BFH Beschluss v. - V B 119/02

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb nach seinen Angaben in den Streitjahren 1994 und 1995 einen Handel mit hochwertigen Uhren verschiedener Hersteller. Er machte in den Streitjahren Vorsteuerbeträge von 1,22 Mio. DM für 1994 und von 4,79 Mio. DM für 1995 aus dem Ankauf von ”hochpreisigen Armbanduhren” von A und steuerfreie Umsätze durch Ausfuhrlieferungen dieser Gegenstände an die Firma X geltend.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) ließ in den zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Umsatzsteueränderungsbescheiden für 1994 und 1995 nur einen geringen Teil der Vorsteuerbeträge aus Rechnungen des A zum Abzug zu. Das FA besteuerte die als Ausfuhrlieferungen angemeldeten Umsätze zum großen Teil, weil sie aus der Buchführung nicht abzuleiten seien.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach erfolglos durchgeführtem Vorverfahren als unbegründet ab.

Zur Begründung führte das FG u.a. aus, die vom FA beanstandeten Rechnungen berechtigten schon deswegen nicht um Vorsteuerabzug, weil sie als Leistungsbeschreibung lediglich die Angabe ”diverse Armbanduhren” oder ”diverse Armbänder” enthielten. In den Rechnungen werde auch nicht auf andere Erkenntnismittel mit näheren Angaben über die Lieferungsgegenstände, wie Bestellungen, Verträge oder Lieferscheine Bezug genommen. Den vorhandenen Angaben auf den Rechnungen ließ sich ”auch nicht ansatzweise entnehmen”, dass damit über Lieferungen von hochpreisigen Markenuhren mit Verkaufswerten von jeweils 5 000 DM und mehr abgerechnet worden sei.

Für die angemeldeten steuerfreien Ausfuhrlieferungen habe der Kläger die Buch- und Belegnachweise nicht erbracht. Weder aus den Ausgangsrechnungen im Zusammenhang mit der vorgelegten Buchführung noch aus den Ausfuhrbelegen ergebe sich eindeutig und leicht nachprüfbar, welche Gegenstände der Kläger ausgeführt habe. In den Rechnungen an die Firma X werde der Gegenstand der Lieferung mit ”Armwatches” und mit der ”Menge 1” angegeben. In den Ausfuhrbescheinigungen werde neben dem Frachtgewicht und einer handschriftlich eingetragenen Stückzahl als Lieferungsgegenstand ”Autom. Armbanduhren” angemeldet. Weitere Angaben über die Ausfuhrgegenstände fänden sich weder in den vorgelegten Buch- noch in den Ausfuhrunterlagen. Rechnungen und Ausfuhrbelege ließen keine eindeutige Identifizierung der ausgeführten Gegenstände zu.

Mit der Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision aus den in § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgezählten Zulassungsgründen.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO), sind nicht vorhanden.

1. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die hervorgehobene Rechtsfrage über die Beurteilung des Streitfalls hinaus das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFH/NV 1999, 1122, m.w.N.). Die Beschwerdebegründung muss ferner ergeben, dass die Rechtsfrage klärungsbedürftig und im Streitfall auch klärbar ist (BFH-Beschlüsse vom XI B 122/99, BFH/NV 2000, 1495; vom XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51).

a) Streitkomplex Vorsteuerabzug

aa) Der Kläger sieht als klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung an, ”ob im Falle der Lieferung 'hochpreisiger' Gegenstände die zum Vorsteuerabzug berechtigenden Eingangsrechnungen, gemeinsam mit den Lieferscheinen, über die Anzahl der Gegenstände hinaus weitere Beschreibungen des Liefergegenstandes enthalten sein müssen, die über den Gattungsbegriff 'Uhren' bzw. 'Armbänder' hinausgehen”.

bb) In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Angaben in einer Rechnung i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. § 14 Abs. 4 UStG eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug ermöglichen müssen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFH/NV 1994, 584, und vom V R 41/89, BFHE 169, 540, BStBl II 1993, 205; Beschlüsse vom V B 108/01, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2002, 275; vom V B 171/98, BFH/NV 1999, 1652; vgl. Urteil vom V R 50/99, BFHE 194, 536 —zur Bezeichnung des Leistungsempfängers—).

