BFH Beschluss v. - III S 5/02

Gründe

I. Die Klägerin und Antragstellerin (Antragstellerin) führte beim Finanzgericht (FG) einen Rechtsstreit gegen den Antragsgegner (Finanzamt —FA—) wegen Einkommensteuer 1995. Streitig war, ob die unter Vorbehalt des Nießbrauchs vorgenommene Übertragung eines im Betriebsvermögen gehaltenen Erbbaurechts zu einem Entnahmegewinn führt. Das FG hat die Klage durch Urteil vom abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Antragstellerin hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tag verworfen.

Die unter dem (erneut) beantragte Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1995 lehnte das FA mit Bescheid vom ab; ein gerichtliches Aussetzungsverfahren ist nicht anhängig.

Gegen den Gewerbesteuermessbescheid 1995 vom legte die Antragstellerin unter dem Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Eine zunächst gewährte Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheides 1995 widerrief das FA mit Bescheid vom und wies den dagegen eingelegten Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom zurück.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom verfolgt die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheides 1995 für die Dauer des Hauptsacheverfahrens betreffend Einkommensteuer 1995 weiter, weil die Vollziehung des genannten Bescheides zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Antragstellerin führe.

Die Antragstellerin beantragt unter Bezugnahme auf § 69 Abs. 7 der Finanzgerichtsordnung (FGO),

”gerichtliche Entscheidung über die Ablehnung der Vollziehungsaussetzung des Antragsgegners durch Bescheid vom ”.

Das FA beantragt,

den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

II. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheides für 1995 wird entsprechend § 70 FGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 des GerichtsverfassungsgesetzesGVG— (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 70 Rz. 4) an das FG verwiesen.

1. Der Senat versteht den Antrag der Antragstellerin als gerichtlichen Aussetzungsantrag gemäß 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO, und nicht als Klage gegen den Widerruf der Aussetzungsverfügung, die wegen der ausdrücklichen Regelung des § 69 Abs. 7 FGO unzulässig wäre (vgl. , BFHE 192, 1, BStBl II 2000, 536).

Zwar wendet sich die Antragstellerin in der Begründung des Antrags auch gegen den ihrer Meinung nach zu Unrecht erfolgten Widerruf der Aussetzung. Ziel des Antrags ist jedoch nicht in erster Linie, den Widerruf zu beseitigen, sondern durch gerichtliche Entscheidung die Aussetzung der Vollziehung zu erreichen. Die Zugangsvoraussetzung dafür ist erfüllt. Denn das FA hat durch den Widerruf der Aussetzungsverfügung dem Aussetzungsbegehren vor Anrufung des Gerichts nicht entsprochen (§ 69 Abs. 4 Satz 1 FGO; vgl. , BFH/NV 1998, 23).

2. Der BFH ist für diesen Antrag nicht zuständig. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann nur das Gericht der Hauptsache die Vollziehung aussetzen.

a) Der BFH ist für den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des nach Angabe der Beteiligten mit Einspruch angefochtenen Gewerbesteuermessbescheides 1995 nicht das Gericht der Hauptsache. Denn das Einspruchsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

b) Es kann offen bleiben, ob der BFH wegen der Regelung des § 35b des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) —ggf. in analoger Anwendung des § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 4 FGO— auch für die Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheides Gericht der Hauptsache wäre, wenn ein Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1995 hier anhängig wäre (vgl. , BFH/NV 2000, 1350, m.w.N.). Denn ein Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1995 ist beim BFH nicht anhängig.

3. Von einer Verweisung kann auch nicht deshalb abgesehen werden, weil der Antrag an das FG auf Aussetzung der Vollziehung offenkundig unzulässig wäre (vgl. , BFH/NV 1998, 1395). Der Gewerbesteuermessbescheid 1995 ist aufgrund des Einspruchs der Klägerin noch nicht bestandskräftig. Wie oben unter II. 1. dargelegt, ist durch den Widerruf der Aussetzungsverfügung die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO (Ablehnung eines Aussetzungsantrags durch die Behörde) erfüllt. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2 FGO kann der Antrag auch schon vor Erhebung der Klage gestellt werden.

Demnach war mit Erlass der Widerrufsverfügung durch das FA der Zugang zum gerichtlichen Aussetzungsverfahren eröffnet.

4. Der Beschluss ergeht ohne Kostenentscheidung, so dass es auf die Richtigkeit der Rechtsmittelbelehrung in der Einspruchsentscheidung vom nicht ankommt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 492
BFH/NV 2003 S. 492 Nr. 4
WAAAA-70358