfreiheit bei der Entwicklung und Vermittlung von Versicherungsprodukten (BFH)

Der BFH sieht es als zweifelhaft an, ob ein Versicherungsvermittler, der neben seiner Vermittlungstätigkeit der Versicherungsgesellschaft dieser auch das vermittelte Versicherungsprodukt zur Verfügung stellt, umsatzsteuerfreie Leistungen erbringt. Er hat daher ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Klärung dieser Frage gerichtet (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. a Mehrwertsteuersystemrichtlinie sind Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazu gehörenden Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden, steuerfrei.

Sachverhalt: Die Klägerin hatte ein Versicherungsprodukt entwickelt, mit dem Schiffe und deren Crews gegen Piraterie bei der Durchfahrt durch den Golf von Aden versichert werden konnten. Sie gewährte einer Versicherungsgesellschaft eine Lizenz für die Nutzung dieses Versicherungsprodukts. Zusätzlich übernahm sie die Vermittlung dieser Versicherungen sowie weitere Leistungen bei der Durchführung der Versicherungsverträge wie etwa im Bereich der Schadensabwicklung.

Das FA ging davon aus, dass keine einheitliche Leistung, sondern drei getrennte Leistungen vorliegen. Dabei sei - unter Berücksichtigung einer verbindlichen Auskunft - nur die unmittelbare Tätigkeit der Versicherungsvermittlung nach § 4 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei. Die Lizenzüberlassung unterliege dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG, während auf weitere Leistungen zur Vertragsdurchführung einschließlich Schadensregulierung der Regelsteuersatz anzuwenden sei. Daher unterwarf das FA 25 % der Gesamtvergütung für die Lizenzüberlassung dem ermäßigten Steuersatz und 8% der Gesamtvergütung für die verwaltungsbezogenen Leistungen dem Regelsteuersatz. Demgegenüber begehrte die Klägerin die volle Umsatzsteuerfreiheit. Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg, da umsatzsteuerrechtlich nur eine Leistung vorliege, die insgesamt steuerpflichtig sei (, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 15.11.2017).

Auch der BFH geht von einer einheitlichen Leistung aus, hat aber Zweifel an der zutreffenden Auslegung des unionsrechtlichen Steuerbefreiungstatbestandes für die Versicherungsvermittlung.

Das Gericht hat daher dem EuGH die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Liegt eine zu den zu Versicherungs- und Rückversicherungsumsätzen dazugehörige Dienstleistung vor, die von Versicherungsmaklern und -vertretern im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. a Mehrwertsteuersystemrichtlinie steuerfrei erbracht wird, wenn ein Steuerpflichtiger, der für eine Versicherungsgesellschaft eine Vermittlungstätigkeit ausübt, dieser Versicherungsgesellschaft zusätzlich auch das vermittelte Versicherungsprodukt zur Verfügung stellt?

Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner, Richter am BFH:

Der Beschluss betrifft den Sonderfall, dass eine Versicherungsleistung nicht nur vermittelt, sondern das Versicherungsprodukt für ein besonderes Risiko (hier das der Piraterie bei der Durchfahrt von Schiffen durch den Golf von Aden) zuvor erst noch geschaffen wird. In letzterem bzw. in der Gewährung der Lizenz zur Bereitstellung dieses Versicherungsproduktes sieht der BFH die Hauptleistung.

Die Vorlage überrascht deshalb ein wenig. Denn sie richtet sich, wie sich aus den Gründen ergibt, auf die Frage, ob eine einheitliche Leistung auch dann steuerfrei sein kann, wenn lediglich eine Nebenleistung die Anforderungen eines Befreiungstatbestandes erfüllt. Über diese Frage hat der EuGH aber bereits in mehreren Urteilen entschieden, so z.B. im Urteil v. - C-224/11, "BGZ-leasing".

Der EuGH führt darin im 1. Leitsatz aus, dass ein einheitlicher Umsatz u.a. vorliegt, "… wenn ein oder mehrere Elemente als Hauptleistung anzusehen sind, während andere Elemente als eine oder mehrere Nebenleistungen einzustufen sind, die steuerlich ebenso zu behandeln sind wie die Hauptleistung". Damit dürfte die Frage, ob eine aus Haupt- und Nebenleistung bestehende einheitliche Leistung hinsichtlich der Steuerbefreiung durch die Nebenleistung geprägt werden kann, beantwortet sein.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB DAAAH-37612