BFH Urteil v. - VIII R 30/02

Schuldzinsen i. Z. m. Mietgarantieversprechen anlässlich einer stl. irrelevanten Grundstücksveräußerung als WK bei Kapitaleinkünften

Gesetze: EStG §§ 9, 20

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war einer der beiden Gesellschafter einer GbR. Die Gesellschafter veräußerten im Jahr 1994 gemeinsam mehrere Grundstücke der Gesellschaft an einen Käufer. Hierbei erzielten sie einen nichtsteuerbaren Veräußerungserlös. In dem Kaufvertrag verpflichteten sie sich, dem Käufer als Mietsicherheit für den Zeitraum von vier Jahren eine selbstschuldnerische Bürgschaft zu stellen.

Dementsprechend übernahm die Bank des Klägers gegenüber dem Käufer eine selbstschuldnerische Bürgschaft. Im Innenverhältnis zwischen dem Kläger und der Bank erwarb der Kläger aus Mitteln seines bei dieser Bank geführten Kontos einen Sparbrief über den gleichen Betrag mit einer Laufzeit von vier Jahren, der mit 6,75 % zu verzinsen war. Dieser Sparbrief diente als Sicherheit für die Bankbürgschaft und wurde vom Kläger an die Bank verpfändet.

Im Jahr 1996 wurde die Bank aus der Bürgschaft in Höhe von 94 523,89 DM in Anspruch genommen. Der Sparbrief wurde nicht verwertet. Stattdessen wurde das Konto des Klägers ins Soll gestellt. Wegen der Kontoüberziehung musste der Kläger in diesem Jahr Schuldzinsen von 6 891,08 DM leisten.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1996 gab der Kläger bei den Einkünften aus Kapitalvermögen die Guthabenszinsen aus dem Sparbrief mit 16 875 DM an. Zugleich begehrte er den Abzug der genannten Schuldzinsen als Werbungskosten. Diesen Abzug lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) ab.

Der dagegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1432 veröffentlichten Gründen statt.

Mit der Revision macht das FA geltend, das FG habe zu Unrecht darauf abgestellt, die Belastung des Kontos habe der Verhinderung der Verwertung des Sparbriefs gedient. Auslösendes Moment sei die Erfüllung der Mietgarantieverpflichtung gewesen, die durch die Bürgschaft gesichert gewesen sei. Diese Verpflichtung sei aber im Zusammenhang mit der Grundstücksveräußerung eingegangen worden, die nicht der Besteuerung unterlegen habe.

Das FA beantragt,

das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf die Begründung des Urteils der Vorinstanz.

II. Die Revision ist begründet. Das Urteil der Vorinstanz wird aufgehoben und die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Der erkennende Senat folgt nicht der Auffassung des FG, die vom Kläger geleisteten Schuldzinsen seien Werbungskosten bei dessen Einkünften aus Kapitalvermögen. Die Schuldzinsen stehen in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem vom Kläger eingegangenen Garantieversprechen. Sie sind auch nicht als Aufwendungen zu werten, die getätigt wurden, um die klägerischen Kapitaleinnahmen zu erhalten. Sie können auch dann nicht (anteilig) als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn der Kläger den Sparbrief mit Mitteln erworben haben sollte, die aus der Grundstücksveräußerung stammen.

a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen Werbungskosten. Schuldzinsen sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG Werbungskosten, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Dieser notwendige wirtschaftliche Zusammenhang von Darlehenszinsen mit Einkünften aus Kapitalvermögen ist dann gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang dieser Aufwendungen mit der Überlassung von Kapital zur Nutzung besteht und (jedenfalls regelmäßig) subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser Nutzungsüberlassung gemacht werden. Maßgeblich kommt es hierbei darauf an, zu welchem Zweck die Darlehensvaluta verwendet wird (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 187, 21, BStBl II 1999, 353, m.w.N.).

