BGH Beschluss v. - 4 StR 25/18

Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht: Begriff der Gefährdung des Maßregelzwecks; einmalige Missachtung der Weisung, sich einem Drogenscreening zu unterziehen

Gesetze: § 68b Abs 1 Nr 10 StGB, § 145a S 1 StGB

Instanzenzug: Az: 9 KLs 1/17

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bedrohung in zwei Fällen, Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in zwei Fällen, Missbrauchs von Notrufen und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht gemäß § 145a Satz 1 StGB in den Fällen II. 4 und II. 6 der Urteilsgründe kann schon deshalb nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht in beiden Fällen keine Feststellungen zu der für einen Schuldspruch erforderlichen Gefährdung des Zwecks der Maßregel getroffen hat.

3a) § 145a Satz 1 StGB setzt voraus, dass durch den Weisungsverstoß eine Gefährdung des Maßregelzwecks eingetreten ist. Dies ist dann der Fall, wenn sich dadurch die Gefahr weiterer Straftaten erhöht oder die Aussicht ihrer Abwendung verschlechtert hat (vgl. , StraFo 2017, 512; Urteil vom - 1 StR 415/12, BGHSt 58, 72, 75; Beschluss vom - 1 StR 243/08, NStZ-RR 2008, 277, 278). Dazu bedarf es eines am Einzelfall orientierten Wahrscheinlichkeitsurteils, das neben dem sonstigen Verhalten des Angeklagten auch die konkrete spezialpräventive Zielsetzung der verletzten Weisung in den Blick nimmt (Einzelheiten bei Roggenbuck in: LK-StGB, 12. Aufl., § 145a Rn. 18 ff. mwN).

4b) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Das Landgericht hat lediglich festgestellt, dass der nach der Erledigung seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus unter Führungsaufsicht stehende Angeklagte gegen die ihm vom Landgericht Paderborn mit Beschlüssen vom und erteilten strafbewehrten Weisungen, „sich unangekündigten Drogentests nach Weisung des Bewährungshelfers zu unterziehen“ und keinen Alkohol zu sich zu nehmen, verstoßen hat, indem er einer Aufforderung seiner Bewährungshelferin vom , innerhalb von drei Tagen ein Drogenscreening vorzulegen, nicht nachkam (Fall II. 4 der Urteilsgründe) und am alkoholisiert war (Blutalkoholkonzentration 0,36 Promille; Fall II. 6 der Urteilsgründe). Inwieweit diese Verstöße die Gefahr weiterer Straftaten erhöht oder die Aussicht ihrer Abwendung verschlechtert haben könnten, teilt das Urteil nicht mit. Dies liegt hier auch nicht auf der Hand. Ob und inwieweit die einmalige Missachtung einer Weisung, sich einem Drogenscreening zu unterziehen, die Gefahr weiterer Straftaten erhöht, kann nur mit Blick auf das übrige Verhalten des Täters beantwortet werden (vgl. dazu , BGHSt 58, 72, 75). Hinsichtlich des gegen die Abstinenzweisung verstoßenden Alkoholkonsums sprechen die von der Strafkammer zur Ablehnung einer Anordnung nach § 64 StGB getroffenen Feststellungen sogar gegen die Annahme einer Gefährdung des Maßregelzwecks. Danach sind die Anlassstraftaten auf die bei dem Angeklagten festgestellte Persönlichkeitsstörung im Zusammenhang mit einer drogeninduzierten Psychose zurückzuführen. Der Suchtmittelkonsum war daneben lediglich sekundär (UA 27).

52. Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen II. 4 und II. 6 der Urteilsgründe (Einzelstrafen von jeweils acht Monaten Freiheitsstrafe) zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

63. Für die Neuverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:

7Ein Weisungsverstoß unterfällt nur dann dem objektiven Tatbestand des § 145a Satz 1 StGB, wenn die fragliche Weisung rechtsfehlerfrei ist (vgl. , StV 2017, 36; Urteil vom - 3 StR 486/12, BGHSt 58, 136 mwN). Dies ist in den Urteilsgründen vollständig darzustellen (vgl. , BGHR StGB § 145a Bestimmtheit 2). Dabei wird hinsichtlich der Weisung, ein Drogenscreening vorzulegen, näher als bisher darauf einzugehen sein, ob die sich aus dem Bestimmtheitsgrundsatz ergebenden Anforderungen erfüllt sind (vgl. dazu , StV 2017, 36; Urteil vom - 3 StR 486/12, Rn. 4 insofern nicht abgedruckt in BGHSt 58, 136; Urteil vom - 1 StR 415/12, BGHSt 58, 72 Rn. 18 [Meldeweisung]; Roggenbuck in: LK-StGB, 12. Aufl., § 145a Rn. 8 ff.). In Bezug auf die Abstinenzweisung wird sich der neue Tatrichter mit der Frage zu befassen haben, ob bei ihrer Erteilung gegenüber dem psychisch kranken Angeklagten der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet wurde (vgl. , NJW 2016, 2170 mwN).

84. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom angeführten Gründen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:190618B4STR25.18.0

Fundstelle(n):
TAAAG-97211