Online-Nachricht - Montag, 21.10.2019

Umsatzsteuer | Steuerbefreiung von Postuniversalleistungen (EuGH)

Postdienstleister, die aufgrund ihrer nationalen Lizenz verpflichtet sind, förmliche Zustellungen von Schriftstücken von Gerichten oder Verwaltungsbehörden nach Vorschriften des nationalen Rechts durchzuführen, sind als "Universaldiensteanbieter" anzusehen, so dass solche förmlichen Zustellungen als von "öffentlichen Posteinrichtungen" erbrachte Dienstleistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL von der Umsatzsteuer zu befreien sind ( und C-5/18).

Rechtsfrage: Per Vorabentscheidungsersuchen hat der BFH dem EuGH in zwei Verfahren (V R 8/16 sowie V R 30/15) mehrere Fragen zur Steuerbefreiung der Postuniversalleistungen vorgelegt. Im Kern geht es darum, ob die betreffenden Leistungen eines Postdienstleisters nach europäischem Recht umsatzsteuerfrei sein können. Dabei betrifft das Verfahren V R 30/15 noch die alte nationale Rechtslage und das Verfahren V R 8/16 die aktuelle Fassung des UStG. In beiden Verfahren führte das Unternehmen im Wesentlichen förmliche Zustellungen durch.

Der BFH hat Zweifel, ob ein Unternehmer, der im Wesentlichen förmliche Zustellungen für Gerichte und Verwaltungsbehörden ausführt, ganz oder teilweise Leistungen des Post-Universaldienstes erbringt und deshalb als „Anbieter von steuerbefreiten Universaldienstleistungen“ im Sinne von Art. 2 Nr. 13 Richtlinie 97/67/EG (sog. Post-Richtlinie) gelten kann. (Weitere Informationen zur Vorinstanz vgl. Mann, ).

Der EuGH kam in seinem Urteil zu folgendem Ergebnis:

  • Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL sind die von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienstleistungen und die dazugehörigen Lieferungen von Gegenständen von der Umsatzsteuer befreit.

  • Die von der MwStSystRL vorgesehenen Steuerbefreiungen werden unter Maßgabe der von den Mitgliedstaaten festgelegten Anwendungsbedingungen umgesetzt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich die Anwendungsbedingungen nicht auf den Inhalt der vorgesehenen Steuerbefreiungen (EU) auswirken dürfen. Daher ist für diese Steuerbefreiungen eine eigenständige Definition auf Ebene der EU erforderlich.

  • Die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiung umschrieben wird, sind eng auszulegen.

  • Ziel der Befreiung ist die Förderung von Tätigkeiten im Gemeinwohlinteresse, bspw. durch die von den öffentlichen Posteinrichtungen erbrachten Dienstleistungen. Nicht als Tätigkeiten im Gemeinwohlinteresse werden solche Tätigkeiten verstanden, die auf die besonderen Bedürfnisse einzelner Wirtschaftsteilnehmer zugeschnitten sind bzw. einzelvertraglich ausgehandelt wurden.

  • Nach der Rechtsprechung des EuGH sind “öffentliche Posteinrichtungen“ im Sinne der MwStSystRL öffentliche oder private Betreiber, die sich verpflichten, postalische Dienstleistungen zu erbringen, die den grundlegenden Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechen (vgl. „TNT Post UK“, Rn. 36, und v. – C-114/14 „Kommission/Schweden“, Rn. 28).

  • Zwar wird gemäß der Post-Richtlinie der Begriff „Leistungen des Universalpostdienstes“ definiert als ständige flächendeckende postalische Dienstleistung einer bestimmten Qualität zu tragbaren Preisen für alle Nutzer. Die Mitgliedstaaten erlassen nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie die erforderlichen Maßnahmen zu Abholung, Transport, Zustellung etc.

  • Die von den Klägerinnen erbrachten Leistungen im Bereich der förmlichen Zustellung sind als Teil des Universaldienstes anzusehen, auch wenn die Zustellungen nicht von jeder Privatperson in Auftrag gegeben werden können, sondern im Wesentlichen öffentlichen Stellen zur Verfügung stehen. Dies gilt insbesondere, weil für die Klägerinnen Vorschriften galten, die sich aus den speziellen deutschen Verpflichtungen ergaben und nicht einzelvertraglich ausgehandelt wurden. Zudem werden die förmlichen Zustellungen zwar zur Erfüllung von Aufträgen öffentlicher Stellen durchgeführt, die öffentlichen Stellen befriedigen damit jedoch nicht ihre eigenen Bedürfnisse, sondern gewährleisten das ordnungsgemäße Funktionieren des Justiz- und Verwaltungssystems.

  • Die Klägerinnen besaßen darüber hinaus eine Lizenz für die Erbringung von Briefzustelldienstleistungen und waren somit verpflichtet, im deutschen Hoheitsgebiet flächendeckend förmliche Zustellungen zu gewährleisten.

  • Im Ergebnis sind die Leistungen der förmlichen Zustellungen als Leistungen des Universalpostdienstes anzusehen, die von „öffentlichen Posteinrichtungen“ erbracht werden und damit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 von der Umsatzsteuer zu befreien sind.

Quelle: und C-5/18; NWB Datenbank (ImA)

Fundstelle(n):
NWB DAAAH-32982