Im Streitfall hat das FG durch die Bezugnahme auf die bei den Akten befindlichen Kontoauszüge festgestellt, dass der Kläger von seinem bei der bürgenden Bank geführten Girokonto den Betrag von 94 523,89 DM an diese Bank überwiesen hat. Hierdurch hat sich der auf diesem Konto bereits vorhandene Sollsaldo weiter erhöht. Auslösendes Moment hierfür war, dass sich der Kläger in dem Grundstücksveräußerungsvertrag verpflichtet hat, als Mietsicherheit eine Bürgschaft zu stellen. Dies kann nur in dem Sinne verstanden werden, dass (auch) der Kläger gegenüber dem Grundstückserwerber ein Versprechen abgegeben hat, den Eingang der Mieten für einen bestimmten Zeitraum zu garantieren und diesen Garantieanspruch mittels einer Bürgschaft abzusichern. Mit dieser Überweisung erfüllte der Kläger sein abgegebenes Garantieversprechen insoweit, als dieser Garantieanspruch nach § 774 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wegen der Inanspruchnahme aus der Bürgschaftsverpflichtung auf die Bank übergegangen ist.

Die Darlehensvaluta wurde daher zur Erfüllung einer im Grundstücksveräußerungsvertrag eingegangenen und nicht mit der Einkunftserzielung zusammenhängenden Verpflichtung verwendet.

b) Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang mit den Einkünften aus Kapitaleinnahmen besteht auch dann nicht, wenn der Kläger das Konto überzogen hat, um eine Verwertung des Sparbriefs zu vermeiden.

Dabei kann dahinstehen, ob die Schlussfolgerung des FG, der Kläger habe die Bank veranlasst, abweichend von der ursprünglichen Konzeption nicht den verpfändeten Sparbrief zu verwerten, sondern stattdessen das Girokonto zu belasten, den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindet. Dies ist zweifelhaft, weil die Bindungswirkung entfällt, wenn für das Revisionsgericht nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Tatsachen das FG seine Schlussfolgerung herleitet (Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 118 Rz. 55, m.w.N.). Selbst wenn man von der Annahme des FG ausgeht, der Kläger habe sein Girokonto nur deshalb belastet, um sich den Sparbrief als Einnahmequelle zu erhalten, begründet dies keinen ausreichenden wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einkünften aus Kapitalvermögen. Aufwendungen zur Abwehr von Gefahren für das der Einkunftserzielung dienende Vermögen sind nicht allgemein als Werbungskosten ”zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen” abziehbar. Ein Veranlassungszusammenhang mit der Einkunftserzielung ist nämlich nach der Rechtsprechung dann grundsätzlich zu verneinen, wenn die Zugehörigkeit eines der Einkunftserzielung dienenden Wirtschaftsguts zum Vermögen des Steuerpflichtigen bedroht ist. In einem solchen Fall steht nicht die Absicht der Einkunftserzielung, sondern die der Erhaltung des Vermögens des Steuerpflichtigen im Vordergrund (, BFHE 184, 80, BStBl II 1997, 772, und von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 9 Rdnr. B 142 f., m.w.N.). Ein Veranlassungszusammenhang von Abwehrkosten mit der Einkunftserzielung kommt (nur) in Betracht, wenn die abzuwehrende Gefahr durch die Einkunftserzielung begründet ist (vgl. , BFHE 171, 445, BStBl II 1993, 751, m.w.N.). Dies ist im Streitfall nicht gegeben.

