BFH Beschluss v. - IX B 45/03

Ernstliche Zweifel an der Festsetzung von ESt auf Einkünfte aus Spekulationsgeschäften

Gesetze: FGO § 69; EStG § 23

Gründe

I. Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) erklärten für das Streitjahr (2000) Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von insgesamt 40 660 DM. Es handelte sich dabei um Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an verschiedenen Investmentfonds. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) erließ am den Einkommensteuerbescheid für 2000 und erfasste dort den Veräußerungsgewinn als sonstige Einkünfte. Die Antragsteller legten Einspruch ein und verwiesen zur Begründung auf die mögliche Verfassungswidrigkeit der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Streitjahres (EStG). Über den Einspruch ist noch nicht entschieden. Das Einspruchsverfahren ruht. Den Aussetzungsantrag der Antragsteller lehnte das FA ab.

Die Antragsteller beantragten bei dem Finanzgericht (FG), die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides für 2000 vom hinsichtlich der festgesetzten Einkommensteuer in Höhe von ... €, der Zinsen zur Einkommensteuer in Höhe von ... €, des Solidaritätszuschlags in Höhe von ... € und der ev. Kirchensteuer in Höhe von ... € auszusetzen. Das FG wies den Antrag in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 790 veröffentlichten Beschluss als unbegründet zurück; denn es fehle an dem besonderen berechtigten Interesse der Antragsteller an der Aussetzung der Vollziehung.

Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit ihrer Beschwerde, mit der sie beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides für 2000 vom auszusetzen, und zwar in Bezug auf die festgesetzte Einkommensteuer in Höhe von ... €, die festgesetzten Zinsen in Höhe von ... €, den Solidaritätszuschlag in Höhe von ... € und die ev. Kirchensteuer in Höhe von ... €.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist begründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts wegen ernstlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit aussetzen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom IX B 142/93, BFHE 175, 421, BStBl II 1995, 778; vom VIII B 143/94, BFHE 176, 262, BStBl II 1995, 262, m.w.N.). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. dazu , BFH/NV 1995, 116; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 69 Rz. 120 f.; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Tz. 122, m.w.N.).

Ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der für die Besteuerung des hier streitigen Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften maßgeblichen Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG ergeben sich aus dem Beschluss vom IX R 62/99 (BFHE 199, 451, BStBl II 2003, 74), mit dem der Senat eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darüber eingeholt hat, ob § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in der für den Veranlagungszeitraum 1997 maßgeblichen Fassung mit dem Grundgesetz (GG) insoweit unvereinbar ist, als die Durchsetzung des Steueranspruchs wegen struktureller Vollzugshindernisse weitgehend vereitelt wird. Um weitere Wiederholungen zu vermeiden, verweist der Senat im Einzelnen auf seine Ausführungen in diesem Beschluss. Er hat dort auch zur Rechtslage der Veranlagungszeiträume ab 1999 Stellung genommen und insoweit ausgeführt, dass der gleichmäßige Belastungserfolg auch nicht durch § 45d EStG sowie durch organisatorische Maßnahmen hergestellt werden kann (BFH in BFHE 199, 451, BStBl II 2003, 74, unter B. III. 4. b und c der Gründe). Dem entspricht es, wenn nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom (BStBl I 2003, 238) Steuerfestsetzungen hinsichtlich der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften für Veranlagungszeiträume ab 2000 vorläufig vorzunehmen sind.

Die Antragsteller können verlangen, dass der hier streitige Veräußerungsgewinn im Wege der Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides unberücksichtigt bleibt. Ihr verfassungsrechtlicher Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) tritt nicht hinter das öffentliche Interesse an einer geordneten öffentlichen Haushaltswirtschaft zurück. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf seinen Beschluss vom IX B 16/03 (Deutsches Steuerrecht 2003, 1164 f., Der Betrieb 2003, 1481 f., BFH/NV 2003, 1121 f.).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 37
BFH/NV 2004 S. 37 Nr. 1
CAAAA-71487