BGH Beschluss v. - XI ZR 423/17

Normenverifikationsverfahren: Erforderlichkeit einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zum Umfang der Staatenimmunität

Gesetze: Art 100 Abs 2 GG, § 13 Nr 12 BVerfGG

Instanzenzug: OLG Oldenburg (Oldenburg) Az: 6 U 1/17 Urteilvorgehend LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 3 O 3217/15

Gründe

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom wird durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Gegenstandswert für das Revisionsverfahren beträgt bis 155.000 €.

1Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

2Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf das Schreiben des Vorsitzenden vom (§ 552a Satz 2, § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Das Vorbringen des Klägers in seinem Schriftsatz vom führt zu keiner abweichenden Beurteilung.

31. Der Senat hält daran fest, dass im vorliegenden Fall keine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 2 GG erforderlich war.

4Nach dieser Vorschrift hat ein Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen, wenn in einem Rechtsstreit zweifelhaft ist, "ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25)". Ernstzunehmende Zweifel an dem Bestehen oder der Tragweite einer allgemeinen Regel des Völkerrechts bestehen dann, wenn das Gericht von der Meinung eines Verfassungsorgans, von den Entscheidungen hoher deutscher, ausländischer oder internationaler Gerichte oder von den Lehren anerkannter Autoren der Völkerrechtswissenschaft abweichen würde (BVerfGE 23, 288, 319 mwN; 96, 68, 77; 109, 38, 49; BVerfGK 14, 524, 530).

5Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. So sind die grundlegenden Fragen zum Umfang der Staatenimmunität durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. die Nachweise im Senatsurteil vom - XI ZR 796/16, WM 2018, 223 Rn. 16 f.). Hier stellt sich nur die Frage, ob das im konkreten Fall streitgegenständliche Handeln als hoheitlich einzuordnen ist oder nicht. Das Normenverifikationsverfahren nach Art. 100 Abs. 2 GG ist jedoch ein objektives Zwischenverfahren, während die Anwendung der in Rede stehenden Regel auf einen konkreten Sachverhalt nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist (BVerfGK 13, 246, 251; 14, 524, 533; 19, 122, 126 f.). Insoweit ist für die Beseitigung einer Divergenz zwischen verschiedenen Oberlandesgerichten der Bundesgerichtshof zuständig.

62. Entgegen der Auffassung des Klägers steht der Entscheidung des Senats zum Einwand der Staatenimmunität auch nicht entgegen, dass der österreichische OGH (Beschluss vom - 10 Ob 34/16x, RdW 2017/270 S. 405) ein Vorabentscheidungsersuchen zum Begriff des Erfüllungsortes im Sinne von Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet hat und die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Tätigkeit von unmittelbarer Relevanz für den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1215/2012 ist, da diese nach ihrem Art. 1 Abs. 1 Satz 2 insbesondere nicht für die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte (acta iure imperii) gilt. Denn das Vorliegen der Gerichtsbarkeit nach den Grundsätzen der Staatenimmunität und die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts sind zwei verschiedene Prozessvoraussetzungen und die Verordnung Nr. 1215/2012 einschließlich ihres Art. 1 regelt nur die zweite dieser beiden Voraussetzungen (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer vom in der Sache C-292/05 - Lechouritou u.a., Rn. 76 ff.; Dutta, ZZPInt 11 (2006), 208, 217 ff.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Rn. 643 f.; Geimer IPRax 2008, 225, 226; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Vor Art. 33 EuGVO Rn. 5; Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht, 4. Aufl., Vor Art. 4-35 EuGVVO Rn. 2; Wagner, RIW 2014, 260 f.; Rohner/Lerch in Basler Kommentar zum Lugano-Übereinkommen, 2. Aufl., Art. 1 Rn. 10 f.; Acocella in Schnyder, Lugano-Übereinkommen, 2011, Art. 1 Rn. 31, Vorbem. Art. 2 Rn. 2; Watt/Pataut, Rev.crit.DIP 97 (2008), 61, 68 f.; Pataut, Rev.crit.DIP 102 (2013), 223, 226 f.).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:150518BXIZR423.17.0

Fundstelle(n):
SAAAH-05242