Der Aufwand zur Identifizierung der Leistung muss dahin gehend begrenzt sein, dass die Rechnungsangaben eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet worden ist (, BFH/NV 2000, 1504).

Sofern in der Abrechnung auf andere Geschäftsunterlagen verwiesen wird, ist es grundsätzlich notwendig, dass die in Bezug genommenen Unterlagen eindeutig bezeichnet werden (vgl. z.B. , BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688; vom V R 125/86, BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694; vom V R 45/93, BFHE 176, 472, BStBl II 1995, 395; vom V R 9/96, BFH/NV 1997, 381; vom V R 16/96, BFH/NV 1997, 717; Beschluss vom V B 55/98, BFH/NV 1999, 683, jeweils m.w.N.).

Was zur Erfüllung dieser Voraussetzungen erforderlich ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

cc) Daraus folgt, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht zuzulassen ist, wenn das FG im Einzelfall festgestellt hat, dass die Leistungsbeschreibung in den streitbefangenen Rechnungen eine eindeutige Identifizierung der abgerechneten Leistungen nicht ermöglicht. Es ist im Streitfall verständlich und nachvollziehbar, dass über die Lieferung von ”hochpreisigen Uhren und Armbändern mit Kaufpreisen von 5 000 DM und mehr” nicht mit einer Gattungsbezeichnung, sondern ordnungsgemäß nur durch die Angabe des jeweiligen Lieferungsgegenstands abgerechnet werden kann. Die Identifizierung der Lieferung des jeweiligen Gegenstands ist unter diesen Umständen erst durch eine Abrechnung unter Aufzeichnung der handelsüblichen Bezeichnung des Gegenstands leicht und einwandfrei möglich (vgl. auch , noch nicht veröffentlicht), insbesondere dann, wenn in der Rechnung nicht auf bestimmte Lieferscheine Bezug genommen wird.

b) Streitkomplex Ausfuhrlieferungen

aa) Der Kläger sieht als klärungsbedürftig an, ”ob die von der Grenzzollstelle gemäß Abs. 10 der § 6/1. Dienstanweisung über die Mitwirkung der Zolldienststellen bei dem Ausfuhrnachweis für Umsatzsteuerzwecke zu erteilende Bestätigung ausreichenden Beweis dafür liefert, dass die Angaben in dem vom Antragsteller vorgelegten Beleg über Art und Menge der Waren (handelsübliche Bezeichnung) mit den Eintragungen in der zur Ausfuhrabfertigung erforderlichen Ausfuhranmeldung übereinstimmen, der Antragsteller, hier also der Kläger, somit auch davon ausgehen kann, dass die der Grenzzollstelle zur Überprüfung vorgelegten Unterlagen inhaltlich ausreichende Informationen beinhalten, um die Steuerbefreiung zu erzeugen”.

bb) Auf die Klärung dieser Rechtsfragen kommt es in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht an. Die Beschwerdebegründung betrifft insoweit den Belegnachweis für eine Ausfuhrlieferung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 UStG, §§ 8, 9 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung —UStDV— 1993).

Das FG hat aber die Klageabweisung auch darauf gestützt, dass der Kläger den für die Steuerbefreiung von Ausfuhrlieferungen ebenfalls erforderlichen Buchnachweis (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 UStG, § 13 Abs. 1, Abs. 2 UStDV 1993) nicht erbracht hat. Wenn ein finanzgerichtliches Urteil —wie im Streitfall— mehrfach begründet wird und jede dieser Begründungen das Urteil trägt, muss für die Zulassung der Revision hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund vorliegen (ständige Rechtsprechung, z.B.: , BFH/NV 2001, 1620).

2. Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO)

Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

Die von dem Kläger dargestellte Divergenz der Vorentscheidung zu dem (BFHE 146, 489, BStBl II 1986, 581) besteht nicht.

Der Senat hatte darin zu der nach dem UStG 1967 maßgebenden Rechtslage seinerzeit ausgeführt: ”Eine nähere Bezeichnung des Gegenstands der Lieferung oder der sonstigen Leistung nach Menge und handelsüblicher Bezeichnung der gelieferten Gegenstände oder nach Art und Umfang der sonstigen Leistung (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 UStG 1967) ist in der Rechnung, die dem Unternehmer den Zugang zum Vorsteuerabzug eröffnet, nicht erforderlich.

Der Senat hat diese Aussage durch die oben aufgezählten Entscheidungen, nach denen das Abrechnungspapier im Einzelfall jedenfalls Angaben tatsächlicher Art enthalten muss, die die Identifizierung der abgerechneten Leistungen ermöglichen (vgl. , BFH/NV 1996, 860, und in BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688), fortentwickelt.

Die von dem Kläger herangezogene Aussage in dem Urteil in BFHE 146, 489, BStBl II 1986, 581 ist ersichtlich für einen mit dem Streitfall nicht vergleichbaren Sachverhalt gemacht worden. Es ging um den Vorsteuerabzug aus Abrechnungen einer Lebensmittel-Handelsgesellschaft über die Lieferung von Waren für einen Lebensmitteleinzelhandel. Der Vorsteuerabzug betrug für die Lieferungen in den damaligen Streitjahren insgesamt zwischen 1 300 DM und 1 600 DM. Damit nicht vergleichbar sind die Lieferungen von hochpreisigen Uhren und Armbändern im Verkaufswert von jeweils 5 000 DM und mehr —die im Geschäftsverkehr i.d.R. individualisiert werden— und streitigen Vorsteuerbeträgen von 1,2 Mio. DM und 4,79 Mio. DM.

3. Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO)

Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen. Der Kläger sieht in der Feststellung des FG, nach der für Lieferungen von Uhren und Armbändern an den angeblichen Lieferanten des Klägers A keine greifbaren Anhaltspunkte bestünden, einen Verfahrensfehler. Das Vorbringen des Klägers, diese Betrachtung komme für ihn völlig überraschend, genügt aber nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Der Kläger hat in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt —was für die Zulässigkeit der Beschwerde insoweit nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO notwendig gewesen wäre—, zu welchen tatsächlichen Umständen und zu welchen Rechtsfragen er noch hätte Ausführungen machen wollen, welchen Inhalt seine Ausführungen gehabt hätten und aus welchem Grund sie die Entscheidung des FG —ausgehend von dessen materiell-rechtlicher Auffassung— hätten beeinflussen können.

Hinzu kommt, dass das FG weder eine überraschende Entscheidung gefällt noch das rechtliche Gehör des Klägers verkürzt hat. Nach der Einspruchsentscheidung waren alle entscheidungserheblichen Rechtsfragen des Streitfalls schon im Einspruchsverfahren aufgedeckt worden. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem FG am ist Beweis erhoben worden und die Beteiligten, darunter auch der fachkundig vertretene Kläger, hatten Gelegenheit die Sache rechtlich und tatsächlich zu erörtern. Dass das FG die Darlegungen des Klägers berücksichtigt und gewürdigt hat, ergeben zudem die Urteilsgründe. Ein Verfahrensfehler liegt nicht dadurch vor, dass das FG nicht die Überzeugung gewinnen konnte, der Kläger habe die behaupteten Umsätze nachgewiesen.

4. Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO nicht.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 518
BFH/NV 2003 S. 518 Nr. 4
KÖSDI 2003 S. 13793 Nr. 7
UR 2003 S. 300 Nr. 6
NAAAA-70523