BFH Beschluss v. - V B 44/01

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt ein Finanzierungs-, Immobilien- und Beratungsunternehmen. Geschäftsführer ist der Diplom-Ingenieur A. Dieser hatte im August 1995 ein ihm gehörendes Grundstück an die B-GmbH veräußert, deren Geschäftsführer er ebenfalls ist.

Das Grundstück ist mit einem Mehrfamilienwohnhaus, einem Flachgebäude und einer Scheune bebaut. Das Mehrfamilienhaus besteht aus sechs Wohneinheiten mit einer Wohnfläche von insgesamt 333,49 qm. Das Flachgebäude ist ursprünglich als Bürogebäude errichtet worden, später teilweise in Wohnraum umgewandelt worden. Nunmehr befinden sich dort eine Wohneinheit mit 90 qm und ein Büro mit 35,70 qm. Der Umbau wurde vor dem begonnen und Mitte 1994 fertiggestellt. Auch die Scheune wurde zum Teil in Wohnraum umgebaut bzw. durch entsprechende Anbauten erweitert. Die Umgestaltung der Scheune in Wohnraum hat vor dem begonnen. Es befinden sich dort nunmehr 11 Wohneinheiten mit einer Wohnfläche von insgesamt 697,85 qm. Der Rest der Scheune steht als Betriebsgebäude zur Verfügung. Die Wohnräume in den drei Gebäuden sind vermietet.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom kaufte die Klägerin das Grundstück von der B-GmbH zum Preis von 782 608,69 DM zuzüglich 117 391,31 DM Umsatzsteuer. Am stellte die B-GmbH der Klägerin eine Rechnung über

782 608,70 DM Grundstückskaufpreis

40 500,00 DM Zinsen für eine Zahlungsstundung bis

und 123 466,30 DM Umsatzsteuer

aus, führte die von ihr ausgewiesene Umsatzsteuer aber nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) nicht an den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) ab.

In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1996 machte die Klägerin die Vorsteuerbeträge aus dem Grundstückserwerb und der Zahlungsstundung in Höhe von 123 466,30 DM geltend. Das FA folgte dem bei der Veranlagung der Klägerin nicht und versagte den Vorsteuerabzug (Umsatzsteuerbescheid für 1996 vom ).

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, sie habe bei Erwerb des Grundstücks vorgehabt, dieses steuerpflichtig weiterzuveräußern, hatten keinen Erfolg. Das FG meinte, es komme auf die tatsächliche erste Verwendung und nicht auf die beabsichtigte Verwendung an. Tatsächlich habe die Klägerin das Grundstück steuerfrei vermietet. Der behauptete Verzicht auf die Steuerbefreiung habe nicht festgestellt werden können. Er sei auch nach § 9 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993 ausgeschlossen gewesen; auf die Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 2 UStG könne sich die Klägerin nicht berufen, da diese Regelung nur die Errichtung, nicht aber den Erwerb von Gebäuden betreffe. Der Klägerin stehe der Vorsteuerabzug auch nicht teilweise zu, da ihre Behauptung, die Gebäude lediglich zu 60 % an Nichtunternehmer vermietet zu haben, durch nichts belegt sei. So sei es auch mit ihrer behaupteten Absicht, das Grundstück steuerpflichtig zu veräußern. Irgendwelche nach außen erkennbare Anzeichen für diese Absicht (Zeitungsinserate, Beauftragung eines Maklers, Schriftwechsel mit Interessenten) seien weder aus den Akten erkennbar noch von der Klägerin vorgetragen.

Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, die Vorentscheidung stehe im Widerspruch zum (BFHE 186, 468) und zum Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom C-37/95 Ghent Coal Terminal (Slg. 1998, I-1).

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Es gelten die Zulassungsvoraussetzungen nach der Rechtslage vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567). Da die Vorentscheidung am verkündet worden ist, richtet sich die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs gemäß Art. 4 2.FGOÄndG nach den bis zum geltenden Vorschriften.

2. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des BFH abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann. In der Beschwerdeschrift muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des BFH, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.).

3. Das von der Klägerin benannte EuGH-Urteil in Slg. 1998, I-1 ist keine Entscheidung des BFH i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. Die Vorentscheidung weicht auch nicht von dem Vorlagebeschluss des Senats in der Rechtssache Schloßstraße (in BFHE 186, 468) ab, da dieser nur Fragen an den EuGH und keine vom BFH aufgestellten Rechtsgrundsätze enthält.

4. Allerdings hat der EuGH mittlerweile die Fragen in der Rechtssache Schloßstraße beantwortet (, Schloßstraße, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht —UVR— 2000, 308) und der Senat daraufhin über die Revision entschieden (). Nach diesen Urteilen kommt es für den Vorsteuerabzug in Fällen, in denen die tatsächliche Verwendung von der beabsichtigten Verwendung der vorsteuerbelasteten Eingangsumsätze abweicht, entscheidend auf die —durch objektive Anhaltspunkte belegte— Verwendungsabsichten des Unternehmers an.

Die Vorentscheidung weicht von diesen Urteilen bereits deshalb nicht ab, weil es in der Rechtssache Schloßstraße um Vorsteuern für ein Gebäude ging, das erst errichtet und danach (steuerpflichtig) vermietet werden sollte, während es im Streitfall —jedenfalls nach den maßgeblichen Feststellungen des FG— um ein Gebäude geht, das bereits im Zeitpunkt des Erwerbs, für den der Vorsteuerabzug geltend gemacht wird, (steuerfrei) vermietet war.

5. Im Übrigen gibt es im Streitfall —wie das FG näher ausgeführt hat— keine objektiven Anhaltspunkte für die von der Klägerin behauptete Absicht, das Grundstück steuerpflichtig zu veräußern. Da das FG die Klageabweisung auch auf diese Erwägung gestützt hat, reicht es nicht aus, dass sich die Klägerin in ihrer Beschwerde gegen den Rechtssatz der Vorentscheidung wendet, es komme auf die tatsächliche erste Verwendung und nicht auf die beabsichtigte Verwendung an.

Wird ein finanzgerichtliches Urteil mehrfach begründet und trägt jede dieser Begründungen das Urteil, so muss für die Zulassung der Revision hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund vorliegen. Liegt für eine der die Entscheidung tragenden Begründungen kein Zulassungsgrund vor, kommt es auf die Frage, ob für die andere Begründung ein Zulassungsgrund besteht, nicht mehr an (vgl. , BFH/NV 1992, 175).

Die Klägerin hätte sich deshalb in ihrer Beschwerde auch mit der Frage auseinander setzen müssen, ob die Ausführungen der Vorentscheidung zur fehlenden Dokumentation der von ihr behaupteten Verkaufsabsicht die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO a.F. eröffnen.

6. Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom noch die Abweichung der Vorentscheidung von dem (Lennartz, Slg. 1991, I-3795) rügt, ist diese Rüge bereits deshalb unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Beschwerdefrist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO a.F. erhoben wurde.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1620 Nr. 12
YAAAA-67149