BGH Beschluss v. - 3 StR 616/17

Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben zeitiger Freiheitsstrafe: Symptomatischer Zusammenhang zwischen der Tat und einem Hang zum Alkoholkonsum; angemessener Zeitraum für den voraussichtlichen Erfolg der Suchtbehandlung nach neuem Recht

Gesetze: § 64 S 2 StGB vom , § 67d Abs 1 S 1 StGB, § 67d Abs 1 S 3 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: Az: 2526 Js 100837/16 - 33 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "schweren Raubes" zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es mangels Erfolgsaussicht abgesehen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

32. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zu Ungunsten des Angeklagten ergeben. Jedoch war der Schuldspruch dahin zu ändern, dass der Angeklagte statt des "schweren Raubes" des "besonders schweren Raubes" schuldig ist, denn er beging die Raubtat unter Vorhalt eines Messers und damit unter den Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB; die von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der Straftat verlangt die Kennzeichnung dieser vom Angeklagten verwirklichten Qualifikation (st. Rspr.; vgl. etwa , juris Rn. 2 mwN).

43. Das Urteil hält jedoch der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand, soweit die Strafkammer von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen hat.

5a) Das Landgericht ist - sachverständig beraten - davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Hang hat, Alkohol im Übermaß zu konsumieren. Sodann hat es das Bestehen eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen diesem Hang und der abgeurteilten Tat für zweifelhaft gehalten, weil "tatdynamisch die allgemeine dissoziale Verhaltensbereitschaft [...], nicht hingegen die alkoholbedingte Enthemmung, der wichtigste Faktor für die Tatbegehung gewesen sei". Gleichwohl hat es angenommen, bei dem Angeklagten liege die Gefahr vor, dass er infolge seines Hanges in Zukunft weitere erhebliche Straftaten begehen werde.

6Die Strafkammer hat indes eine Erfolgsaussicht der Behandlung im Sinne des § 64 Satz 2 StGB verneint, und ausgeführt, eine "hinreichend konkrete Aussicht auf einen Therapieerfolg innerhalb einer maximal zweijährigen Unterbringung könne aus Sicht des Sachverständigen [...] nicht bejaht werden". Das Landgericht ist dem Sachverständigen auch insoweit gefolgt und hat zusätzlich berücksichtigt, dass der Angeklagte nach seinen Angaben nur wenige Tage nach der letzten Alkoholentwöhnungstherapie rückfällig geworden sei.

7b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

8Soweit die Strafkammer einen symptomatischen Zusammenhang bezweifelt hat, kann sich dieser vorliegend bereits daraus ergeben, dass der Angeklagte die Tat im Rausch beging. Im Übrigen ist es nicht erforderlich, dass "die alkoholbedingte Enthemmung der wichtigste Faktor für die Tatbegehung" war, es reicht aus, wenn der Hang neben anderen Ursachen zur Tatbegehung beigetragen hat (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa , NStZ-RR 2018, 13 mwN). Die Verneinung eines symptomatischen Zusammenhangs lässt sich hier zudem nicht widerspruchsfrei damit in Einklang bringen, dass das Landgericht die Gefahr weiterer erheblicher hangbedingter Straftaten bejaht hat.

9Im Rahmen der Ablehnung der Erfolgsaussicht hat die Strafkammer zudem - unter Referierung der Ausführungen des Sachverständigen, denen sie sich angeschlossen hat - mehrfach darauf abgestellt, dass die Unterbringungs- bzw. Behandlungsdauer auf "maximal" zwei Jahre begrenzt sei. Dies lässt besorgen, dass sie insoweit von einem falschen Maßstab auf der Basis der früher geltenden Rechtslage ausgegangen ist, nach der die Erfolgsaussicht zu verneinen war, wenn die voraussichtlich notwendige Dauer der Behandlung die Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB überschritt (vgl. , BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 1). Dieser ist indes durch die Neufassung von § 64 Satz 2 StGB durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom (BGBl. I, S. 1610) die Grundlage entzogen worden. Durch die Neuregelung ist der Zeitraum, innerhalb dessen der Erfolg der Suchtbehandlung mit hinreichend konkreter Aussicht erreicht werden muss, in den Fällen, in denen neben der Maßregel auf eine Freiheitsstrafe erkannt wird, auf die sich aus § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB zu errechnende Dauer ausgedehnt worden; es sollte durch den Verweis auf § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB ausdrücklich klargestellt werden, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch dann angeordnet werden kann, wenn ausnahmsweise eine notwendige Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren zu prognostizieren ist (BT-Drucks. 18/7244, S. 1, 2, 24 f.). Danach kann die hinreichende Erfolgsaussicht nicht mehr allein damit verneint werden, dass die voraussichtlich notwendige Behandlungszeit die - unverändert gebliebene - zweijährige Frist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB übersteigt (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 307/17, juris Rn. 7; vom - 2 StR 581/16, BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 3).

10c) Über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss deshalb - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; st. Rspr.; vgl. etwa , juris Rn. 10 mwN); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:060218B3STR616.17.0

Fundstelle(n):
CAAAH-11321