c) Der erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang der streitigen Schuldzinsen mit der Erzielung von Kapitaleinkünften lässt sich auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass die Bank die Bürgschaft zur Absicherung des vom Kläger abgegebenen Garantieversprechens nur unter der Voraussetzung der Stellung einer Sicherheit seitens des Klägers übernommen hat. Hierdurch wird lediglich der Zusammenhang mit dem Garantieversprechen belegt. Hingegen ergibt sich kein ausreichender wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Kontoüberziehung und der Erzielung von Kapitaleinkünften aus der Schuldverschreibung mit vierjähriger Laufzeit. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass ein Steuerpflichtiger, der sich im Rahmen seiner Finanzierungsfreiheit (, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, unter B.I.1.) dazu entschließt, Eigenmittel zum Zwecke der Erzielung von Kapitaleinkünften zu verwenden und der deshalb zur Erfüllung eines nicht mit steuerbaren Einkünften in Zusammenhang stehenden Anspruchs gezwungen ist, Fremdmittel aufzunehmen, diese Fremdmittel nicht durch eine bloße Willensentscheidung dem Bereich der Einkunftserzielung zuordnen kann (BFH-Urteil in BFHE 187, 21, BStBl II 1999, 353, m.w.N.). Denn das Steuerrecht knüpft an den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt an, und nicht an denjenigen, welchen der Steuerpflichtige alternativ hierzu hätte verwirklichen können.

d) Die Schuldzinsen sind auch dann nicht anteilig als Werbungskosten abzugsfähig, wenn und soweit der dem Kläger zugeflossene Erlös aus der Veräußerung der Grundstücke dazu verwendet worden sein sollte, die Namensschuldverschreibung zu erwerben, um mit dieser Kapitaleinkünfte zu erzielen.

Insoweit hat das FG zwar unter Bezugnahme auf den Vertrag über die Grundstücksveräußerung festgestellt, dass der Veräußerungspreis in Höhe eines Teilbetrags zum Zweck der Absicherung der bürgenden Bank auf ein bei dieser Bank geführtes Konto des Klägers zu leisten war. Nicht festgestellt hat das FG hingegen die Höhe des Kontostands im Zeitpunkt der Verwendung von Mitteln dieses Kontos für den Erwerb der Schuldverschreibung, sowie, ob diese Verwendung in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Eingang des anteiligen Veräußerungserlöses steht.

Hierauf kommt es indessen nicht an.

Der erforderliche Zusammenhang zwischen der anteiligen Verwendung des Veräußerungserlöses zum Erwerb der Schuldverschreibung und der späteren Kontoüberziehung des Klägers wird nicht dadurch hergestellt, dass der Kläger in dem Veräußerungsvertrag ein Garantieversprechen abgegeben hat, also eine Verpflichtung eingegangen ist. Er ergibt sich auch nicht aus der Absicherung dieser Verpflichtung durch eine Bankbürgschaft.

aa) Es ist in der Rechtsprechung zwar anerkannt, dass im Fall der Veräußerung eines mit Kredit finanzierten Wirtschaftsguts die im Veräußerungszeitpunkt noch bestehende Darlehensschuld im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer neuen Kapitalanlage stehen kann, wenn und soweit der Veräußerungserlös zur Einkunftserzielung verwendet wird (, BFHE 183, 155, BStBl II 1997, 682, m.w.N.).

Voraussetzung für die Herstellung eines solchen Zusammenhangs zwischen der Verbindlichkeit und der neuen Kapitalanlage ist aber, dass die zu ihrer Anschaffung verwendeten Mittel als zu diesem Zweck ganz oder zum Teil als darlehensweise überlassen angesehen werden können. Dies erfordert in Fällen der Veräußerung eines Wirtschaftsguts und der Verwendung des Veräußerungserlöses zum Erwerb einer neuen Kapitalanlage nicht nur, dass dieser Verwendungszweck eindeutig und nachvollziehbar belegt ist (BFH-Urteil in BFHE 183, 155, BStBl II 1997, 682). Zusätzlich muss das Darlehen, welches ursprünglich im Zusammenhang mit dem später veräußerten Wirtschaftsgut aufgenommen worden ist, im Veräußerungszeitpunkt zumindest zum Teil noch vorhanden sein. Denn nur wenn die Tilgung eines solchen Darlehens unterbleibt und der Veräußerungserlös zur Einkunftserzielung eingesetzt wird, kann diese neue Anlageentscheidung auch als von Beginn an mittels Kredit finanziert angesehen werden (Schmitz in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 9 EStG Anm. 380; Thürmer in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 9 EStG Rz. 210).

Hiervon ausgehend kann es im Fall der Verwendung eines Veräußerungserlöses zur Einkunftserzielung für die Anerkennung von Schuldzinsen als Werbungskosten nicht genügen, dass eine Darlehensschuld nur ursächlich auf eine Verpflichtung zurückgeführt werden kann, die im Zusammenhang mit der Veräußerung des Wirtschaftsguts begründet worden ist. Ist eine solche Verpflichtung im Zeitpunkt des Erwerbs der neuen Einkunftsquelle nicht mit einer bereits konkret bestehenden Zahlungsverpflichtung verbunden, dann wird die neue Kapitalanlage nicht mit Kredit-, sondern mit Eigenmitteln erworben.

Hieran vermag der Umstand, dass ein derartiges Schuldversprechen zu einem späteren Zeitpunkt eine Zahlungsverpflichtung auslöst, nichts mehr zu ändern. Eine nachträgliche Umwidmung ist nämlich deshalb nicht möglich, weil die Tatsache der ausschließlich aus Eigenmitteln erfolgten Finanzierung der neuen Kapitalanlage nicht nachträglich rückgängig gemacht werden kann. Denn für die steuerrechtliche Würdigung ist allein der tatsächliche Geschehensablauf maßgebend (Weber-Grellet, Deutsche Steuer-Zeitung 1991, 321).

Aus diesem Grund kann die tatsächliche Finanzierung aus Eigenmitteln auch nicht für den Fall als auflösend bedingt angesehen werden, dass eine solche Zahlungsverpflichtung später entstehen sollte.

bb) Ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Kapitalanlage und der späteren Kontoüberziehung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger vertragsgemäß sein Mietgarantieversprechen durch eine Bankbürgschaft abgesichert hat. Zwar beurteilt die Bankwirtschaft die Hingabe einer solchen Bankbürgschaft als Avalkredit.

Ein solcher Avalkredit ist aber dadurch gekennzeichnet, dass die Bank dem Begünstigten gegenüber zunächst lediglich für die Erfüllung von dessen Anspruch gegenüber dem Hauptschuldner, also dem Avalnehmer, einsteht. Erst mit dem Eintritt des Bürgschaftsfalls muss die Bank eigene Mittel einsetzen. Auch erwirbt sie erst ab diesem Zeitpunkt den Rückgriffsanspruch gegenüber dem Hauptschuldner. Die Bank setzt mithin bis zu diesem Zeitpunkt keine Kreditmittel ein. Sie geht bis zum Eintritt des Bürgschaftsfalls lediglich eine Eventualverbindlichkeit ein (Eilenberger, Bankbetriebswirtschaftslehre, 5. Aufl., S. 170).

cc) Diesem Ergebnis steht auch das (BFH/NV 2003, 900) nicht entgegen.

Nach dieser Entscheidung können Schuldzinsen, die für ein Darlehen zu leisten sind, das wegen der Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft aufgenommen worden ist, Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sein, wenn das Grundstück und die Bürgschaftsverpflichtung bis zu einer Betriebsaufgabe des Steuerpflichtigen Bestandteil des Betriebsvermögens waren. Maßgeblich hierfür ist, dass der Entschluss, das Grundstück nicht zum Zweck der Tilgung der Betriebsschuld zu verwerten und es stattdessen zu vermieten, einer neuen Anlageentscheidung gleichsteht.

Diese Situation ist im Streitfall nicht gegeben. Das durch die Bürgschaftsverpflichtung abgesicherte Mietgarantieversprechen und die vom Kläger getätigte Kapitalanlage waren nicht in der Weise miteinander verknüpft, dass der Kläger grundsätzlich gehalten war, zum Zwecke der Erfüllung der Regressforderung der bürgenden Bank seine Kapitalanlage zu verwerten. Anders als bei der Behandlung betrieblich begründeter und im Fall einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe zurückbehaltener Verbindlichkeiten besteht bei privaten Verbindlichkeiten ein solches Verwertungsgebot nicht.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1560
BFH/NV 2003 S. 1560 Nr. 12
RAAAA-71310